Wie Botox vom Gift zur Wunderwaffe wurde

Wie Botox vom Gift zur Wunderwaffe wurde
Botox aus Österreich: Die weltweit erst vierte Zulassung hat das Pharma-Unternehmen Croma aus Niederösterreich erhalten. Botox ist mehr als ein Faltenkiller. Es hilft gegen Migräne, Übergewicht und Blasenschwäche.

Der Stich war ihnen stolze 65 Millionen Euro wert. Freilich soll es nicht bei einem Stich bleiben – und wird es auch nicht. Bisher gab es weltweit nur drei Pharmaunternehmen, die eine Botox-Zulassung hatten. Nun gibt es eine vierte am weltweiten Markt – und die hat das Pharma-Unternehmen Croma aus Österreich erhalten. Die Brüder Andreas und Martin Prinz machen Croma Pharma, das sie in zweiter Generation führen, mit diesem Schritt zu einem Global Player in der Pharmabranche.

„Andere investieren ihr Geld in Immobilien, wir in Studien, um die Zulassung zu erhalten“, scherzt Andreas Prinz. Seit 2015 läuft das Projekt, die vierte weltweite Zulassung zu bekommen. Drei große dreiphasige Studien wurden durchgeführt. Ende Jänner 2022 genehmigten die US-amerikanische Arzneibehörde FDA und die europäische EMA die Zulassung – die letzte Toxin-Zulassung gab es vor 17 Jahren.

Wie Botox vom Gift zur Wunderwaffe wurde

Croma-CEO Andreas Prinz  (am Foto links) und sein Bruder Martin (im Hintergrund rechts) mit ihren Eltern, die das Unternehmen Croma Pharma gründeten. Valentina Prinz (erste Reihe rechts) führt im ihrem Studienzentrum Yuvell in Wien die notwendigen klinischen Studien für ästhetische Medizinprodukte durch.  

18 Prozent Wachstum

Doch warum existierten bisher weltweit nur drei Botoxhersteller, obwohl Botulinumtoxin Typ A seit mehr als 23 Jahren im Einsatz ist? Einerseits war der Ruf nicht immer der beste – assoziierte man Botox mit der versteinerten Mimik von alternden Hollywood-Stars.

Andererseits sind die Kriterien für Zulassungen am ästhetischen Markt seit dem Brustimplantate-Skandal mit Billig-Silikon um ein Vielfaches strenger geworden.  Hier hat die Unternehmerfamilie Prinz eine Marktlücke im Zuge des Zulassungsverfahren entdeckt.

Marktlücke entdeckt 

Es gibt kaum Institute - vor allem in Europa -, die Studien auf dem geforderten hohen Qualitätslevel durchführen können. Valentina Prinz, die Ehefrau von Andreas Prinz, ergriff kurzerhand die Initiative und  formte ihr Schönheitstinstitut Yuvell in der Wiener Innenstadt (www.yuvell.at) zu einem der wenigen Studienzentren für ästhetischen Medizin in Europa um.

Sämtliche dafür benötigten Zertifizierungen hat die Unternehmerin schon vor mehr als zwei Jahren erhalten - und führt jetzt nicht Studien für Croma Pharma durch, sondern auch für andere internationale Pharmaunternehmen, die in der ätherischen Medizin tätig sind.

"Früher haben die ästhetischen Ärzte für die Pharmaunternehmen nebenbei die Studien durchgeführt. Das waren einfache Erfahrungsberichte, die verfasst wurden. Das erlauben die heutigen Standards nicht mehr. Es gibt kaum Zentren, die auf diesem hohem Level mehrphasige Studien für Produktzulassung durchführen können. Auch das ist ein Grund, warum es immer schwieriger wird, eine Neuzulassung in diesem Bereich zu bekommen“, erzählt Valentina Prinz.  

Mit diesem Schritt hat Valentina Prinz auch den Geschäftsbereich von Yuvell maßgeblich erweitert. Denn neben den Studien-Geschäftsfeld existiert der klassische Bereich, wo zahlreiche Treatments für Kundinnen angeboten werden, weiter. 

Das Zentrum Yuvell hat bereits internationale Kunden wie den LG-Konzern, der nicht nur im Elektronikbereich zu den Marktführern zählt, sondern auch im ästhetischen Bereich sehr erfolgreich aktiv ist. 

Gut gehütetes Geheimnis

Ein weiterer Grund, warum es bis jetzt weltweit nur vier Botox-Hersteller gibt: Das Verfahren zur Botox-Herstellung wird ähnlich gut gehütet wie die Formel von Coca-Cola.

Denn nur speziell in Zellkulturen hergestellt, aufbereitet, extrem verdünnt und in einer Dosis, die sich individuell nach dem Patienten richtet, wird aus dem Gift ein Medikament. Die Wachstumsraten allein im minimal invasiven ästhetischen Bereich liegen bei 18 Prozent – wie viele Branchen können da mithalten?

Andreas Prinz ist sicher, dass Botox, Hyaluron-Filler & Co. schon bald so selbstverständlich sein werden wie die tägliche Hautpflege. „Vor 100 Jahren waren Zahn- und Hautpflege nur in einer kleinen, elitären Schicht üblich. Heute sind sie in der Gesellschaft Standard.“

Botox gegen Depression

Mit einem Budget von 2.500 bis 3.000 Euro im Jahr könne man mit einer „Politik der kleinen Schritte“ bei den minimalinvasiven Treatments große Erfolge haben. „Wir stellen den Ärzten einen Instrumentenkoffer zur Verfügung. Da wird nicht jedes Mal Botox gespritzt, sondern ein Mix aus verschiedenen Treatments angewendet – so bleibt die Mimik natürlich und die Ausstrahlung wirkt jugendlicher“, beschreibt Prinz die neue Philosophie in der ästhetischen Medizin.

Studien, auch jene von Croma Pharma für das Zulassungsverfahren, zeigen, dass Botox ein Multitalent ist. Es macht auch glücklicher. Denn wenn das Wohlbefinden steigt, ist man im Job, in der Beziehung besser drauf. Es existieren auch internationale Studien, die zeigen, dass eine Botox-Therapie auch Depressionen minimieren kann.

Denn abgesehen vom Einsatz als Wundermittel gegen Falten ist die Substanz hochwirksam gegen viele Krankheiten, die mit übermäßig angespannten Muskeln einhergehen. Für diese Leiden ist Botox sogar die einzig effiziente Therapie, etwa bei chronischer Migräne. Durch den Einsatz von Botox werden genau diese Muskelbewegungen reduziert, die die Migräne-Anfälle auslösen. Drei bis fünf Monate sind die Patienten von der Angst vor der neuerlichen Attacke befreit. Die Patienten ersparen sich auch die Einnahme von Schmerztabletten, die wiederum den Magen schädigten.

Magenbotox

Noch relativ neu ist die Anwendung von „Magenbotox“ bei adipösen Erkrankungen. Botoxspritzen im Magenbereich bewirken nicht nur, dass es zu langsamerer Magenentleerung und länger anhaltendem Sättigungsgefühl kommt, sondern reduziert auch signifikant das Niveau des Hungerhormons Ghrelin. Spezialisten berichten, dass mit der neuen Methode nach zwei Spritzen im Abstand von sechs Monaten durchschnittlich fast ein Fünftel des überschüssigen Körpergewichts wegschmelzen.

Ein Verbesserung der Lebensqualität erleben auch Patienten, die an einem hyperaktiven Blasenmuskel leiden. Die Belastung für den Alltag ist enorm, denn selbst Shoppen oder Spaziergänge werden zum Problem.

Auch hier kann das „gute Gift“ Botox Abhilfe schaffen. Es wird in die Muskulatur der Harnblase eingespritzt. So wird die Nervenversorgung der Blase gehemmt und die Blase beruhigt sich. Angesichts der vielen Anwendungsgebiete hat das Gift eine große Karriere gemacht.

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