
© /Christoph Malin
Letzte Gucklöcher zum Sternenhimmel
Kunstlicht lässt Mond und Sterne verblassen. Nur an wenigen Orten wird es noch richtig Nacht.
Immer schon war die Dunkelheit ein Teil des Lebens. Jetzt hat das Schwarz der Nacht kaum mehr eine Chance, sobald die Sonne untergeht, gehen die Lichter an. Zu viele. Die Kinder der 24-Stunden-Gesellschaft kennen keine Milchstraße mehr. Die orangefarbenen Lichtglocken über den Städten fluten weit hinaus ins Umland und auch in der Landschaft hat beispielsweise die Beleuchtung von Bergstationen die Nacht vertrieben. In den Westalpen trübt die Spiegelung des Lichts aus der Po-Ebene den Blick hinein ins Universum.
"Lichtverschmutzung" nennen Experten dieses Phänomen, das den Sternenhimmel für den Betrachter verblassen lässt. Auf Satellitenbildern der NASA erkennt man die Lichtkonzentration in den Industrieländern und den Megastädten, unter diesen sind Schanghai, Tokyo und Dubai unrühmliche Spitze. Die größte Lichtkonzentration hat Europa aufzuweisen und das nicht nur in den Städten. Ein Quadratkilometer holländischer Tomatengewächshäuser soll nachts über vierzig Mal heller strahlen als eine vergleichbare Fläche in Manhattan und über 200-mal mehr als ein gleich großes Areal im Zentrum von Berlin.
Das Lichtfeuerwerk bewirkt, dass 90 Prozent der früher mit freiem Auge wahrnehmbaren Sterne "verschwinden". Es können auch astronomische Phänomene wie Sternschnuppen und leuchtende Kometen nur noch fernab der Lichtglocken um die Städte beobachtet werden.
Sternlicht-0asen
Punktuell gibt es sie noch, die unberührten Nachtlandschaften. Von der Hohen Dirn aus, in der Nationalpark-Kalkalpen-Region, sind Tausende Sterne sichtbar, die vielen Milliarden Sterne des Milchstraßenbandes erscheinen in einer Helligkeit wie sonst nur in Wüstengegenden oder den Bergen Chiles. Oder wie in Großmugl. Der 1900-Seelen-Ort im Weinviertel beherbergt nicht nur ein 18 Meter hohes Hügelgrab aus der älteren Eisenzeit und das hochgelobte Gasthaus "Schillinger" mit seinem Gulasch und Schweinsbraten, fleischfrei, auf vegane Art. Großmugl gilt auch als eines der wenigen verbliebenen Gucklöcher zum Universum.

Sternhimmeltourismus

Das exzellente Sterngucken ist einer dafür besonders günstigen Topografie zu verdanken, in Form einer Hügelkette, die die Lichtglocke über Wien, das nur 70 km entfernt liegt, komplett abdeckt.
Lichtverschmutzung

- In Österreich benötigt die Beleuchtung 19 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs, in der europäischen Union sind es 16 Prozent.
- Optimierte Beleuchtung (energieeffizienter und geringere Streustrahlung) spart Strom, kostet weniger und ist durch den geringeren Kohlendioxidausstoß klimafreundlicher.
- In Österreich könnten durch effiziente Straßenbeleuchtung 300 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr eingespart werden, das sind ca. 45 Millionen Euro und 58.500 Tonnen.
- Lichterketten, leuchtende Schneemänner, Funkelsterne & Co verbrauchen in den wenigen Wochen vor Weihnachten so viel Strom wie mehr als 10.000 österreichische Haushalte in einem ganzen Jahr.
- Übrigens: Mehr Licht in den Städten trägt nachweislich nicht dazu bei, dass die Kriminalitätsrate sinkt, der Mensch fühlt sich sich jedoch sicherer. Literaturtipp: www.hellenot.org
Jederzeit und überall top-informiert
Uneingeschränkten Zugang zu allen digitalen Inhalten von KURIER sichern: Plus Inhalte, ePaper, Online-Magazine und mehr. Jetzt KURIER Digital-Abo testen.