"Abtreibungsgegner bestrafen Frauen"

"Abtreibungsgegner bestrafen Frauen"
Die Britin Laurie Penny spricht über den Angriff auf die Autonomie von Frauen.

Die Britin Laurie Penny gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des modernen Feminismus. Nach mehreren Sachbüchern ist jetzt der Erzählband "Babys machen & andere Storys" exklusiv auf Deutsch erschienen. Die fiktiven Kurzgeschichten handeln von vertauschten Rollenbildern, feministischen Fantasien und gesellschaftlichen Utopien. Ein Gespräch über Abtreibungsgegner, Anfeindungen im Internet und warum das Wort Feminismus noch immer negativ behaftet ist.

KURIER: In "Babys machen" wird in einer gleichnamigen Kurzgeschichte von einer Robotikingenieurin erzählt, die sich ein Baby bastelt. Sehen Sie darin in Zukunft eine Möglichkeit des Kinderkriegens?

Laurie Penny: Das ist eine fiktionale Geschichte, ich schlage nicht wirklich vor, Roboter-Babys zu erschaffen. Die Geschichte handelt von Frauen, die die Kontrolle über ihre Fortpflanzungsmöglichkeiten selbst in die Hand nehmen und wie bedrohlich das auf Männer wirken kann. Es geht darum, wie Männer in Beziehungen mit selbstbestimmen Frauen klarkommen. Frauen, die Entscheidungen treffen und die Männer in diese nicht immer involvieren.

"Abtreibungsgegner bestrafen Frauen"

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung haben Sie gesagt, dass es an der Zeit für technische Alternativen zur Schwangerschaft sei…

Im Moment haben wir diese technischen Möglichkeiten noch nicht, aber es braucht dringend eine feministische Diskussion über Biotechnologie. Es ist interessant, dass sich Menschen bedroht fühlen von der Idee, ein Baby könnte im Labor oder einer künstlichen Gebärmutter entstehen, und wütend darüber sind.

Könnten Sie sich vorstellen, sich selbst auf diese Art zu reproduzieren?

Wenn es eine technische Alternative zur Schwangerschaft gäbe, würde ich sie wählen. Dadurch könnte sogar ich der Idee, selbst ein Baby zu bekommen, etwas abgewinnen. Ich möchte mir die körperliche Arbeit einer Schwangerschaft einfach nicht antun.

Abseits dieser progressiven Ideen werden derzeit aber in den USA zahlreiche Abtreibungskliniken geschlossen und Trump provoziert mit der Kritik an Schwangerschaftsabbrüchen im US-Wahlkampf. Bewegt sich die Gesellschaft auf diesem Gebiet einen Schritt zurück?

Es ist ein riesiger Schritt zurück. Der Angriff auf die Abtreibungsrechte von Frauen ist ein Angriff auf ihre Autonomie. Abtreibungen sollten kostenlos und auf Abruf für Frauen verfügbar sein; ohne, dass sie sich für diese Entscheidung rechtfertigen müssen. Der Angriff auf diese Rechte findet derzeit aber nicht nur in den USA statt, sondern beispielsweise auch in Spanien, Polen und Irland.

Abtreibungsgegner argumentieren zum Beispiel, dass man Frauen vor dem Trauma eines Schwangerschaftsabbruchs schützen muss. Wie sehen Sie das?

Interessanterweise haben viele Staaten eine Ausnahmeregelung für Vergewaltigungs- oder Inzestfälle. Wenn man wirklich glaubt, dass Abtreibung Mord ist, warum ist das plötzlich nicht mehr der Fall, wenn die Frau dem Geschlechtsverkehr nicht zugestimmt hat. Das zeigt, dass es darum geht, Frauen dafür zu bestrafen, wenn sie einvernehmlichen Sex haben.

In den Medien werden sie oft als wütende junge Frau beschrieben. Können Sie sich damit identifizieren?

Die Grenze, ab wann man als wütend oder verrückt gilt, ist bei Frauen viel niedriger angesetzt als bei Männern. Ich selbst identifiziere mich als genderqueere Person und bin privat eher schüchtern. Aber ja, ich habe viel Wut in mir. Die kann ich auch offen zeigen, weil ich weiß und winzig bin. Wenn ich mich aufrege, finden das die Leute oft eher süß als bedrohlich.

Mitglieder weniger privilegierter Gruppierungen, wie zum Beispiel die Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kommen, müssen viel vorsichtiger damit sein, wie sie etwas sagen und wie sie auftreten. Das ist auch ein Weg, Menschen klein zu halten.

Sie haben auf Twitter beinahe 130.000 Follower und werden dort und in anderen sozialen Medien scharf für ihre Positionen angegangen. Wie schaffen Sie es, das nicht zu nahe an sich ranzulassen?

Mittlerweile gibt es so viele Menschen, die alles attackieren, was ich sage. Es ist egal, wie nett ich etwas formuliere, es hat keinerlei Auswirkungen auf den Hass, der mir entgegenschlagen wird. Ich könnte schreiben, dass sich manche Männer besser benehmen sollten, oder dass alle Männer sterben sollten. Für beide Aussagen würde ich von tausenden Menschen attackiert werden. Das ist für mich sehr hart, aber ich fühle eine gewisse Verantwortung mit dem, was ich tue, weiterzumachen. Sonst würden das meine Kritiker als Sieg sehen und das wäre eine falsche Botschaft an viele Menschen, für die ich schreibe.

Die Angriffe auf meine Person sind einer der Gründe, warum jetzt das Fiction-Buch "Babys machen" rausgekommen ist. Ich habe mir ein Jahr Auszeit davon genommen, über politische Dinge zu schreiben. Es war mein Versuch, etwas zurückzutreten.

Nicht nur Sie, auch viele andere Frauen müssen Erfahrungen mit Anfeindungen im Internet machen. Wie können sie sich dagegen wehren und sich mehr Sichtbarkeit im Internet verschaffen?

Diesen Menschen geht es nicht nur darum, Frauen zu bestrafen, die bereits im Internet unterwegs sind, sondern auch andere davor warnen, ihre Meinung kund zu tun. Das Signal, das sie aussenden, lautet: 'Es ist zu gefährlich für dich'. Was man dagegen machen kann, ist lauter zu werden und sich gegenseitig zu unterstützen.

Genau dieser Mechanismus zeigte sich vergangene Woche, als Frauen aus Österreich und Deutschland ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung im Zug unter dem Hashtag #ImZugPassiert getwittert haben. Viele Männer haben die Vorfälle beschwichtigt.

Die Diskussion über öffentliche Verkehrsmittel und das Internet ist im Prinzip die gleiche. Durch die Belästigung wird Frauen signalisiert, dass sie im öffentlichen Raum nicht willkommen sind. Egal, ob im Internet oder einem Zugwaggon, wird ihnen dadurch gezeigt, dass sie kein Recht auf diesen Platz haben und wenn sie sich dagegen wehren, werden sie bestraft. Männer können solche Einstellungen aber nur entwickeln, wenn es ihrer Wahrnehmung nach keine Konsequenzen für ihr Handeln gibt.

Ein Streitpunkt in der Debatte war, dass viele Formen der Belästigung als solche nicht strafrechtlich relevant sind, aber Frauen dennoch in äußert unangenehme Situationen bringen.

Viele Aggressionen, die Frauen erleben, sind nicht illegal, weil wir teilweise keine gesetzlichen Bestimmungen für Erfahrungen dieser Art haben. Ich sage nicht, dass wir diese haben sollten. Ich finde es eher traurig, wenn es Regelungen braucht, damit sich Menschen gegenüber einander anständig benehmen.

Am 24. April wird in Österreich ein neuer Bundespräsident gewählt. Im Vorfeld wurden einige der Kandidaten im Rahmen einer "Ö1-Veranstaltung" gefragt, ob sie Feministen seien. Bis auf eine Person gab niemand eine klare Antwort. Warum ist die Angst vor dem Wort Feminismus noch immer so groß?

Weil Feminismus eine unheimliche Idee ist. Vor allem für Frauen ist es eine gefährliche Sache, zu signalisieren, dass man auf der Seite der Frauen steht, noch bevor man auf der Seite der Männer ist. Unsere Gesellschaft trainiert uns daraufhin, zu glauben, dass es das wichtigste ist, Männer dazu zu bringen, einen zu mögen und Männer als Gruppe nicht zu verärgern.

Darum scheuen Menschen vor dem Wort Feminismus zurück und es ist auch der Grund, warum das Politiker und vor allem Politikerinnen tun. Wenn man offen die Rechte von Frauen unterstützt, ist man unbeliebt. Und wir haben gelernt, große Angst davor zu haben, unbeliebt zu sein.

Zur Person:

Laurie Penny wurde 1986 in London geboren. Zuletzt veröffentlichte sie "Fleischmarkt. Weibliche Körper im Kapitalismus" (2012) und "Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution" (2015).

>> Blog von Laurie Penny

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