Nach Abtreibungsurteil: Warum Frauen jetzt ihre Zyklus-Apps löschen

Nach Abtreibungsurteil: Warum Frauen jetzt ihre Zyklus-Apps löschen
Frauen in US-Staaten, in denen Abtreibung nun kriminalisiert ist, haben Angst, dass ihre Daten gegen sie verwendet werden.

Der Appell ist klar. "Löscht heute eure Zyklus-Apps“, fordert die US-amerikanische Autorin Jessica Khoury auf dem Kurznachrichtendienst Twitter auf. Nach der Aufhebung des Urteils Roe versus Wade durch den Supreme Court haben es ihr viele amerikanische Frauen gleichgetan. Sie haben Sorge, dass ihre Daten aus den Apps von den Strafverfolgungsbehörden eingesehen und gegen sie verwendet werden können.

Denn nach dem Urteil am Freitag können konservative US-Bundesstaaten Abtreibungen nun gänzlich verbieten. Frauen, die in einem dieser Bundesstaaten abtreiben, verstoßen somit gegen das Gesetz. Und die Daten aus den Menstruations-Apps können dann gegen sie verwendet werden.

Abhängig ist das davon, wo in den USA die Nutzerinnen leben und welche App sie verwenden.

Sensible Daten

Mit einem digitalen Menstruationskalender - auch Zyklus-App genannt - können Frauen ihren Monatszyklus auf dem Smartphone verfolgen. Anhand eigener Angaben wird festgehalten, wann der Zyklus beginnt und endet, wann die Periode einsetzt und wie lange sie andauert. Dementsprechend können Frauen ihre fruchtbaren Tage errechnen und Schwangerschaften besser geplant oder vorgebeugt werden.

Je nach Anbieter können Frauen Schmerzen, Stimmungsschwankungen, sexuelle Aktivität sowie persönliche Anmerkungen eingeben. Der Nachteil: Die Nutzerinnen geben sehr persönliche Informationen in eine App ein, viele sind seit längerem hinsichtlich des Datenschutzes besorgt.

Bereits vor einigen Wochen, als das geleakte Höchstgerichtsurteil erstmals bekannt wurde, verbreitete sich diese Angst in den sozialen Medien. Doch ist sie berechtigt?

Übertriebene Sorge?

Die Technikexpertin Cynthia Conti-Cook erklärte gegenüber NBC News, dass Staatsanwälte eher Beweise wie Suchverläufe, Textnachrichten und eMails heranziehen werden, die explizit die Absicht zeigen, eine Schwangerschaft zu beenden, als Tracking-Apps. 

Eva Blum-Dumontet, eine Forscherin auf dem Gebiet der Technologiepolitik, die im Jahr 2020 eine Studie über die Datenschutzpraktiken von Zyklus-Apps veröffentlicht hatte, sagte gegenüber Insider, dass sich die Nutzerinnen der Risiken bewusst sein sollten, die mit der Nutzung dieser Apps verbunden sind.

Menschen, die Zyklus-Apps wirklich nützlich finden, sollten nicht das Gefühl haben, sie loswerden zu müssen, da das Risiko, dass die Daten an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden, gering ist. Gleichzeitig wolle sie den Nutzerinnen kein "falsches Gefühl der Sicherheit" vermitteln, sagt sie.

So reagieren die Anbieter

Einige Anbieter reagierten bereits auf die Sorgen ihrer Nutzerinnen. Das in Berlin ansässige Unternehmen Clue, das mehr als zehn Millionen Downloads im Play Store verzeichnet, postete auf Instagram direkt nach der Entscheidung des Supreme Courts, dass sie "in diesem angespannten Moment die Wut und die Angst“ ihrer amerikanischen Community hören.

"Angesichts der zunehmenden Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in den USA verstehen wir, dass viele von euch besorgt sind, dass eure gespeicherten Daten von der US-Staatsanwaltschaft gegen euch verwendet werden könnten“, schreibt das Unternehmen in einem Statement.

Clue erklärt, dass es als europäisches Unternehmen nach der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung verpflichtet sei, besondere Schutzmaßnahmen für Gesundheitsdaten anzuwenden.

"Wir verstehen diese Sorge sehr gut und möchten euch versichern, dass alle Gesundheitsdaten, die ihr in Clue über Schwangerschaft oder Abtreibung erfasst, privat und sicher sind."

Auch der Anbieter Stardust meldete sich in den sozialen Medien zu Wort: "Stardust ist ein von Frauen geführter Perioden-Tracker, der auf dem Glauben an die Freiheit der Wahl und die Freiheit der Privatsphäre basiert."

Sie hätten die Daten ihrer Nutzerinnen verschlüsselt, um sicherzustellen "dass keine Regierungen oder Unternehmen jemals auf Daten zugreifen werden, die euch und nur euch gehören, jetzt und in Zukunft." 

"Anonymer Modus"

Der Anbieter Flo verspricht nach der jüngsten Entscheidung des Supreme Court ebenfalls "alles in unserer Macht stehende zu tun, um die Daten und die Privatsphäre unserer Nutzerinnen zu schützen." Das Unternehmen habe bereits "umfassende" Sicherheitsmaßnahmen getroffen.

Um den Datenschutz weiter zu gewährleisten, kündigten sie außerdem eine neue Funktion an: Ein "anonymer Modus" - eine Option, die es Nutzerinnen ermöglicht, anonym auf die Flo-App zuzugreifen, ohne ihren Namen oder ihre E-Mail-Adresse anzugeben.

Auf Twitter schlagen Frauen derweil auch Alternativen vor: Userinnen sollen Apps verwenden, die Daten lokal auf den Geräten speichern, heißt es dort. Empfohlen wird etwa der Anbieter MyDays.

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