Georg Fraberger: "In der Liebe sind alle Gefühle erlaubt"

Georg Fraberger: "In der Liebe sind alle Gefühle erlaubt"
Der von Geburt an schwer behinderte Psychologe Georg Fraberger schreibt über Beziehungsglück.

Das Wunder Liebe: Danach suchen die Menschen. Auch Georg Fraberger hat es gesucht. Er wurde ohne Arme und Beine geboren, es war nicht klar, wie sein Leben verlaufen würde. Heute ist er Buchautor und Psychologe am Wiener AKH, seit zehn Jahren glücklich verheiratet und Vater von fünf Kindern. Fraberger ist überzeugt, dass die Macht der Liebe die Wahrheit verändern kann, indem sie etwa den Wert einer Person beeinflusst. In seinem neuen Buch denkt er darüber nach, wie man „erfolgreich liebt“. Dem KURIER erzählt er offen von privaten Erfahrungen mit der Liebe.

KURIER: Sie glauben an die Liebe, woher dieses Vertrauen?

Georg Fraberger: Liebe ist etwas, das jeder Mensch in sich trägt. Wenn er sie nicht bekommt, wird er psychisch krank. Das Problem der Liebe beginnt in der Kindheit und ist am einfachsten zu beschreiben, indem man sich an die Geschichte von Dumbo erinnert. Da sieht ein Mann den kleinen Elefanten und sagt: „Um Gottes willen, du bist so hässlich, dieses Gesicht kann nur eine Mutter mögen.“ Dieser Satz beschreibt das Drama. Man versucht von Anfang an, jemanden zu finden, der das „Gesicht“, das man hat, mag und akzeptiert, wie man ist.

Es geht also um Anerkennung.

Ja. Für diese Anerkennung, für diese Art von Liebe machen wir alles als Kind. Später kriegen wir diese Anerkennung dann durch Geld oder Lob oder was auch immer.

Fast jede zweite Ehe wird im städtischen Bereich geschieden. Ist die Liebe kompliziert?

Wesentlich ist, dass viele Menschen die Liebe nur mit Freude verbinden und einem angenehmen Gefühl. Sie beinhaltet aber alle Gefühle. Nicht nur schöne. Wir denken, wenn etwas nicht so harmonisch läuft, kann es keine Liebe sein und man läuft weg, in der Liebe sind aber alle Gefühle erlaubt. Ich liebe meine Frau auch, wenn ich mit ihr streite. Nur, weil man Konflikte erlebt, muss man die Liebe nicht gleich komplett in Frage stellen. Gefährlich ist Gleichgültigkeit.

Haben Sie den Eindruck, dass es heute schwieriger ist, einen Partner zu finden? Weil die Wahlmöglichkeiten größer denn je sind und die Ansprüche immer höher werden?.

Es ist nicht schwieriger, sondern sogar leichter. Aber wir teilen Gefühle ein, in erwünscht und unerwünscht. Alle Gefühle sind gleich viel wert. Freude genauso wie Schuld oder Wut. Jedes Gefühl hat eine Aufgabe.

Wenn wir uns nach der Liebe sehnen, dann sagen viele: Ich will nur dieses eine gute, tolle Gefühl. Und weil wir mit Tinder oder ähnlichem so viel mehr Menschen kennenlernen können, sind wir nicht mehr bereit, andere, unangenehme Gefühle zuzulassen. Dann sucht man sich jemanden anderen. Wir sind nicht mehr kompromissbereit, sondern viel ichbezogener. Ein Wir würde aber bedeuten, sich mit allen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Sie schreiben von „erfolgreich lieben“: Gibt es ein Pauschalrezept für die Liebe?

Die Liebe ist etwas Wunderbares. Wenn sich eine Frau in mich verliebt, hat sie eine Schwäche für mich, muss aber erklären, warum sie einen Behinderten liebt. „Erfolgreich“ lieben bedeutet für mich, zu schaffen, dass aus dieser Schwäche eine Stärke wird. Dass man sich traut, zu dem zu stehen. Zu sagen, das bin ich und ich mag den und das ist richtig.

Wann fühlten Sie, es ist Liebe?

Als ich meine jetzige Frau kennengelernt habe, war nach dem ersten Wochenende klar, sie zieht bei mir ein. Ich habe dann nur gesagt: Du heiratest mich eh? Sechs Monate später waren wir verheiratet. Man spürt das. Wir sind zehn Jahre zusammen, es kommt mir vor wie ein Jahr.

Heißt das, Sie haben immer noch eine rosarote Brille auf?

Ehrlich: Manchmal erschrecke ich fast, wenn sie reinkommt, weil ich sie immer noch so schön finde.

Hatten Sie nie Selbstzweifel oder Angst, die Liebe zu finden? Gab es in Ihrem Leben so eine Phase?

Oh ja, die hat es schon gegeben. Die Sorge, keiner liebt mich oder keiner mag mich, nicht einmal die mag mich oder bleibt bei mir, hatte ich natürlich.

Wie wichtig ist Monogamie?

Ich bin sehr für die Monogamie, aber nicht für dauerndes Zusammensein.

Sind Sie manchmal eifersüchtig, unsicher?

Es gab immer wieder Phasen, in denen ich eifersüchtig war. Weil ich auch mit mir kämpfe, und manchmal denke, ein anderer würde besser zu meiner Frau passen. Ich bin freiheitsliebend, meine Frau ist es auch. Als Rollstuhlfahrer bin ich zum Beispiel alles andere als ein Bergmensch, meine Frau liebt den Berg. Ich finde dann schon super, dass sie ihre Sache macht und ich meine. Aber ich hatte früher schon Zweifel, ob das wirklich passt.

Was raten Sie Paaren, damit die Liebe bleibt?

Es sind simple Tipps: Mindestens einmal in der Woche zwei, drei Stunden als Paar verbringen. Mindestens einmal pro Woche Sex haben und eine Gemeinsamkeit, die stark verbindet.

Welche Gemeinsamkeit teilen Sie mit Ihrer Frau?

Es ist die Musik. Klassische Musik. Und noch ein Rat ist wichtig: Man muss streiten können. Sagen wir so: Man sollte nie müde werden, um seine Bedürfnisse zu streiten und zu kämpfen.

Zur Person: Georg Fraberger wurde 1973 in Wien geboren, von Geburt an ist er körperlich schwer behindert, lebt ohne Arme und Beine. Heute arbeitet er als Psychologe, ist Keynote-Speaker und Autor. Georg Fraberger ist in zweiter Ehe glücklich verheiratet und Vater von fünf Kindern.    

Bestseller: Nach „Ohne Leib, mit Seele“, „Ein ziemlich gutes Leben“ oder „Wie werde ich Ich“ erschien nun „Erfolgreich lieben“ im  Residenz Verlag,  22 €

Kommentare