Reden mit Gänsehaut-Faktor

Mohammad Mustafa Azizi, B/OR/R/G Schärding, OÖ, Dari (afghanische Version von Farsi/Persisch)
Letzte Regionalrunde vor den Weihnachtsferien: 30 jeweils zweisprachige Reden, manche verursachten Gänsehaut

Bei ihrer Rede habe sie Gänsehaut bekommen, machte die junge Moderatorin Elnara Zülfüqarova der zweiten Rednerin wenige Tage vor Weihnachten im Festsaal des GRG7, Kandlgasse (Wien-Neubau) ein großes Kompliment. Und nicht nur der eloquenten Moderatorin, im vorigen Schuljahr selbst noch Teilnehmerin des mehrsprachigen Redebewerbs „SAG’S MULTI!“, erging es so. Auch im Publikum stellten sich bei so manchen die Härchen auf den Unterarmen auf.

Reden mit Gänsehaut-Faktor
Arezu Bakhtiari, BHAK Krems, NÖ, Farsi (Persisch)
Arezu Bakhtiari hatte ihre Rede auf Malala Yousafzais berühmtem Spruch „ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern“ aufgebaut und den Bezug zu ihrem eigenen Leben hergestellt. Sie können in der HAK Krems lernen, seit sie in Österreich ist, die Schule besuchen. Wäre sie heute noch in Afghanistan hätte sie wahrscheinlich keine oder nur kaum Bildung erleben dürfen. Wo die Taliban herrschen als Mädchen sowieso nicht. Aber auch in anderen Gegenden des Landes kommen Mädchen nur selten in den Genuss von Schule und Bildung. Und sei es nur, weil Eltern es für zu gefährlich halten, dass ihre Töchter einen stundenlangen Schulweg in Kauf nehmen, bei dem sie allen möglichen Gefahren ausgesetzt wären.

Schon Übersetzer

Nur ein Jahr habe es seine Familie in Afghanistan ausgehalten, schilderte Mohammad Mustafa Azizi, Gymnasiast im oberösterreichischen Schärding. Seine Eltern hatten vor den Taliban flüchten müssen – und suchten sich Russland, weil sie in Moskau studiert hatten. Dort wuchs der nunmehr 19-Jährige auf. Vor wenigen Jahren meinten die Eltern, es könnte die Zeit gekommen sein, zurück nach Kabul, der Hauptstadt Afghanistans zu übersiedeln. „In der Schule haben sie nur „Russe“ zu mir gesagt“, erzählt der Jugendliche dem Kinder-KURIER. „Überall nur ausgegrenzt, es war klar, wir mussten wieder weg.“ Russland war auch keine Option mehr und so hieß das Ziel Mitteleuropa. Zufällig landeten Mohammad Mustafa Azizi und seine Mutter nach einer Woche in Traiskirchen zunächst in Tirol und dann in Schärding. „Das war ein Glück“ berichtet er in seiner Rede. Er fand Aufnahme im Gymnasium, Lehrkräfte, die ihn unterstützten „und ich hab viel mit Büchern Deutsch gelernt“, so viel und so gut, dass sowohl er als auch seine Mutter zwischen Flüchtlingen und Polizei, dem Roten Kreuz und der Caritas immer wieder übersetz(t)en und dass er ins Start-Stipendien-Programm aufgenommen wurde. Sein Vater allerdings ist auf der Flucht aus Afghanistan in Griechenland hängen geblieben – „genau an dem Tag, als die Grenzen geschlossen wurden, das war im März“.

Bildung ist, so der Redner, die einzige große Lösung für alles. „Erst wenn der letzte Taliban erkennt, dass er seine Interessen nur erfolgreich vertreten kann, wenn er mit seinem gebildeten Gegenüber mithalten kann, wird er darauf achten, dass seine Kinder über die nötige Ausbildung verfügen können, damit sie niemals das Gefühl der Einflusslosigkeit erleben und erleiden müssen.“

Souveräner Moderator lief bei seiner ersten Rede davon

Auf die Bühne zu gehen, sich hinter Pult und Mikrophon zu stellen und die eine Rede – noch dazu in Deutsch und einer anderen, meist Erst-, manchmal auch erlernten Sprache – zu halten, ist nicht gerade die leichteste Sache der Welt. Immer wieder sprachen Redner_innen beim diesjährigen Unterthema „zwischen Angst und Mut“ dieses Lampenfieber an. Niemand hätte auch dem Moderator des Nachmittags, Richie Kuong, der souverän wie seine Kollegin am Vormittag durchs Programm geleitete, ein solches Gefühl zugetraut bis ... Bis er in einer seiner Überleitungen gestand: Bei seinem ersten Antreten bei „SAG’S MULTI!“ vor etlichen Jahren habe er bei der Vorausscheidung in seiner Schule mitten in der Rede aufgehört und sei davon gelaufen.

Reden mit Gänsehaut-Faktor
Mittlerweile moderiert er seit Jahren TV-Sendungen. Wie er das geschafft habe, wollte der KiKu von Richie wissen. Das Reden vor der Kamera, wo bei Versprechern mehrmaliges Wiederholen möglich sei, habe ihm geholfen, verriet er. Außerdem sind bei der Aufnahme nicht so viele Leute wie bei der Rede vor einem ganzen Festsaal. Je öfter das geklappt habe, desto leichter wurde das Reden – auch vor Publikum.

Nun aber zu den Regionalrunden-Redner_innen vom 20. Dezember in der Wiener Kandlgasse, die selbst die einzige Teilnehmerin aus Wien an diesem Tag stellte. Die anderen 29 kamen aus Schulen aus Nieder- und Oberösterreich sowie der Steiermark und Kärnten.

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