Wenn Kinder über ihre Schicksale berichten

Kyle Schwartz will wissen, was ihre Schüler bewegt.
Eine Lehrerin aus Denver bittet ihre Schüler zu verraten, was sie ihr schon immer mal anvertrauen wollten – und gewinnt so Einblicke in die Schicksale der Kinder.

Jedes Jahr stellt Kyle Schwartz ihren Schülerinnen und Schülern an der Doull Elementary School in der US-Stadt Denver eine simple Aufgabe: Auf einem Zettel sollen die Kinder den Satz "Ich wünschte, meine Lehrerin wüsste..." in ihren eigenen Worten vollenden. Die Kinder können dabei entweder anonym bleiben, oder ihren Namen dazu schreiben. Seit die Grundschullehrerin im vergangenen Jahr begann, die Nachrichten zu veröffentlichen, rühren die Botschaften die ganze Welt zu Tränen.

#IWishMyTeacherKnew

Unter dem Hashtag #IWishMyTeacherKnew teilt Schwartz die Briefe unter anderem auf Twitter im Netz. "Ich wünschte meine Lehrerin wüsste, wie sehr ich meinen Vater vermisse, weil er nach Mexiko abgeschoben wurde, als ich drei Jahre alt war und ich ihn seit sechs Jahren nicht mehr gesehen habe", steht auf einem der Zettel geschrieben. "Ich wünschte meine Lehrerin wüsste, dass ich keinen Freund habe, der mit mir spielt", offenbart ein anderer.

Auch Botschaften über sehnlichste Zukunftshoffnungen ("Ich möchte aufs College gehen"), traurige Familienschicksale ("Mein Vater hat zwei Jobs und ich sehe ihn nicht viel") und teilweise prekären Lebensbedingungen der Kinder ("Ich habe keine Stifte daheim, mit denen ich meine Hausübung machen kann") finden sich unter den Briefen.

Buchveröffentlichung nach viralem Hit

Laut New York Times wollte Schwartz, die seit fünf Jahren als Lehrerin arbeitet, ihre Schüler durch das Projekt besser kennenlernen. Sie wollte wissen, wie das Leben der Kinder abseits des Klassenzimmers aussieht, um ihnen im Klassenzimmer die bestmögliche Unterstützung zu geben. Vor etwa einem Jahr begann Schwartz die Antworten ihrer Kinder im Netz zu teilen. Der Hashtag #IWishMyTeacherKnew wurde schnell zum viralen Phänomen.

Mittlerweile haben auch viele andere Lehrer die Praktik in ihren Unterricht aufgenommen und teilen ihre eigenen Briefe im Internet. Kürzlich veröffentlichte die US-Amerikanerin sogar ein Buch ("I Wish My Teacher Knew: How One Question Can Change Everything For Our Kids"), in dem sie die Bindung zwischen Lehrern und Familien thematisiert. "Ich wünsche mir wirklich, dass Familien verstehen, wie stark Lehrer versuchen einen Gemeinschaftssinn und eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen", so Schwartz gegenüber der New York Times. "Kinder lernen nichts, wenn sie sich nicht sicher und wertgeschätzt fühlen."

Unter den handgeschriebenen Briefen finden sich übrigens nicht nur traurige Geschichten. So schreibt ein Schüler: "Ich wünschte, meine Lehrerin wüsste, wie sehr ich meine Familie liebe".

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