Empty-Nest-Syndrom: Das Kind zieht aus, die Krise ein

Eine nachdenkliche Fau.
Wenn die Kinder von zu Hause ausziehen, kann das Eltern in eine Sinnkrise stürzen. Mit der richtigen Strategie ist die Leere des „Empty-Nest-Syndroms" aber zu überwinden.

Wenn der Nachwuchs auszieht, fängt das Leben richtig an. Doch für viele Eltern stellt sich keine Freude ein, sondern es macht sich innerlich eine große Leere breit. Wissenschafter nennen das Phänomen „Empty-Nest-Syndrom“. Der Begriff wurde in den 1960er-Jahren von amerikanischen Soziologen geprägt. Zahlreiche Mütter und auch Väter verfallen nach dem Auszug ihrer Kinder in eine Art Schockzustand und erleben eine Sinnkrise.

In Österreich verabschieden sich Kinder im Durchschnitt mit 21,4 Jahren aus dem „Hotel Mama“.  Und es sind vor allem die Mütter, die unter dieser großen Veränderung in ihrem Leben leiden. Denn sie sind es, die meist den Großteil der Erziehungsaufgaben übernommen und eine engere Bindung zum Kind aufgebaut haben. Aber auch Männer sind vom Empty-Nest-Syndrom betroffen.

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Eltern alleine zu Hause

Ein wenig Trauer nach so vielen gemeinsam Familienjahren ist normal, aber wenn Schlaf- und Appetitlosigkeit sowie weitere körperliche Symptome hinzukommen, ist Vorsicht geboten. Die Wiener Eltern- und Familienberaterin Sandra Teml-Wall beschreibt es so: „Mit dem Auszug des Kindes geht auch der Verlust des bisher gewohnten Familienlebens einher. Alles Neue macht uns Angst und wirft Fragen auf. Können sich Eltern auf die neue Situation nicht einstellen, kann das Leid bis zur Depression steigen.“

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Vor allem die Partnerschaft müsse jetzt neu sortiert werden. „Oftmals ist ein Kind auch ein stabilisierender Faktor in einer  Paarbeziehung. Eltern fokussieren sich auf die Kinder und stellen ihre eigenen Themen hinten an“, so die Expertin. Manche Kinder würden auch die Rolle des Partnerersatzes oder der besten Freundin einnehmen. „Diese Konstrukte geraten mit dem Auszug ins Wanken. Die Eltern sind wieder auf sich selbst zurückgeworfen“, so Teml-Wall.

Empty-Nest-Syndrom: Das Kind zieht aus, die Krise ein

Die Wiener Elternberaterin Sandra Teml-Wall

Neue Beziehungsarbeit

Plötzlich sind da nämlich nicht mehr nur Mama und Papa, sondern wieder eine Frau und ein Mann, die sich womöglich innerhalb der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte fremd geworden sind. Sehr viele Paare trennen sich in dieser Phase. Psychotherapeut Christian Jurceka  rät:  „Paare sollten sich jetzt fragen: Wer waren wir früher? Was macht mir Freude und welche Freude teile ich noch mit meinem Partner? Und: Was wollen wir mit der neuen Freiheit anfangen?“ Das könne etwa ein gemeinsames Hobby, Reisen oder ein Sport sein.

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Auch der Austausch mit anderen Eltern kann helfen, sich als Paar neu zu finden. Nur wenn sich nach längerer Zeit keine Besserung einstellt, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. „Mit einem Außenstehenden  auf den Prozess zu schauen, hilft  dabei klarer zu sehen“, sagt Jurceka. Im Umgang mit den Kindern rät der Experte, auf  Sätze wie „Du meldest dich ja nie“ zu verzichten. Das würde bei den jungen Erwachsenen Schuldgefühle auslösen. Besser sei es, über die Wehmut und die Ambivalenz der Gefühle zu sprechen.

Bügeln im Ex-Kinderzimmer

Auch für den Nachwuchs geht mit dem Auszug ein Kapitel zu Ende und es ist entlastend für die „erwachsenen Kinder“, wenn sie sehen, dass das Glück ihrer Eltern nicht von ihrer Anwesenheit abhängig ist. Jetzt bleibt noch eine Frage offen: Was sollten Eltern mit dem Kinderzimmer machen? Jurceka: „Da gibt es viele individuelle Antworten vom Hobbyraum bis zum Bügelzimmer. Auf jeden Fall sollten Eltern es  nicht zum Schrein konservieren.“

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Das sieht auch Sandra Teml-Wall so: „Ich kenne Familien, die  in eine kleinere, günstigere Mietwohnung gezogen sind. Andere wiederum leben weiter in ihrem Haus und nützen den freien Raum als Rückzugsort für sich selbst.“

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