Plastik-Alternativen: Nicht immer nachhaltig
Das klassische Plastiksackerl an der Kassa wird immer öfter durch Papier oder Pendants auf Stärkebasis ersetzt. Statt Frischhaltefolie wickelt der umweltbewusste Konsument seine Jause in Bienenwachs-Papier. Und die Tupperware-Box? Weicht dem Behälter aus Sojastärke. Alternativen für Plastikprodukte boomen.
Innovativ, nachhaltig und vor allem: umweltfreundlich – damit werden die Produkte häufig geworben. Ob eine Alternative wirklich sinnvoll ist, hänge aber immer von deren Verwendung ab, sagt Manfred Tacker, Studiengangsleiter für Verpackungstechnologie und nachhaltiges Ressourcenmanagement an der FH Campus in Wien: „Im Bezug auf die Nachhaltigkeit einer Verpackung muss man sich immer den gesamten Lebenszyklus anschauen.“
Konkurrenz der Lebensmittelproduktion
Gerade bei stärkebasierten Materialien sieht die Öko-Bilanz häufig schlecht aus, sagt Tacker: „Wenn Produkte aus Mais oder Kartoffeln hergestellt werden, stehen sie in direkter Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion. Man braucht für den Anbau eine landwirtschaftliche Fläche und Wasser, das in vielen Regionen ohnehin knapp ist.“
Dazu kommt die fehlende Kompostierbarkeit in der Umwelt: „Auch stärkebasierte Produkte zersetzen sich nur langsam“, sagt Tacker. Er befürchtet, dass das grundlegende Problem, nämlich die Wegwerfkultur, dadurch nicht verringert werde. Sein Lösungsvorschlag: „Man muss dafür sorgen, dass Verpackung gesammelt und rezykliert wird.“
Gerade empfindliche Lebensmittel, wie Wurst und Käse, seien in Kunststoffverpackungen besser geschützt: „Die Produktion dieser Waren hat größere Auswirkungen als jene der Verpackung. Verdirbt die Wurst, ist das ökologisch gesehen also schlimmer als die Plastikverpackung selbst“, sagt der Experte.
Der Ökodesign-Experte Michael Braungart verfolgt denselben Ansatz. Er hat das „Cradle-to-cradle“(von der Wiege bis zur Wiege)-Designkonzept mitentwickelt, mit dem alle Materialien komplett recycelt werden könnten. „Es braucht ein Pfandsystem für alle Verpackungen“, sagt er.
Das Hauptproblem: Viele Chemikalien im Plastik
Braungart forscht seit vielen Jahren zum Thema Plastik und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. „Plastik ist die Pest des Jahrhunderts“, sagt er. Von Alternativen wie stärkebasierten Materialien ist auch er nicht überzeugt. In seinen Augen sind „viele Produkte nur auf den ersten Blick eine Alternative, bringen der Umwelt aber nichts. Es entsteht eine Art Ökologismus, der gar nicht ökologisch ist.“
Der Professor der Leuphana Universität Lüneburg ist der Meinung, dass Plastik überhaupt erst durch die zugefügten Chemikalien zum großen Problem wurde: „Ein einziger Joghurtbecher enthält bis zu 600 Chemikalien, damit er leicht wird und billig produziert werden kann. Sogar Taschentücher enthalten Stabilisatoren, Servietten und Papier sind beschichtet, sie zersetzen sich dadurch über Jahrhunderte nicht.“ Auch von Jutebeuteln und Taschen aus recycelten Lkw-Planen rät er ab: „Sie enthalten Pestizide und giftige Weichmacher, das hat nichts mit richtigem Recycling zu tun.“
Für eine gute Lösung müsse das gesamte Verpackungsdesign neu gedacht werden, ist Braungart überzeugt – „mit wenigen, reinen Kunststoffen, die recycelbar sind wie PET-Flaschen“.
Gibt es nachhaltige Verpackungsalternativen also gar nicht? „Doch“, sagt Tacker, „wenn die Materialien aus Abfallprodukten hergestellt werden, zum Beispiel aus Holzfasern.“ Damit kann Zellulose (ein Garn, das aus Buchenholzfasern stammt) erzeugt werden. Davon ist auch Braungart überzeugt: „Man muss das Rad nicht neu erfinden. Zelluloseverpackungen sind beispielhaft und perfekt abbaubar.“
Plastikalternative aus Österreich
Die Idee entsprang einer Notlage: Als die Mülldeponie in Frohnleiten überfüllt war, war für die Unternehmerfamilie Reichl klar, dass sie ihrem Verpackungszentrum eine neue Richtung geben müssen, erinnert sich Bettina Reichl: „Wir wollten uns auf Stoffe spezialisieren, die aus Abfallprodukten rezykliert werden können. Die Idee war, Verpackungsmaterialien, die vom Plastik verdrängt wurden, neu aufzugreifen – wie etwa die Holzschliffverpackungen.“
Fast dreißig Jahre später sind die im Verpackungszentrum Graz hergestellten Obst- und Gemüsenetze aus der aus Buchenholz-Fasern gewonnenen Zellulose gefragter denn je.
Auch andere Materialien können Plastik gut ersetzen. Ein Überblick:
Algen: Aus der Braunalge wird eine Art Schaumstoff hergestellt, der sich aufgrund seiner flammhemmenden Eigenschaften auch gut als Baustoff einsetzen lässt.
Folie aus Milch-Proteinen: Anstelle von Plastikfolien sind jene aus Casein-Proteinen, die bei der Käseherstellung gewonnen werden, noch strapazierfähiger und zudem essbar. Sie sollen in ein bis zwei Jahren auf den Markt kommen.
Glas, Dosen und Papier: Diese Materialien haben nicht immer die bessere Ökobilanz als Plastik: Sie lohnen sich nur bei Wiederverwendung, denn die Herstellung ist energieintensiv.
Kommentare