Letzte Gucklöcher zum Sternenhimmel

Die Lichtglocke über Innsbruck lässt die Sternenpracht nur noch erahnen.
Kunstlicht lässt Mond und Sterne verblassen. Nur an wenigen Orten wird es noch richtig Nacht.

Immer schon war die Dunkelheit ein Teil des Lebens. Jetzt hat das Schwarz der Nacht kaum mehr eine Chance, sobald die Sonne untergeht, gehen die Lichter an. Zu viele. Die Kinder der 24-Stunden-Gesellschaft kennen keine Milchstraße mehr. Die orangefarbenen Lichtglocken über den Städten fluten weit hinaus ins Umland und auch in der Landschaft hat beispielsweise die Beleuchtung von Bergstationen die Nacht vertrieben. In den Westalpen trübt die Spiegelung des Lichts aus der Po-Ebene den Blick hinein ins Universum.

"Lichtverschmutzung" nennen Experten dieses Phänomen, das den Sternenhimmel für den Betrachter verblassen lässt. Auf Satellitenbildern der NASA erkennt man die Lichtkonzentration in den Industrieländern und den Megastädten, unter diesen sind Schanghai, Tokyo und Dubai unrühmliche Spitze. Die größte Lichtkonzentration hat Europa aufzuweisen und das nicht nur in den Städten. Ein Quadratkilometer holländischer Tomatengewächshäuser soll nachts über vierzig Mal heller strahlen als eine vergleichbare Fläche in Manhattan und über 200-mal mehr als ein gleich großes Areal im Zentrum von Berlin.

Das Lichtfeuerwerk bewirkt, dass 90 Prozent der früher mit freiem Auge wahrnehmbaren Sterne "verschwinden". Es können auch astronomische Phänomene wie Sternschnuppen und leuchtende Kometen nur noch fernab der Lichtglocken um die Städte beobachtet werden.

Sternlicht-0asen

Punktuell gibt es sie noch, die unberührten Nachtlandschaften. Von der Hohen Dirn aus, in der Nationalpark-Kalkalpen-Region, sind Tausende Sterne sichtbar, die vielen Milliarden Sterne des Milchstraßenbandes erscheinen in einer Helligkeit wie sonst nur in Wüstengegenden oder den Bergen Chiles. Oder wie in Großmugl. Der 1900-Seelen-Ort im Weinviertel beherbergt nicht nur ein 18 Meter hohes Hügelgrab aus der älteren Eisenzeit und das hochgelobte Gasthaus "Schillinger" mit seinem Gulasch und Schweinsbraten, fleischfrei, auf vegane Art. Großmugl gilt auch als eines der wenigen verbliebenen Gucklöcher zum Universum.

Letzte Gucklöcher zum Sternenhimmel
Günther Wuchterl, der international renommierte Astronom und Leiter der Kuffner Sternwarte in Wien, gerät ins Schwärmen, wenn er von "Großmugl an der Milchstraße" spricht: "Man spürt die Unendlichkeit, man kann richtig ins All hinausreichen, man ertrinkt in lauter Sternen." Gemeinsam mit Bürgermeister Karl Lehner und Karl Schillinger, dem Gastronomen und Hobby-Astronomen vor Ort, will er bewirken, dass das "schwarze Loch" als "Sternlicht Oase" von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wird. Dafür stehen die Sterne, im wahrsten Sinn des Wortes, keineswegs schlecht, 2018 könnte es so weit sein.

Sternhimmeltourismus

Letzte Gucklöcher zum Sternenhimmel
Grüne welt 17.6. lichtpark
Schon jetzt setzt Großmugl mit seinem ausgeschilderten "Sternenweg" auf einen Astrotourismus. Vom "Schillinger" führt ein dunkler Hohlweg hinauf auf die Anhöhe des Leebergs. Oben angekommen, auf der "Glühwürmchenwiese", die mit Liegestühlen bestückt werden soll, kann man das Farben-und Lichtspiel der fortschreitenden Dämmerung genießen. Das "Sternenrast"-Bankerl neben dem Hügelgrab ist dann der ideale Beobachtungsplatz für das Erlebnis des vollen Nachthimmels. Ein 360-Grad-Horizont tut sich vor dem Betrachter auf. Sternbild um Sternbild tritt immer deutlicher hervor. Und endlich hat auch der Superstar des Abends seinen großen Auftritt – das Prachtexemplar einer Milchstraße.

Das exzellente Sterngucken ist einer dafür besonders günstigen Topografie zu verdanken, in Form einer Hügelkette, die die Lichtglocke über Wien, das nur 70 km entfernt liegt, komplett abdeckt.

Lichtverschmutzung

Letzte Gucklöcher zum Sternenhimmel
Grüne welt 17.6. lichtpark
Großmugl hat seine Ortsbeleuchtung mit sternenfreundlichem Dämmerlicht auf den neuesten Stand gebracht, bei der Kirche geht um 22 Uhr das Licht aus und die Bewohner werden im Umgang mit der Helligkeit beraten. Praktische Hinweise bei der Auswahl von Lampen (Streulicht wird knapp gehalten und nur nach unten gerichtet) und von Leuchtmitteln haben die Tiroler Umweltanwaltschaft, die Tiroler Landesmuseen mit Partnern, zum Beispiel der Wiener Umweltanwaltschaft, in einer Broschüre zusammengestellt. Denn das Thema der Lichtverschmutzung wird immer brisanter. Der Lichtsmog wächst jährlich. Das hat nicht nur negative Auswirkungen auf den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen, mit Folgen für die Gesundheit. Auch nachtaktive Tiere und Pflanzen nehmen Schaden, bis hin zum Aussterben von Arten. Längst geht es um viel mehr als die Bewahrung des schönen Kulturerbes des "Sternderlschauens".
  • In Österreich benötigt die Beleuchtung 19 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs, in der europäischen Union sind es 16 Prozent.
  • Optimierte Beleuchtung (energieeffizienter und geringere Streustrahlung) spart Strom, kostet weniger und ist durch den geringeren Kohlendioxidausstoß klimafreundlicher.
  • In Österreich könnten durch effiziente Straßenbeleuchtung 300 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr eingespart werden, das sind ca. 45 Millionen Euro und 58.500 Tonnen.
  • Lichterketten, leuchtende Schneemänner, Funkelsterne & Co verbrauchen in den wenigen Wochen vor Weihnachten so viel Strom wie mehr als 10.000 österreichische Haushalte in einem ganzen Jahr.
  • Übrigens: Mehr Licht in den Städten trägt nachweislich nicht dazu bei, dass die Kriminalitätsrate sinkt, der Mensch fühlt sich sich jedoch sicherer. Literaturtipp: www.hellenot.org

Kommentare