Neue Reifeprüfung: Leserbrief statt Literatur-Analyse

Neue Reifeprüfung: Leserbrief statt Literatur-Analyse
Zwei Aufgaben, zwei Texte. So sieht die Zentralmatura im Fach Deutsch aus. Kritik kommt von der IG Autoren.

Fünf Stunden haben Maturanten im Fach Deutsch Zeit, um sich über ein einziges Thema auszulassen. Beispiel: Eine Interpretation von Goethes "Willkommen und Abschied". Oder eine Erörterung "Nutzen und die Gefahren der Neuen Medien".

Fünf Stunden. So lange Zeit haben Maturanten auch bei der neuen Reifeprüfung ab dem Schuljahr 2013/’14. Die Schüler müssen dann zwei – allerdings kürzere – Abhandlungen schreiben. "Bei der teilzentralen Matura werden zwei Kompetenzen abgeprüft", sagt Karl Blüml, der die neue Reifeprüfung für das Fach Deutsch mit ausgearbeitet hat. "Die Schüler müssen zum Beispiel zeigen, dass sie interpretieren und argumentieren können. Auch ihre rhetorische Überzeugungskraft können sie in manchen Prüfungen unter Beweis stellen."

Eine Aufgabe könnte etwa heißen: "Verfassen Sie eine Meinungsrede. Als Klassensprecher sollen Sie sich bei einem Redewettbewerb zum Thema ,Zivilcourage‘ äußern." Auch Leserbriefe oder Kommentare können Teil der Reifeprüfung sein. "Jede Aufgabe wird mit einem Text verbunden sein. Im Falle eines Leserbriefes zum Beispiel ein Zeitungsbericht", sagt Blüml. "So wird die Lesekompetenz überprüft, also die Fähigkeit, Texte zu verstehen. Nur die Vor- und Nachteile einer Sache darzustellen – das wird es nicht mehr geben."

Scharfe Kritik an der Neuen Reifeprüfung übt die IG Autoren: "Der gestaltete Text, das kreative Schreiben verliert zugunsten des zweckorientierten Textes", moniert Gerhard Ruiss.

Blüml verweist darauf, "dass es literarische Texte wie Gedichte, Kurzbeschreibungen oder Romanauszüge weiterhin geben wird. Es wird halt keine Literatur vorgegeben. Einen Literaturkanon gibt es seit 1984 aber ohnehin nicht mehr."

Kritik

Gedichte Ruiss will das so nicht stehen lassen: "Auch wenn ich ein Gedicht interpretiere, muss ich das Genre kennen. Die Matura nur auf Kompetenzen zu reduzieren, heißt auch, dass das Literaturangebot im Unterricht weniger wird. Dabei wäre die Schule der Ort, an dem Schüler mit Literatur konfrontiert werden."

Elternvertreter Theodor Saverschel, der die Einführung der Zentralmatura "im Prinzip für eine gute Sache hält", wünscht sich, "dass es jedes Jahr einen Pool an literarischen Themen gibt."

Schülervertreter Jim Lefebre (Schülerunion) ist es "ein Dorn im Auge, dass im Fach Deutsch über verschiedene Schultypen hinweg standardisiert wird. Nicht nur, dass es zwischen AHS und berufsbildenden Schulen unterschiedlich viel Vorbereitungszeit für dieselbe Klausuraufgabe gibt, es variieren auch die Wochenstunden sehr stark." Eine Folge sei, "dass nach unten nivelliert wird", befürchtet Ruiss.

Die Schüler stört auch, dass die "fachdidaktische Handreichung für Deutsch-Lehrer erst im Frühjahr 2012 veröffentlicht wird. Zu diesem Zeitpunkt sitzen aber schon zukünftige Zentralmatura-Klassen im Unterricht. Es ärgert uns, dass die Vorbereitung so rücksichtslos erfolgt. Wir fordern mehr Aufklärung direkt an den Schulen in Form von Informationsveranstaltungen für Schüler, Eltern und Lehrer."

Fahrplan: Zentralmatura startet 2013/’14

Kompetenzen Eine standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung absolvieren AHS-Maturanten ab 2013/’14. Die BHS folgen ein Jahr später.

Drei Säulen Die neue Reifeprüfung besteht aus drei Säulen. Jeder Schüler muss eine vorwissenschaftliche Arbeit (AHS) bzw. eine Diplomarbeit (BHS) schreiben. Das Thema wird am Ende der 7. Klasse AHS bzw. 4. Klasse BHS festgelegt. Sie umfasst 40.000 bis 60.000 Zeichen. In drei oder vier Fächern wird schriftlich geprüft (Deutsch, Mathematik, lebende Fremdsprache sind Pflicht). Die Aufgabenstellung erfolgt zentral, geprüft wird in ganz Österreich zur selben Zeit. In zwei oder drei Fächern gibt es die mündliche Matura, Dauer: max. 20 Minuten.

 

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