Was Schüler über Sex lernen sollten

Let's talk about sex
Die Sexualerziehung soll modernisiert werden. Nicht allen Eltern passt das. Sie fürchten eine "Anleitung zum Fremdgehen".

Porno im Unterricht, Onanieren in der Klasse, Anleitung zum Schwulsein – so stellen sich aufgebrachte Eltern den Sexualunterricht der Zukunft vor. Bienchen und Blümchen ade.

Der Grund für ihre Aufregung: Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek will den 25 Jahre alten Erlass für Sexualerziehung in der Schule modernisieren. Denn 1990 gab es weder Smartphones noch soziale Medien. Und diese haben den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit dem Thema Sex revolutioniert. Sie sehen mehr, verstehen das Gesehene aber nicht.

Die Bundesjugendvertretung (BJV) fordert deshalb schon lange, dass offener über Sex gesprochen wird, und untermauerte den Wunsch mit einer Umfrage unter Schülern. 42 Prozent wünschten sich danach mehr Workshops über das Thema in der Schule. Sexualität komme bisher nur in Biologie oder Religion vor.

Was könnte sich jetzt also ändern? Laut dem Entwurf sollen Kinder und Jugendliche lernen, selbstbestimmt mit dem eigenen Körper umzugehen und später ihre Beziehungen selbstbewusst zu gestalten (siehe unten).

Manchen Eltern geht das zu weit: "Unter dem Vorwand der Selbstbestimmung werden riskante sexuelle Verhaltensweisen wie ständig wechselnde Sexualpartner und promiske Praktiken sogar gefördert", wettert etwa Josef Gundacker vom Familienforum. Die "Initiative wertvolle Sexualerziehung" warnt vor "der Gefahr der Indoktrinierung" und sammelt Unterschriften gegen den Erlass. Es würden zu wenige Werte vermittelt oder falsche – etwa über Homosexualität. Ihr Zugang: "Gute Sexualerziehung sollte jungen Menschen helfen, den Wunsch nach Liebe, Ehe und Familie umzusetzen."

Offen reden

Ängste und Bedenken der Eltern kennt Sexualpädagogin Marlies Tegel von "Happy Kids" nur allzu gut. Sie hält Workshops in Kindergärten und Schulen, die sie immer in einem Elternabend vorbespricht: "Viele sorgen sich etwa, dass Volksschulkinder zu detailreich aufgeklärt werden. Doch in diesem Alter geht es darum, dass Kinder ihren eigenen Körper und ihre Gefühle kennenlernen." Aus diesem Grund trennt "Happy Kids" die Gruppen oft in Buben und Mädchen.

Was Schüler über Sex lernen sollten
Marlies Tegel

Ihr Ziel: Die Kinder sollen lernen, ihren eigenen Körper wertzuschätzen. Nur so kann Missbrauch vorgebeugt werden: "Denn nur was ich kenne, kann ich schützen", betont Tegel.

Die Sexualpädagogin beobachtet große Unterschiede zwischen Kindern, die mit entspannten Eltern über Sexualität gesprochen haben, und anderen, für die der Körper Neuland ist. Doch unabhängig vom Elternhaus werden "Kinder immer früher mit sexualisierten Inhalten konfrontiert."

Das eigene Sexualleben und die erste Beziehung werde erst bei Jugendlichen wichtig. Hier kommt man am Thema Pornografie nicht vorbei, schließlich prägt es in Sachen Sexualpraktik die Vorstellungen vieler Jugendlicher. Werden im neuen Unterricht wirklich Filme vorgeführt, wie es manche Eltern befürchten? "Nein, das ist ja sogar strafrechtlich verboten. Wir reden mit den Jugendlichen, dass sie solches Material nicht mit der Realität verwechseln dürfen. Das sind Schauspieler, die eine Rolle spielen, es ist nicht echte Sexualität", sagt Tegel.

Eltern einbeziehen

Die Hauptverantwortung für die Sexualerziehung soll jedenfalls bei den Eltern bleiben, meint Felix Wagner von der Schülerunion: "Sie müssen entscheiden, wann es Zeit ist, über bestimmte Themen zu reden. Die Kinder sind ja sehr unterschiedlich in ihrer Entwicklung."

Auch Elternvertreterin Susanne Schmid fordert bei diesem sensiblen Thema den konstruktiven Austausch zwischen Schule und Elternhaus . Sie hat Bedenken, die Aufklärung im Unterricht nur den Lehrern aufzubürden: "Ein Klassenvorstand hat eine ganz andere Rolle. Mit externen Experten können Schüler offener sprechen." Scheitern könnte das Projekt allerdings – wie so oft – am Geld.

Eine zeitgemäßere Sexualerziehung hat sich Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek zum Ziel gesetzt. Dafür will sie einen neuen Erlass ausarbeiten lassen. Der von Experten verfasste Entwurf sieht vor, dass „Sexualerziehung altersgerecht und an der Lebensrealität von Kindern und jungen Menschen orientiert sein soll.“ Das klingt sehr allgemein und lässt Raum für viele Interpretationen und auch Ängste (siehe links).
Etwas konkreter sind die Kompetenzen formuliert, die Schüler erwerben sollen: Sie sollen zum Beispiel wissen, wo sie sich seriöse Informationen über Sex und Partnerschaft holen können. Zu der Theorie muss sich auch die Praxis gesellen. Heißt: Jugendliche wollen wissen, was das alles mit ihrem Leben zu tun hat.
Weiteres Ziel: Schüler haben eine positive Haltung zu sich selbst und zu ihren eigenen Bedürfnissen. Nur so können sie später auch eine eigene Wertehaltung zu Themen wie Partnerschaft und Sex entwickeln. Und wer eigene Werte definiert hat, der kann auch verantwortungsbewusste Entscheidungen zu Themen wie Sex und Beziehungen treffen.
Ein eigenes Fach „Sexkunde“ wird es nicht geben. Sexualerziehung ist ein Unterrichtsprinzip, wie es z.B. auch die Verkehrserziehung ist. Es wird also fächerübergreifend Thema sein.

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