"Jede Erfahrung ist eine wichtige"

Karl Markovics und Luka Vlatkovic
Schauspielstudenten und ihre Idole über den Traum von der Bühne. Heute: Luka Vlatkovic (24) und Karl Markovics (51).

KURIER: Herr Markovics, Sie kannten Luka Vlatkovic nicht. Und Sie wussten, dass wir im Interview nicht über Ihren neuen Film "Superwelt" sprechen würden. Dennoch haben Sie sofort zugesagt. Warum?

Markovics: Genau deswegen – weil es einmal nicht um mich geht. Und: Viele glauben, dass der Reflex eines Schauspielers, der am Max Reinhardt Seminar nicht genommen wurde, sein müsste: Haha, da seht ihr, wie weit es mit eurem Urteilsvermögen ist. Und das ist eben überhaupt nicht so. Ich habe null Ressentiments. Gegenüber niemandem.

Das glaube ich Ihnen, nach so einer Karriere!

Markovics: Ja, aber es könnte trotzdem sein. Frühe Verletzungen sind oft ganz tief, man möchte es nicht glauben. Bei mir ist es nicht so, weil es mir im Nachhinein so viel über mich erzählt – etwa, wie naiv ich damals vor der Prüfung war. Ich war 19, gleich nach dem Bundesheer. Ich stand im Schlosspark, überall liefen Schauspielaspiranten herum, memorierten ihre Texte und unterhielten sich darüber, wo sie sich schon überall beworben hatten. Und, was mir komplett neu war: Die meisten hatten ihre Texte schon mit Schauspielern vorbereitet.

Vlatkovic: Bei mir war es ähnlich. Als ich hingekommen bin, ging die Schlange vom Schlosstheater bis zum Tor. Ich dachte, ich bin fehl am Platz. Es kam mir so gekünstelt vor: Alle mussten zeigen, dass sie sich aufwärmen, manche schmissen Steine durch die Gegend. Ich war naiv. Aber ich hatte das Glück, dass ich genommen wurde.

Herr Markovics, wie können sich junge Leute, die zurückgewiesen werden, trösten?

Markovics: Glaub keinem, der etwas über dein Talent sagt, bevor du nicht selber eine Meinung über dich hast. Die einzige Bestätigung, dass du das Zeug für den Beruf hast, bist immer nur du. Wenn du bereit bist, dafür vor die Hunde zu gehen – und das war ich damals –, ist es deine Bestimmung. Mit jeder anderen Wahl wäre ich sowieso unglücklich geworden, also war das Risiko nicht so groß. Wenn jemand sagt, na, da studier ich jetzt lieber Deutsch und Geschichte auf Lehramt, ist das auch eine Antwort. Dann ist es auch besser, wenn man dabei bleibt.

Sind Sie im Nachhinein vielleicht sogar froh, dass es so gekommen ist?

Markovics: Es war gut für mich, dass ich nicht genommen wurde. Mein ganzes Leben verläuft sehr unorthodox, ich habe mich auch in der Umgebung von Schauspielern nie wohl gefühlt. Ich bin über einen verschlungenen Weg in diesen Beruf gekommen: über das Serapionstheater, eine ganz andere Art von Praxis. Das war der richtige Weg für mich. Schule ist gut, aber sie darf kein Dogma werden.

Vlatkovic: Das war ja das Interessante: Ich kam direkt von der Schule, wo es nur eine Wahrheit gab. Plötzlich erzählt dir jeder seinen Weg, wie man Schauspiel macht. Man fängt an, sich eine Sache herauszupicken und seinen eigenen Charakter zu bilden.

"Jede Erfahrung ist eine wichtige"
Karl Markovics, Luka Vlatkovic

Herr Vlatkovic, wie gehen Sie mit Rückschlägen um?

Vlatkovic: Ich war schon auf einigen Castings und mir wurde abgesagt. Mein Gott, das ist Teil des Berufs. Wenn man sich das zu sehr zu Herzen nimmt, sollte man sich vielleicht einen anderen Job suchen. Soweit ich weiß, wird man sehr oft abgewiesen.

Markovics: Da geht es nicht nur um fehlende Anerkennung – die spielt ja in jedem Beruf eine Rolle. Letztlich ist es etwas Persönliches. Jedes Nein ist ja auch eine Ablehnung des Ichs. Damit muss man immer neu umgehen lernen. In den vergangenen Jahren bin ich zu der Taktik übergelaufen, dass ich permanent Drehbücher ablehne. (lacht)

Gibt es einen Rat, den Sie Jungschauspielern mit auf den Weg geben möchten?

Markovics: Wenn ich überhaupt einen Rat geben kann, dann, dass man sich vor sich selbst rar machen, wählerisch sein sollte. Das ist natürlich anders, wenn man jung ist. Wenn ich jung bin, ist jede Erfahrung eine wichtige, auch, wenn sie schlecht war. Als Junger wäre es vielleicht sogar falsch, zu wählerisch zu sein. Da darf man ruhig mal eine Rolle bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" annehmen, so lange man nicht hängen bleibt.

Vlatkovic: Aber ist nicht gerade das gefährlich – dass man hängen bleibt?

Markovics: Ja – aber was ist nicht gefährlich in diesem Beruf? Die Sicherheit ist nicht gegeben, die soziale Anerkennung so lala. Mich haben immer die Rollen interessiert, von denen ich nicht gewusst habe, ob ich sie überhaupt spielen kann.

"Jede Erfahrung ist eine wichtige"
Karl Markovics, Luka Vlatkovic

Herr Vlatkovic, worauf achten Sie bei der Rollenauswahl?

Vlatkovic: Ich habe schon einige Rollen gespielt und werde oft wegen meines Aussehens besetzt. Alle sagen immer, dass ich so eine Präsenz auf der Bühne habe, wegen meiner dunklen Augen, meiner Größe, meiner Haare usw. Das ist alles schön und gut, aber ich will nicht immer dieselbe Rolle spielen. Ich muss mich davon lösen. Gerade versuche ich, Rollen zu erarbeiten, die mir körperlich gar nicht liegen. Mein Ziel ist es, ein größeres Rollenspektrum zu haben.

Markovics: Ich kann das sehr gut verstehen, was er sagt, und finde es toll, dass er dagegen arbeitet. Ich persönlich würde ihn ja für eine Frauenrolle bei Shakespeare besetzen.

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