Gestylt zur Geburt: Jungmütter unter Druck
Nur elf Stunden nach der Geburt präsentierte Herzogin Catherine vor dem Spital ihr neues Töchterchen. Der Teint rosig, die Haare voll und glänzend, das Blümchenkleid perfekt. Supermodel (und -mama) Heidi Klum lief sechs Wochen nach der Entbindung gar in Dessous über den Laufsteg – eine Phase, in der andere noch mit den Extra-Kilos kämpfen, für die sich der (von Promi-Magazinen überstrapazierte) Begriff "After-Baby-Body" etabliert hat. In den USA verpflichtet sich so manche Banker-Gattin sogar per Vertrag dazu, ihre Schwangerschaftspfunde schnell wieder loszuwerden, plauderte Staranwältin Laura Wasser aus.
Empörung
Der Artikel löste einen Aufschrei in den sozialen Medien aus. Vor allem bei Jungmüttern war die Empörung groß. "Wer Frauen vermittelt, sie müssten im Kreißsaal auf ihre Schönheit achten, hat noch nie eine Geburt erlebt", sagt Evelyn Höllrigl (29), die vor fünf Monaten Tochter Matilda zur Welt gebracht hat. Auf ihrem Blog Little Paper Plane machte sie ihrem Ärger Luft. "Zu behaupten, es wäre während der Geburt wichtig, gut auszusehen, ist einfach falsch. Es verschiebt die Priorität eines gesunden Geburtsablaufs und setzt Frauen unnötig unter Druck. Niemand wird danach sagen: ‚Zum Glück war ich noch bei der Pediküre!‘"
Neben dem Shitstorm gibt es in den sozialen Netzwerken auch eine andere Seite. Auf der Fotoplattform Instagram sind aufgehübschte Babybauchbilder mittlerweile so beliebt wie Avocado-Brote. Am "Dickbauchdienstag" posten werdende Mamas perfekt inszenierte Fotos ihrer Bäuche – inspiriert von Promi-Müttern wie Topmodel Candice Swanepoel. "Die Nachfrage nach Babybauch-Shootings ist zuletzt stark gestiegen", berichtet Fotograf Andreas Bübl. Auch der Qualitätsanspruch sei höher geworden: "Die werdenden Mütter wollen ästhetische Fotos. Jede will schön sein, auch in dieser Phase." Besonders gefragt seien Schwarz-Weiß-Aufnahmen und Tücher, die den Bauch umspielen.
Gratwanderung
Den Wunsch der Mütter, während und nach der Schwangerschaft möglichst schön zu sein, beobachtet auch Psychologin Margit Hörndler. "Es fällt mir auf, dass sie sich viel mehr als früher bemühen, schnell wieder in Form zu sein."
In ihrer Praxis hat sie sich auf Schwangere und junge Mütter spezialisiert. Natürlich sei deren Erwartung an sich selbst auch von den Medien geprägt: "Bilder wirken unbewusst. Wenn man dauernd sieht, wie toll es die anderen machen, kommt man unter Druck." Sie warnt vor einer Gratwanderung: "Es ist eine fließende Grenze zwischen dem Wunsch nach Schönheit und einer Körperbildstörung. Wenn eine Frau bereits ein solches Problem hatte, kann es durch eine Schwangerschaft verstärkt werden." (siehe Kasten rechts)
Jungmutter Evelyn rät zu Gelassenheit. "Es hat sich herausgestellt, dass man auch nach der Geburt noch Zeit hat, Frau zu sein. Und falls nicht: Unser Körper hat Großartiges geleistet – warum sollten wir uns über Dehnungsstreifen ärgern, wenn wir ein Baby in Händen halten?"
Während der Schwangerschaft kann eine frühere Essstörung wieder auftreten„Für mich war die Schwangerschaft wie ein neunmonatiger Kampf“, erinnert sich die US-Amerikanerin Maggie Baumann an ihr „sich ausdehnendes Selbst“. 20 Jahre nach der Geburt und der Ausbildung zur Therapeutin schrieb sie sich als Vorbild für andere Mütter ihre Geschichte von der Seele. Und prägte den Begriff „Pregorexie“, aus dem englischen Begriff für Schwangerschaft (pregnancy) und dem Fachbegriff für Magersucht, Anorexie. Jede zehnte Frau hat Essstörungen in der Schwangerschaft, zeigt eine britische Studie. Dass nur der Babybauch eine erstmalige Essstörung verursacht, ist unwahrscheinlich, betont die Psychologin Margit Hörndler und verweist auf frühere Erkrankungen.
Beziehung
Sie beobachtet ein anderes Körperphänomen: „Es gibt Fälle, wo sich der Bauch auch bei fortgeschrittener Schwangerschaft nicht zeigt. Es gibt Frauen, die unbemerkt ein Baby auf die Welt bringen. Es kommt dann zu einer unbewussten Dynamik, dass der Körper die Symptome der Schwangerschaft unterdrückt.“ In ihrer Praxis hat sie das selbst schon erlebt: „Ich arbeite mit meinen Klientinnen an der Beziehung zu ihrem Baby. Erst wenn sie das Kind annehmen, kommt der Bauch heraus.“
Selbstbildstörung
Mit ihrem Körper kämpfen Mütter auch nach der Entbindung. „Problematisch ist eine Selbstbildstörung, wenn die Angst-Gedanken so im Vordergrund sind, dass sie Auswirkungen auf die Bindung zum Baby oder zum Partner haben.“ So kann eine Magersucht etwa Nachteile für die Milchbildung haben.
Genau hinsehen ist dabei wichtig: „So eine Störung kann ein Symptom der postnatalen Depression sein. Dabei brauchen Mütter unbedingt Unterstützung.“
Kommentare