"Normalerweise habe ich immer Feuchttücher dabei"
Eine Partynacht, die auf den frühen Abend vorverlegt wird, das hat was, findet Karina. "Ich würde auch ohne Kinder jeden Tag sehr früh aufstehen. Bei einem Start um 23 Uhr wäre ich schon dreimal eingeschlafen", sagt sie und nippt an ihrem Drink. Das Glas ist klebrig. "Normalerweise habe ich immer Babyfeuchttücher dabei", lacht sie. An der Garderobe hat sie einen verloren geglaubten Schnuller aus der Tasche gefischt. Aber: "Heute reden wir nicht über die Kinder", erinnert Freundin Sina, während sie sich den Weg zur Tanzfläche bahnen.
➤ Mehr lesen: Training auf der Tanzfläche mit Musik aus den Boxen
Die ist um 20 Uhr schon brechend voll. "Habt ihr Lust so richtig abzufeiern?", ruft die DJ. Die Frauen jubeln, reißen die Arme in die Luft. An der Bar bestellt eine Frau eine Runde Apfelsaft. "Nur unter Frauen zu feiern, das ist befreiend“, meint sie und stellt ihr Getränk unbeaufsichtigt ab, als sie ein Foto macht.
Einen befreiten Abend, das wollten die Gründerinnen von „Mama geht tanzen“, Anna Schumacher und Andrea Rücker, erreichen. Einen Abend, an dem niemand Angst haben muss, K.-o.-Tropfen ins Glas zu bekommen oder unpassend angeflirtet zu werden. Wo Mütter einmal 180 Minuten lang unter sich feiern können. Und weil das in ihrer Heimat Nordrhein-Westfalen keine Veranstaltung bieten konnte, haben sie einfach ihre eigene organisiert. "Das Konzept ist viel besser angekommen, als wir gedacht haben", sagt die dreifache Mutter und Sozialarbeiterin Schumacher im Gespräch mit dem KURIER. "Irgendwie haben wir wohl etwas gefunden, auf das die Leute gewartet haben."
Eigenes Franchise-System entwickelt
Ein Jahr später gibt es längst ein eigenes Franchise-System. Mamas tanzen heute nicht nur in Wuppertal, sondern auch in Berlin, München oder Klagenfurt. Mit "Mami macht Party“ gibt es bereits eine Konkurrenz-Veranstaltung. "Das Interesse ist riesig“, bestätigt die Wiener Organisatorin Lucia Krenn. "Ursprünglich wollten wir an diesem Wochenende in einem kleineren Club tanzen, aber der Andrang war so groß, dass wir umplanen mussten.“ Krenn selbst kennt das Konzept aus Stuttgart. "Es war ein so schöner Abend, dass ich mir gedacht habe, so etwas brauchen wir auch in Österreich.“
➤ Empty-Nest-Syndrom: Das Kind zieht aus, die Krise ein
Die meisten Frauen kämen wegen der Frauenquote und der Uhrzeit, erzählt Schumacher. Die Zeit von 20 bis 23 Uhr sei bewusst gewählt, "weil viele Kinder vor Mitternacht am besten schlafen, ein Babysitter leichter zu finden ist und Mütter auch mal drei Stunden von einem größeren Stillkind weg sein können“. Auch sonst sei man bemüht, die Nacht so angenehm wie möglich zu gestalten. Park- und Bezahlmöglichkeiten werden vorab kommuniziert. Getränke sind auf die Zielgruppe abgestimmt. Dresscode gibt es keinen.
Ihre Motivation, so Gründerin Schumacher, sei die Stimmung unter den Frauen. "Wenn du vor 700 Frauen stehst und alle zusammen singen und tanzen, ist das etwas ganz Besonderes." Auch Karina sagt: "Es ist eine ganz andere Atmosphäre, wenn 99 Prozent der Gäste Frauen sind." Die ersten Takte von "Girls Just Want to Have Fun“ erklingen. Eine Frau tanzt auf einem Podest. Karina und Sina stoßen mit einem Hugo an. Es ist 20.30 Uhr.
Brauchen Mütter eine eigene Party?
Vereinzelt wird aber auch Kritik an dem Konzept laut. Eine eigene Partyreihe für die Mütter, nur damit die Familie morgen wieder voll funktionsfähig ist? Warum darf Papa immer tanzen gehen? Schumacher sieht das gelassen: "Unsere Ursprungsidee war eine Party für stillende Mütter, die nachts nicht so lange weg sein können, weil das nun mal unsere Lebensrealität ist. Das hat nichts mit Männern zu tun."
Diese sind als Begleiter ausdrücklich nicht ausgeladen. Nur größere Männergruppen dürfen nicht hinein. Durchschnittlich ein Prozent der Gäste sind männlich; zwei Drittel sind Mütter. Auch Karina wollte heute eigentlich ihren Mann ausführen. Weil die Großeltern aber krank wurden, blieb er mit den Kindern zu Hause.
➤ Mehr lesen: Was Eltern schon immer über die Mediennutzung wissen wollten
Die Kritik an „Mama geht tanzen“ kann sie nicht nachvollziehen. Das Event habe nichts mit Patriarchat zu tun, sondern mit Praktikabilität. "Die ,armen‘ Mamas müssen ja nicht um 23 Uhr nach Hause, sondern können bis in die Morgenstunden weiterfeiern.“ Im Gegensatz zum Original-Event geht die Nacht im Prater Dome nämlich nach 23 Uhr weiter. Karina hat sich Mitternacht als Ziel gesetzt. Der nächste Morgen beginnt für sie früh.
Kommentare