Heidi Klum und ihr Team haben erneut die PR-Maschinerie angeworfen. Heute wird die erste Folge der 17. Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) ausgestrahlt – Schlagzeilen, die sich automatisch positiv auf die Einschaltquote auswirken, gab es im Vorfeld zuhauf.
Dafür sorgt – wieder einmal – eine Neuerung der Castingregeln. Denn dieses Jahr befinden sich unter den vorab ausgewählten Top-31-Kandidatinnen erstmals ältere Frauen. Nachdem 2018 zum ersten Mal kurviger Nachwuchs gecastet wurde und vergangenes Jahr mit Alex Mariah Peter ein Transgender-Model sogar gewann, sei diese Staffel laut Klum „divers wie nie“: Barbara (68), Lieselotte (66) und Martina (50) vertreten 2022 die sogenannte Best-Ager-Kategorie.
Sofort wurde im Netz Kritik laut: „Total lächerlich, einfach nur, um die Quote zu erhöhen… die werden die Ersten sein, die rausfliegen“, lautete eine der Reaktionen.
Und: „Mit Topmodel hat das nichts mehr zu tun.“
Platz für alle
Dabei zeigt ein Blick auf die internationale Branche, dass die Laufstege auch in puncto Alter immer diverser werden. So lief erst vor wenigen Tagen das 57-jährige Model Kristen McMenamy bei der Haute-Couture-Show von Valentino.
Auch in Österreich wird die Nachfrage nach Best-Ager-Models größer. „Als ich Ende der Achtzigerjahre in dieser Branche begonnen habe, waren nur 16- bis maximal 18-Jährige gefragt“, sagt Mario Soldo, Gründer der Mother Agency in Wien. „Alles darüber galt als zu alt.“ Keine über 50-jährige potenzielle Kundin wolle sich heute noch eine Anti-Aging-Creme von einer knapp Volljährigen verkaufen lassen.
Zwar werden in den Modemetropolen Paris, Mailand, London und New York nach wie vor vornehmlich dünne und junge Models für Showroom-Präsentationen und Laufstegshows gebucht. Das bedeute laut Soldo jedoch nicht, dass es für andere Altersklassen und Körperformen keinen Platz in der Branche gibt. „Letztere werden einfach für andere Jobs gebucht“, weiß der Agent.
„Sie bekommen zwar derzeit noch weniger, dafür aber spektakulärere Aufträge – die dann meist sogar besser bezahlt sind.“
Keine Quote ohne Trend
Ist die Diversität der Kandidatinnen tatsächlich einem Umdenken der GNTM-Macher geschuldet – oder wollen diese die gesellschaftlichen Veränderungen nur möglichst gewinnbringend verwerten? Die Frage bleibt auch im 18. Jahr des Klumschen Modelzirkus offen.
Den Zuseherinnen wird jedenfalls ein wichtiges Signal übermittelt, sagt Katrin Döveling, Kommunikationswissenschafterin an der Hochschule Darmstadt und Expertin für Schönheitsideale. Auch vor den Bildschirmen sitze eben keine uniforme Masse an Teenies. „Auch Frauen jenseits der vierzig und Größe 34 sind Teil des Publikums. Es ist schön, wenn sich diese in der Fernsehlandschaft wiederfinden.“
Die Diversität werde von den TV-Machern jedoch zu eindimensional und leicht inszenierbar dargestellt, kritisierte die Bildungsforscherin Ellen Kollender in der Zeit: „Du darfst trans sein, aber nicht fett – du kannst crazy sein, aber nicht Schwarz“, formulierte sie provokant.
Die Darstellung von Inklusion hat eben ihre Tücken – dennoch führt kein Weg mehr daran vorbei. Döveling weiß: „Im Kampf um die Quote kann sich ein Format nur halten, wenn es gesellschaftliche Trends berücksichtigt. Unrealistische Ideale und normative Geschlechterbilder werden zunehmend überholt.“ Das ist auch Heidi Klum und ihrer PR-Maschinerie nicht entgangen.
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