John Gallianos hart erkämpfter Weg zurück in die Modewelt
„Geld ist mir egal. Ich will nur tun, was ich tue“, erklärte John Galliano einmal seinen Zugang zu Modedesign. Mit seiner Leidenschaft und seinem Können überzeugte er schon als unbekannter Designer die mächtige Chefin der US-Vogue. Anna Wintour war es höchstpersönlich, die dem Arbeiterkind aus London einen Investor verschaffte, als er Anfang der Neunzigerjahre völlig mittellos in der Wohnung eines Freundes auf dem Fußboden schlief. Sein Gönner und Liebhaber hatte ihn zuvor verlassen.
„Ein Talent solchen Ausmaßes findet man nur sehr selten“, erklärt Wintour damals über den Exzentriker. Dann geht es Schlag auf Schlag. 1995 wird er zum Chefdesigner des Luxushauses Givenchy, ein Jahr darauf wechselt er zu Dior. Und damit kommen die erfolgreichsten Jahre auf die schillernde Persönlichkeit zu.
Promis hofieren Galliano
Promis lieben seine pompösen Volant-Roben und werden schnell zu (Party-)Freunden. Prinzessin Diana bis Madonna reißen sich um seine Entwürfe, in denen er Art-Deco-Elemente, Barock-Stil und japanische Moderne mutig mixt.
Sieben Millionen Euro Jahresverdienst erhält er Anfang der Nullerjahre. Dafür arbeitet der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Sohn eines Installateurs aber auch wie verrückt. Acht Kollektionen jährlich liefert Galliano für das Luxuslabel. Der berufliche Druck sei es schließlich auch gewesen, der ihn zu derart viel Alkohol und Tabletten greifen ließ, begründet Galliano seinen weltweit verfolgten Absturz im Jahr 2011.
Alkoholsucht und Tabletten führen zum Absturz
Volltrunken beleidigt er Jugendliche in einem Lokal in Paris. Zu den Pöbeleien mischen sich antisemitische Äußerungen, am Ende schwärmt er über Hitler – alles aufgenommen von einer Betroffenen.
Dior entlässt ihn umgehend. Über Nacht wird der Überflieger zur Persona non grata im Modezirkus. Nur wenige Freunde halten in dieser Zeit noch offen zu ihm. So wie Kate Moss. Ihr Hochzeitskleid lässt das Model trotz der Affäre von ihm schneidern. Dann wird es still um den einstigen Lebemann.
Wie sehr Kollegen, Stylisten und Hollywoodstars die Arbeit des Designers aber nach wie vor schätzen, zeigen Auftritte wie jener von Jennifer Aniston, die bei den SAG Awards 2020 in einer Vintage-Robe von Galliano über den roten Teppich schritt. Davor hatte schon Nicole Kidman bei einer Dior-Ausstellung stolz erklärt, dass sie das Couturekleid von Galliano, dass sie 1997 bei den Oscars trug, einmal ihren Töchtern vererben will.
In einem Interview reflektiert er nach dem Skandal und vielen Entschuldigungen: „Ich habe viel verloren, aber auch viel gewonnen. Ich bin ein kreativer Mensch und das kann mir keiner nehmen.“ Er werde „bis zum Ende für die Freiheit kämpfen, etwas Schaffen zu können.“ Und langsam aber sicher arbeitet sich das gefallene Ausnahmetalent tatsächlich wieder in die oberste Fashionliga zurück.
Seit 2015 ist er künstlerischer Leiter der Marke Maison Margiela. Inhaber Renzo Rosso erklärte dazu: „Für mich ist Galliano keine mutige, sondern die richtige Wahl. Prada, Hugo Boss haben sich von Galliano inspirieren lassen. (...) Er leistet Unglaubliches.“ Es war auch keine Geringere als Anna Wintour, die in einem seiner ersten Margiela-Entwürfe zu sehen war und die sich seit Kurzem auch wieder traut, ihren alten Freund in die Fashionbibel zu hieven. Gallianos Villa war vor einigen Wochen exklusiv in der Vogue zu bewundern, Interview inklusive.
Zudem wird seine aktuelle Kollektion, die als Theaterstück präsentiert wurde, von Modekritikern euphorisch gefeiert. Experte Alexander Fury analysierte: „Er ist in meisterhafter Form, und sein einziger Konkurrent, so scheint es, ist er selbst.“ Der legendäre Designer habe wieder seinen modischen Zenit erreicht. Gallianos leises Comeback wird also zusehends lauter und selbstbewusster.
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