Sätze wie „Gib’ doch der Tante ein Bussi“ oder „Stell’ dich nicht so an“ sind aber fehl am Platz, weiß Psychologin Luise Hollerer. „Wenn ein Kind nicht geküsst werden möchte, dann muss es ,Stopp‘ sagen dürfen. Das bezieht sich nicht auf Küssen alleine, sondern auf alle Bereiche, in denen ein Kind an seinem Körper spürt, was ihm angenehm und was unangenehm ist, etwa bei Umarmungen, beim Knuddeln oder Kitzeln“, betont Hollerer.
Kind unterstützen
Der Leitsatz „Mein Körper gehört mir“ müsse bewahrt werden. „In jeder Familie gibt es unterschiedliche Begrüßungen, manche sind inniger mit vielen Umarmungen und Küssen, manche sind weniger körperlich miteinander. Unabhängig davon gilt für das Kind: Wenn etwas für mich an meinem Körper unangenehm ist, muss das von allen berücksichtigt werden – egal, ob von der Oma, von Geschwistern, von Eltern, Freunden, Nachbarn.“
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Sind Eltern damit konfrontiert, dass das Gegenüber eine körperliche Begrüßung einfordert, sollten sie das Kind unterstützen. Denn: Werden Kinder gegen ihren Willen dazu gebracht, Küsse zu verteilen oder zu erdulden, sorge das für Ohnmachtsgefühle. Hollerer: „Wenn mich meine Eltern nicht unterstützen, lerne ich, dass ich in einer solchen Situation zu gehorchen habe, weil mir Strafe oder Unwillen droht. Das könnte dazu führen, dass ich in Situationen, wo ich ohne Eltern bin, auch nicht Stopp sage.“
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Eltern sollten ihr Kind zur eigenständigen Reaktion ermutigen, dass es eben selbst sagt „Nein, ich mag das nicht“. Das heißt aber nicht, dass Kinder die Oma oder andere Personen gar nicht begrüßen sollen. Es gehe darum, eine Form zu finden, die für das Kind passt. „Es ist ganz wichtig, dass Kinder in soziale Konventionen und ihre Möglichkeiten eingeführt werden. Eine Begrüßung kann ganz unterschiedlich ablaufen. Eltern können mit ihrem Kind besprechen, welche Form für es angenehm ist und welche nicht“, erklärt Hollerer.
Alternativen können etwa Händeschütteln, ein sich Anschauen und rein verbales Begrüßen sein. „Kleinere Kinder können oft noch schwer ihr Spiel dafür unterbrechen, aber ab dem Vorschulalter kann eine kurze Pause gemacht werden, um jemanden zu begrüßen.“
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