„Stimmt gar nicht“, widerspricht nun lautstark Patricia Hirsch, Psychologin an der Technischen Hochschule in Aachen. Sie hat Mittwochabend eine Studie präsentiert, die beweisen soll, dass der oben beschriebene Eis-Esser einfach nur patschert ist. Und dass Frauen NICHT die besseren Multitasker sind. Zumindest unter bestimmten Bedingungen.
Zwei Aufgaben gleichzeitig...
Hirsch und ihre Kollegen Iring Koch und Julia Karbach haben 48 Frauen und ebenso viele Männer ins Labor gebeten, um sie mit unterschiedlichen Aufgaben zu betrauen. Am Ende kamen sie zu dem Ergebnis, „dass sich Männer und Frauen in ihren kognitiven Funktionen nicht signifikant unterscheiden“.
Egal ob Mann oder Frau, wer zwei Aufgaben gleichzeitig erledigen muss, arbeitet langsamer und macht darüber hinaus auch Fehler, notiert die Forschergruppe in der Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science mit dem Titel Plos One.
Die Studienautorin zeigt sich im Gespräch mit dem KURIER über dieses Ergebnis nicht überrascht: „Im Alltag ist unsere Wahrnehmung immer ein wenig verzerrt. Wir sehen nur, was wir sehen wollen.“
Sie selbst habe vor dem Laborversuch keine Meinung in die eine oder andere Richtung gehabt: „In der Grundlagenforschung gibt es Studien, die Frauen als bessere Multitasker sehen, und solche, die das Gegenteil behaupten.“
Unter Zeitdruck
Zu früh sollten sich jene, denen die neue Studie gefällt, jedoch nicht freuen.
Patricia Hirsch gibt nämlich auch zu bedenken, dass ihre Probanden an ihren Bildschirmen im Labor nur elementare Aufgaben zu lösen hatten, zum Beispiel das Wiederholen bestimmter Zahlen- und Buchstabenkombinationen unter Zeitdruck.
Nicht untersucht haben die Aachener Psychologen die evolutionsbiologischen Komponenten, also die Frage, ob Frauen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung und der daraus resultierenden Einkommensnachteile gezwungen sind, mehrere Aufgaben in kürzerer Zeit zu erledigen.
Oft zitiertes Beispiel: die alleinerziehende Verkäuferin, die Kindererziehung, Haushalt und Beruf ohne fremde Hilfe erledigen muss.
"Völlig unsinnig"
Diesem modernen Phänomen widerspricht jedoch der an der aktuellen Studie nicht beteiligte Neuropsychologe Lutz Jäncke von der Universität Zürich. Ein solcher Unterschied würde keiner evolutionären Logik folgen, betont Jäncke: „Es macht einfach keinen genetischen, ultimativen Sinn, dass die Homo-Sapiens-Frau vor 150.000 Jahren grundsätzlich besser für Multitasking vorprogrammiert worden sein soll als ein Mann. Das ist völlig unsinnig.“
Wichtig ist dem Zürcher Neuropsychologen auch: „Multitasking ist etwas, das wir Menschen ausgesprochen schlecht können.“
Aus gutem Grund: „Unser Gehirn ist dafür gemacht, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können. Wir müssen irrelevante Informationen unterdrücken, um das relevante Zeug da durch zu lassen.“ Wer kann dieser These mehr abgewinnen, als der junge Mann, der am Ende sein Eis unfallfrei verspeisen konnte?
Sechs Tipps: So gelingt es, ohne Stress mehrere Dinge gleichzeitig zu tun
Andreas Zimber, Psychologe an der Universität Heidelberg, gibt in seinem Ratgeber-Buch Multitasking (Hogrefe Verlag) Tipps für den Alltag:
Erstens: Routinen helfen
Nur solche Aufgaben zeitgleich erledigen, die sich stark vereinfachen lassen. Beispiel: Beim Telefonieren Spam-Mails löschen. Sonst: eines nach dem anderen.
Zweitens: Gute Planung
Aufgaben, die nur ein bis zwei Minuten benötigen, sofort in Angriff nehmen. Andere notieren und für einen späteren Zeitpunkt aufheben.
Drittens: Tätigkeiten bündeln
Alle Mails in einem Zeitfenster abarbeiten. Bei konzentrierter Arbeit den Anrufbeantworter einschalten.
Viertens: Abwechslung belebt
Zwischen den herausfordernden Arbeiten sollten immer wieder anspruchslosere Tätigkeiten eingeschoben werden, etwa Kopieren, Aufräumen oder Abheften. Das führt insgesamt zu einer besseren Leistungsfähigkeit.
Fünftens: Kurze Pausen
Entgegen der verbreiteten Meinung, dass erst drei Wochen Urlaub zu Erholung führen, kann auch schon eine Woche genügen. Besser häufige, kurze Pausen als wenige, lange. Die kurzen Pausen sollten allerdings nicht mit Aktivitäten vollgestopft sein.
Sechstens: Abschalten daheim
Mails und Anrufe, die mit dem Beruf zu tun haben, stören das Privatleben. Sie sollten in der Arbeit bleiben, denn die freie Zeit ist notwendig, um sich zu erholen.
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