Krieg & Frieden: Der anstrengendste Höhenweg für Wanderer
Die Faszination eines Höhenweges ist leicht erklärt: Immer oben. Das tut der Seele gut, weil Fernblick besser ist als Talsohle. Und dem Körper, auf dem Grat entlangwandern besser als hinauf und hinunter. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass Höhenwege zum großen Boom werden. Nun ist die Zeit gekommen.
Und sie zeigt allen die Herausforderungen solcher Wege auf. Auf dem Berg ist gar nichts einfach, daher auch das Höhenwegegehen nicht. Selbst oben geht es rauf und runter, man nennt das „versteckte Höhenmeter“ und Kammwege haben logischerweise ausgesetzte Passagen und steile Abhänge. Tourismusverbände vergessen beim Werbetrommeln gelegentlich darauf hinzuweisen, dass eine Achtstundenetappe mit ausgesetzten Stellen eben doch nichts für Wandernovizen ist oder zumindest Respekt erfordert. Auch brauchen solche Hoch-Weitwege eine Infrastruktur, was Busverbindungen zwischen Start und Ziel betrifft oder genug Schlafplätze auf den Hütten – besonders wenn der Geheimtipp plötzlich boomt.
Ein neuer Star
Aber Höhenwege sind eben umwerfend lohnend. Neben den Klassikern wie dem Adlerweg haben sich einige neue oder bislang mäßig bekannte zu Rennern entwickelt (siehe unten). Das gilt besonders für den Karnischen Höhenweg: Der heute „Friedensweg“ genannte Grenzkamm zwischen Italien und Österreich war bis vor 100 Jahren im Ersten Weltkrieg eine der grausamsten und sinnlosesten Kriegsfronten. Daran erinnern alte Stellungen und Bunker, rostiger Stacheldraht und Gedenkstätten.
An sich ist „der Karnische“ auch wirklich der perfekte Höhenweg: Zwischen 1400 und knapp 2700 Meter am Grat ohne Talabstiege, weite Blicke in die Dolomiten einer- und bis zum Großglockner andererseits, 155 höchst abwechslungsreiche Kilometer, die man in zumindest acht Etappen und zwei Abschnitte teilen muss: der hochalpine, schroffe und anspruchsvolle Teil zwischen Sillian und dem Plöckenpass; der genussvolle, almendominierte, liebliche Abschnitt von Plöckenpass bis zum Nassfeld, oder sogar bis Arnoldstein. Auch deswegen perfekter Höhenweg, weil der Karnische im ersten Teil all die Probleme zeigt. War er früher eher Alpinisten bekannt, strömen zunehmend Wanderer auf den Weg und stehen dann an Passagen wie der Pfannspitze, mit 2678 Meter der höchste Punkt. Für Bergsteiger nicht einmal der Rede wert, für den Wanderer mit seinem voluminösen Rucksack und seinen Wanderstecken ein schmaler Felspfad nebst 400 Meter Abgrund. Die vielen anderen wunderbaren Gipfel des Höhenweges kann man optional besteigen, über die Pfannspitze muss man drüber – der Ausweichweg wird von den Hüttenwirten nicht empfohlen.
Königsetappe
Das wirkliche Kriterium ist die Etappe zwischen Porzehütte und Hochweißsteinhaus: Acht Stunden muss man rechnen, es können auch zehn oder zwölf sein. Gesamt gut 1700 Höhenmeter Aufstieg, bei Wetterumschwung sofort Planänderung, und unbedingte Trittsicherheit. Das muss einem klar sein.
Die Hüttenwirte sind noch immer verblüfft, wenn man sie auf das Niveau des Weges anspricht. Sie denken wie Bergsteiger, sie sind Bergsteiger, verstehen nur zögerlich, wie es in den vergangenen Jahren zu tödlichen Abstürzen auf dem Weg kommen konnte. Und gestehen schlussendlich doch ein, dass der Weg kein Spaziergang ist.
Sondern für den Wanderer die Möglichkeit, neben den Landesgrenzen auch die eigenen zu erforschen. Etwa zwischen der tollen Wolayerseehütte mit ihrem allwissenden Wirten und dem Plöckenpass: Der „Sentiero Spinotti“ ist ein Steig – für Kletterer eine Fingerübung, für Wanderer ein einschätzbares Abenteuer. Nach der großen Einstiegs-Überwindung mit Leiter und Absturzpanik keine böse Überraschung mehr. Wer sich anfangs drübertraut, ist sicher.
Nach dem Plöckenpass entwickelt der kärntnerische Teil des Karnischen Höhenwegs seine liebliche Entfaltung. Almen, aber lange Gehzeiten, wesentlich tiefer gelegen und schön. Viele beenden den Weg beim Nassfeld, wo sich Wellnesshotels als Selbstbelohnung anbieten. Nur wenige gehen noch weiter, bis sie bei Arnoldstein den Karnischen Kamm wirklich bis zum Ende gegangen sind.
Wenn man sich der vollen Hütten – es gibt fast immer nur eine Übernachtungsmöglichkeit pro Etappe – in der Hauptsaison und der anspruchsvollen Umstände bewusst ist, ist der Karnische Höhenweg wirklich perfekt. Denn mehr oben kann man fast nicht sein. Dem Frieden ganz, ganz nah.
Info und Hinweise: Der Karnische Höhenweg ist nicht vor Mitte Juni komplett begehbar, man kann aber zu jeder Etappe aus dem Tal zusteigen – wenn auch manchmal zeitaufwendig. Die Hütten am Weg öffnen dementsprechend erst Mitte bis Ende Juni, dazu unbedingt Infos einholen. Achtung, die Sillianerhütte ist diesen Sommer wegen Umbau geschlossen, was die erste Etappe sehr lang macht oder erst den Einstieg ab der zweiten Etappe (ab Obstansersee-Hütte) überlegenswert macht (obwohl man dann den Soldatenfriedhof verpasst).
Der Weg braucht ausführliche Planung, Strecken, Routen, Klettersteige (wenn gewünscht), Umgehungen und Organisation sollte man genau nehmen. Gute Hilfe dabei sind die Tourismusverbände auf der Strecke, z.B. Nassfeld/Lesachtal (www.nlw.at) oder Osttriol-Tourismus (www.osttirol.com). Einige Infoseiten geben Überblick, etwa www.karnischer-hoehenweg.com oder www.karnischer-hoehenweg.at. Wichtig: Gute Ausrüstung, Wasser und Verpflegung für lange Etappen, bei Schlechtwetter Pläne adaptieren (Blitzschlag auf dem Kamm!), ausgebuchte Hütten im Sommer bedenken.
Tipp: Andere besondere Höhenwege
Karwendel-Höhenweg - um die Stadt und doch in der Höh’: Ganz neu sind die Weitwanderwege „Innsbruck Trek“ und „Karwendel Höhenweg“. Besonders den zweiten werden ambitionierte Wanderer mit guter Kondition mögen: 63 Kilometer und 3400 Höhenmeter im Aufstieg, verteilt auf sechs Tagesetappen, tolle Blicke auf Innsbruck und die umliegenden Täler. Die Etappen sind sehr abwechslungsreich, Almwiesen werden ebenso durchwandert wie schroffe Felswände. Gemsensichtungen sind fast sicher, auch Steinbock und Adler tauchen oft auf.
Start: Seefeld in Tirol oder Scharnitz; Gebiet: Karwendelgebirge, Tirol; Beste Zeit: Juni bis September; Info: www.karwendel-hoehenweg.at
Schladminger Tauern-Höhenweg - Mondlandschaft als Herzstück: Der Weg ist stark im Kommen, auch weil jede Etappe relativ einfache Zu- und Abstiege hat. Wie viele es sind, ist variabel, im Original führt die Route über acht Tage bis in den Naturpark Sölktäler. Da die letzten Stücke aber infrastrukturell schwierig sind (Betten, Busverbindungen), bewegen sich viele nur rund um Schladming – in fünf Etappen. Auch da gibt es mehrere Varianten, bei allen ist aber der Klafferkessel das Herzstück: Hoch-Bergseen mit unglaublichem Panorama. Der Hochgolling, höchster Berg der Niederen Tauern, liegt auch am Weg.
Start: Preuneggtal/Schladming/Sölktäler Gebiet: Schladminger Tauern, Steiermark; Beste Zeit: Mitte Juni bis September; Info: www.schladming-dachstein.at
Gosaukamm-Umrundung - Der Höhenweg für Einsteiger: Schon der Einstieg zeigt, dass die Runde um den Gosaukamm gut für Höhenweg-Novizen ist: Die nur zweitägige Runde kann man aus dem Ort Gosau, beim Gosausee (400 Meter höher) oder per Gondel schon auf 1600 Meter beginnen. Dennoch hat es der Weg in sich, sowohl was die Wege (teilweise steil, manchmal nur Pfade), als auch die Ausblicke betrifft – von Dachstein und bis Großglockner. Entlang der beiden Etappen liegen sechs Hütten und die Überquerung des Steiglpasses auf knapp 2000 Meter. Liebliche Natur und karge Felsen wechseln sich ab.
Start: Gosau/Gosausee/Gablonzerhütte; Gebiet: Dachsteingebirge, OÖ/Salzburg; Beste Zeit: Anfang Juni bis Ende September; Info: www.salzkammergut.at
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