Im Urlaub verliebt: Fünf Menschen über ihre Sommerflirts
Isabella: Zwischen zwei Freunden
Lockige schwarze Haare, meerblaue Augen und weiße Zähne – schon die erste Begegnung mit Ben verwandelte meine Knie in Wackelpudding. Ich, die Austausschülerin aus Europa – er der schöne Beach-Boy in San Diego. Wir belegten den gleichen Kunst-Kurs und es hätte nicht besser laufen können: Mein Austausch-Betreuer, Dave, war sein bester Freund.
Es dauerte nicht lange, bis unser Trio nicht nur die Unterrichtsstunden zusammen verbrachte, sondern auch die Freizeit. Dave war der Typ „bester Freund“ – zum Leid meiner Gastfamilie besetzten wir stundenlang das Telefon (als es noch kein Handy gab). Manchmal holte er mich in der Früh von zu Hause ab und wir spazierten zusammen zur Schule. Er spürte, dass es zwischen Ben und mir knisterte und achtete penibel darauf, uns keine Gelegenheit zu geben.
Umso mehr nutzten wir die erste Möglichkeit, als Dave familiär eingespannt war, und fuhren zum Strand. Im Bus teilte er die Ohrstöpsel seines Discmans mit mir und ich hörte zum ersten Mal „Stairway to Heaven“. Als es am Heimweg zu tröpfeln begann, liefen wir Hand in Hand durch den Regen, und bald fanden sich auch unsere Lippen.
Dave war rasend vor Eifersucht, doch was hätte er tun sollen – sich zwischen seinen besten Freund und seine neue beste Freundin stellen? Wir verbrachten noch ein paar wunderbare Wochen – zu dritt, aber auch zu zweit. Als ich wieder nach Hause flog, wussten wir, dass es ein Abschied für immer ist. Wir haben einander nicht einmal geschrieben. Mit Dave bin ich bis heute befreundet.
Cornelia: Von der Insel in die gemeinsame Zukunft
Alles begann im August 1984: Ich war 28 Jahre alt und fuhr mit meiner besten Freundin auf die griechische Insel Korfu. Die letzten zwei Tage unseres Urlaubs verbrachten wir in Kassiopi im Norden der Insel. Nach dem Sonnenbaden gingen wir noch einen Kaffee trinken, wobei wir an der Bar mit zwei Griechen in sportlicher Tennisbekleidung ins Gespräch kamen. Wir verabredeten uns für den Abend in einer Disco.
Mit Billy, wie Vassily von seinen Freunden genannt wurde, verstand ich mich von Anfang an super. Also beschlossen wir, uns am nächsten Tag am Strand wieder zu treffen. Wir fuhren mit dem Boot, waren schwimmen und sonnten uns am Strand. Die Zeit verging wie im Flug und wir lernten einander besser kennen. Vor der Abreise tauschten Vassily und ich Adressen aus und versprachen, in Kontakt zu bleiben. Meine Freundin meinte damals schon, dass es zwischen uns „gefunkt“ habe. Ich war mir nicht so sicher, ob wir wirklich den Kontakt halten würden, obwohl ich Interesse an dem abenteuerlichen Griechen gefunden hatte.
Von da an schrieben wir einander regelmäßig Briefe. Kurz darauf kündigte Vassily seinen Besuch in Linz an, weil er Österreich gerne kennenlernen wollte. Er blieb für zwei Wochen und wir wurden ein Liebespaar. Zu Weihnachten besuchte ich ihn in seiner Wohnung in Athen und feierte mit seiner Familie und seinen Freunden Silvester. Dann kam der Umbruch: Vassliy ging nach Saudi Arabien, um als Bauingenieur zu arbeiten. Wir versprachen, einander zu schreiben. Trotz der großen Entfernung intensivierte sich unsere Beziehung. Wir trafen einander in Abständen von drei bis sechs Monaten in Griechenland oder Österreich.
Im Mai 1986, zwei Jahre nach unserem ersten Zusammentreffen, heirateten wir. Den Sommer verbrachte ich zum ersten Mal als verheiratete Frau im Camp in Somalia, seiner neuen Arbeitsstelle. Im Herbst folgte ich Vassily nach Riyad in Saudi Arabien. Die Entscheidung, mit ihm ins Ausland zu gehen, fiel mir nicht schwer, da ich Abwechslung und Abenteuer suchte und ein gemeinsames Kind wollte. Im August 1989 kam unsere Tochter Marlene zur Welt. Wir verbrachten als junge Familie insgesamt drei Jahre in Griechenland, bevor wir nach Linz übersiedelten. Wenn ich heute an den Sommer unseres Kennenlernens zurückdenke, kommt es mir wie gestern vor – obwohl seither fast 34 Jahre vergangen sind.
Christoph: Lächeln vom Nebenboot
Ich war 19 Jahre, der Segeltrip in der Türkei kam gerade richtig: mit einem Freund und 18 Fremden eine Woche lang der Küstenlinie, aber keinen Konventionen folgen, und möglichst mit irgendeinem hübschen Mädchen aus irgendeiner fremden, fernen Stadt schmusen.
Da kam Innsbruck dazwischen.Wenn ich ehrlich bin, hatte ich das blonde Mädchen mit den kleinen Sommersprossen und den langen Haaren schon beim Einchecken im Hafen von Kemer gesehen. Sie mit ihrer Familie auf Segelyacht, ich mit 18 Deutschen auf Pseudo-Motorsegelboot. Wenn ich ehrlich bin, war da schon ein kurzer Blick über zwei Boote zwischen uns hinweg, aber für mich war er voll Arroganz.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, hörte ich schon da Tiroler Dialekt.
Zwei Tage später in der Marina von Finike. Alle anderen Stadtbesichtigung, ich lieber Sonnendeck, irgendwann griff ich zur Gitarre und versank in drei Akkorden, vielleicht in vier. Bis sich in mein Summen ein „Hallo“ einmischte. Ich blickte nach rechts, dort lag das Mädchen mit den kleinen Sprossen und langen Haaren im weißen Bikini, ich glaube sogar mit Hut. Blauer Himmel, schöne Beine, weiße Zähne hinter dem Grinsen – alles war mehr Hochglanz-Werbeplakat als Tiroler Dialekt.
„Auch hallo.“ Mehr hatte ich nicht.
„Du scho wieder.“ Freches Lächeln. Hach.
„Ja.“
„Guat spielsch.“
Ich schaute auf die Gitarre, mehr nicht. Aber ich fing mich, schlug einen Spaziergang auf den kleinen Hügel hinter Finikes Altstadt vor, für den wir dann aber doch beide zu feig waren. Wir saßen ja nicht einmal im selben Boot und fanden keinen Weg, das zu ändern. Die Rückkehr ihrer Eltern und meiner Deutschen beendete den Flirt.
Am Abend näherten wir uns wieder an, übertraten aber nie die Grenze, also die Reling. Ich schlief kaum und als wir um 5.30 Uhr ablegten, wusste ich nichts Besseres, als meinen Namen und Adresse auf eine Serviette zu schreiben, zu zerknüllen und rüberzuwerfen, einfach so, mitten auf das fremde Boot. Der Bootsmann drüben sah es und steckte sie mit grimmigem Blick weg. Die Sache war gelaufen.
Bis mich drei Wochen später ein Brief erreichte. Absender: Innsbruck. Ich solle doch mal kommen. Mit Gitarre.
Manuela: Vom ersten Kuss in Italien und Romantik auf Gran Canaria
Lenz war 15 und so erfahren. Wir haben uns im Kinderfreunde-Urlaub in einem Jugendcamp in Italien kennengelernt, mein erster Urlaub ohne Eltern. Es war Liebe auf den ersten Blick. Zumindest mein 14-jähriges Herz dachte, „der ist es jetzt“. Heimlich hat sich Lenz nachts in mein Zimmer geschlichen und mir das Küssen beigebracht. Das war für mich die allererste romantische Erfahrung und so aufregend. Dass Urlaubslieben aber auch ein baldiges Ablaufdatum haben und man sich mit ein paar Küssen zu nichts verpflichtet, das hat mir Lenz ebenfalls gezeigt. Er hat meine Zukunftspläne vom Eheleben mit Kind leider nicht geteilt.
Also folgten weitere Urlaubsflirts. Ähnliche Szenen erlebte ich mit 16 Jahren: Auf der Strandpromenade in Caorle traf ich im Familienurlaub den feschen Kellner Davis. Er machte gerade seine mittägliche Rauchpause vor dem Hotel, in dem er arbeitete, und sprach mich an. Wir verabredeten uns für den Abend. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wie wir miteinander kommunizierten, denn sein Englisch war sehr schlecht. Dennoch wollten wir in Kontakt bleiben. Wir tauschten Adressen und Telefonnummern aus, doch mit dem Urlaub war auch die Liebe vorbei.
Trotzdem: Das Gefühl, das ich bei Urlaubsromanzen habe, ist noch immer gleich schön wie damals. Diese Spannung, wenn sich Blicke das erste Mal treffen, wenn man sich anlächelt und sich zu einem Treffen verabredet. So war das auch letztes Jahr auf Gran Canaria. Nach tagelangem Blickkontakt hat mich der Fotograf Michele endlich angesprochen. Es folgten romantische Stunden und auch richtige Pärchenmomente: Vom gemeinsamen Dinner über geteilte Cocktails bis hin zum Spaziergang am Strand – Hand in Hand. Mittlerweile nehme ich Urlaubsromanzen gelassener als früher und sehe sie wie eine schöne Momentaufnahme.
Sophia: Wenn Fremde zu Vertrauten werden
An einem Sonntag im Juli lag ich auf dem Boden am Flughafen von Doha. Acht Stunden Wartezeit musste ich durchstehen, um zwei Wochen lang in Thailand entspannen zu können. Ich war keine der Mittzwanzigerinnen, die nach Südostasien flogen, um sich selbst zu finden. Vielmehr wollte ich nach einer Liebesflaute genau das Gegenteil – endlich wieder andere Menschen kennenlernen.
Schon um die 30 Stunden später war diese Mission gelungen: Ich lag nicht mehr auf dem Flughafenboden, sondern in den Armen eines Amerikaners. Er war jenseits der 40, ein klassischer Aussteiger und lebte vom Online-Pokern. Es war eine klischeehafte Urlaubsromanze und das, was wir gemeinsam erlebten, mehr als nur ein One-Night-Stand. Ich fühlte mich zu diesem Menschen, den ich nicht kannte, unglaublich hingezogen. Obwohl er eigentlich gar nicht zu meinem Idealtypus passte.
Er hatte einen typisch amerikanischen Namen, so einen, nachdem eine Fast-Food-Kette benannt sein könnte. Sein Musikgeschmack war nicht wirklich vorhanden und dennoch habe ich mich mit kaum einem Mann je so verbunden gefühlt. Ich beschwerte mich bei ihm über die englische Sprache, da es zwischen „I like you“ und „I love you“ keine passende Floskel gab, um das auszudrücken, was ich für ihn empfand. Also brachte ich ihm „Ich hab dich lieb“ bei.
In den zwei Wochen verbrachten wir viel Zeit miteinander. Unser letzter gemeinsamer Tag wurde zu einem 24-Stunden-Date. Wir fuhren mit dem Moped nachts durch Chiang Mai, tanzten in einem Club, schmusten auf dem Gehsteig. Irgendwann wachten wir auf und mussten uns verabschieden. Nach einer minutenlangen Umarmung verließ er mein Appartement, drehte sich noch einmal um und sagte „Ich hab dich lieb“.
An dieser Stelle möchte ich mich noch bei jenen Menschen entschuldigen, die während der darauffolgenden drei Flüge neben mir sitzen mussten. Ich habe fast 15 Stunden lang durchgeweint. Heute freue ich mich über die schönen Erinnerungen.
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