"In diesem Beruf kann man keine Fehler machen"

Roland Koch und Marie-Luise Stockinger
Schauspielstudenten und ihre prominenten Idole über den Traum von der Bühne. Heute: Marie-Luise Stockinger (22) und Roland Koch (55).

KURIER: Herr Koch, Sie unterrichten Rollengestaltung. Profitieren Sie selber auch davon?

Koch: Irgendwann merkt man, dass es keine Einbahnstraße ist. Es ist ja nicht so, dass ich ein Gutmensch bin, der sich so gern Konkurrenz heranzüchtet. Ich nütze die Studenten ja hemmungslos aus! So eine Schule ist ein geschützter Raum, der dazu da ist, Fehler zu machen. Man sieht sie stolpern, man sieht, woran sie gestoßen sind, und das gibt einem eine Sensibilität für sich selber. Nach 25 Jahren in diesem Beruf entwickelt man eine gewisse Berufsidiotie: Man hört ein Wort und weiß sofort, was gemeint ist. Die Studenten haben das nicht, das heißt, man muss Sachen umschreiben, ihnen auf den Grund gehen, erklären. Dabei entdeckt man immer wieder Neues.

Frau Stockinger, was schätzen Sie an Roland Koch, der ja auch Ihr Rollenlehrer ist?

Stockinger: Ich bin seit zweieinhalb Jahren bei Roland im Rollenunterricht. In dieser Zeit war er mein ständiger Begleiter. Er ist die erste Ansprechperson im Beruf. Ich komme aus einer unkünstlerischen Familie – Roland ist der, den ich anrufe, wenn ich nicht weiterweiß.

Das heißt, man spricht dann auch über Privates – Ängste zum Beispiel?

Stockinger: Sicher, das sollte auch der Hauptbestandteil des Rollenunterrichts sein. Ich bin am Berufsanfang, Roland steht mitten drin. Ich finde das beruhigend, wenn ich weiß: Ängste werden immer da sein, man muss nur lernen, damit umzugehen.

Koch: Diese Mentorenrolle, die ich habe, hört nicht unbedingt mit dem Unterricht auf. Natürlich haben wir eine Beziehung, die darüber hinausgeht. Das hat auch mit dem Beruf zu tun – der ist ja um 18 Uhr nicht vorbei. Da geht es erst los! Die Zweifel, die Ängste, die man über den Tag aufgebaut hat, holen einen nachts wieder ein. Die Fragen kommen plötzlich und nicht zur Dienstzeit. Deswegen muss man auch bereit sein, diese Grenzen nicht zu ernst zu nehmen.

Sie haben vier Töchter, die Älteste ist selbst Schauspielerin. Hilft Ihnen das im Umgang mit jungen Studentinnen?

Koch: Wahrscheinlich mache ich das instinktiv. Viel mehr noch hilft mir, dass ich fünf Schwestern und keinen Bruder habe. Diese Art von Frauenversteher, die mir fast schon unangenehm ist, habe ich vermutlich schon so mitbekommen.

Frau Stockinger, wie lange träumen Sie schon davon, Schauspielerin zu werden?

Stockinger: Noch gar nicht so lange. Bevor ich aufs Seminar kam, hatte ich zwei Theaterstücke gesehen. Die Aufnahmeprüfung war eher ein Akt für mich selber. Ich bin dann viel zu spät hier hergekommen, fast hätten sie mich nicht mehr reingelassen. Ich wollte sofort wieder heim, weil ich die Einzige war, die im Dialekt gesprochen hat.

Sie wurden trotzdem beim ersten Anlauf aufgenommen.

Stockinger: Ja, aber anfangs war der Wille nicht da. Ich wollte auch recht bald wieder aufhören. Ich hatte Schwierigkeiten mit meinem Rollenlehrer, kam mir vor wie eine offene Baustelle. Im zweiten Jahr hat sich das geändert: Bei Roland hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich genüge. Das war ein großer Stressablass.

Herr Koch, haben Sie in Ihrer Karriere Fehler gemacht, vor denen Sie Anfänger warnen möchten?

Koch: Keinen einzigen! (lacht) Nein, im Ernst: Man kann keine Fehler machen. Das ist in diesem Beruf etwas sehr Spezielles. Jeder Fehler ist ein guter Fehler. Man muss in den Zustand kommen, sich diese Fehler zu leisten, zuzugestehen und zu wissen, dass es im Prinzip kein Falsch und Richtig gibt. Die Wege in diesem Beruf sind so individuell – letztendlich ist jeder richtig.

Woran erkennen Sie, ob jemand für diesen Beruf geeignet ist?

Koch: Viele Leute sind begabt, aber nicht geeignet. Das ist ein Unterschied. Sie können es ein Mal, wie ein Feuerwerk, aber kein zweites Mal. Um immer wieder auf den Nullpunkt zurückzukommen, braucht man Disziplin und psychische Robustheit. Von zehn Versuchen werden wahrscheinlich nur zwei gut sein. Man muss Niederlagen wegstecken können. Wenn man jemandem nicht sagen kann, dass er jetzt schlecht war, ist er nicht so robust.

Stockinger: Ich geh dann eh immer heulen ...

Koch: Aber ich weiß, das dauert eine Weile, und dann kommst du wieder. Natürlich hast du einen Hang zur Hysterie, aber das hat auch immer mit Angst zu tun. Angst haben wir alle, ich auch – aber man muss sie in Furcht umwandeln. Angst macht klein und immobil. Furcht macht aufmerksam und effizient.

Stockinger: An Rolands Unterricht schätze ich, dass es nie auf eine unangenehme Art persönlich wird. Wir bleiben beim Gegenstand.

Koch: Anhand dieses Gegenstands kann man dann auch Probleme aufzeichnen. Es ist ja so: Ich muss nicht ständig infrage stellen, ob das Schauspieler sind oder nicht. Sie sind aufgenommen, somit ist dieses Thema durch. Jetzt muss man alles tun, damit sie in diesen Beruf kommen, und ihnen nicht ständig beweisen, dass sie es nicht können. Natürlich bin ich im klassischen Sinn der Meister und sie die Schülerin – aber sie ist auch eine Kollegin, von der ich viel lerne.

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