KURIER: Was war der Grund für Ihre Initiative?
Sabine Puchinger: Wir reden viel über die Kinder und dass sie zu viel am Handy hängen. Wir reden wenig über uns Erwachsene und dass wir als Vorbilder eine wichtige Rolle spielen. Wir reden wenig darüber, dass wir selbst kaum mehr ohne Handy sein können und unser erster und letzter Griff am Tag der zum Handy ist. Schülerinnen und Schüler erzählen uns z.B., dass ihre Eltern wenig reagieren, wenn sie ihnen etwas zeigen wollen, weil die Eltern selbst an ihren Geräten kleben und oft sagen: „Ich muss jetzt arbeiten.“ Das Verhalten der Kinder wird gern problematisiert, was natürlich richtig und wichtig ist. Aber wir wollen uns – die Erziehenden – in den Blick nehmen, weil das wichtiger ist, als wir denken.
Hemma Poledna: Unsere Initiative kommt aus den Beobachtungen unserer Lehrkräfte und aus der Sorge um die Entwicklung unserer Jugendlichen in den unterschiedlichsten Bereichen – Probleme mit Aufmerksamkeit, mit Koordination und Kondition, Mobbing, Depressionen.
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Gibt es Fragen zur Nutzung von Smartphones, die besonders häufig von Eltern kommen?
Puchinger: Die Fragen der Eltern, die bei uns landen, sind unterschiedlicher Art. Ganz oft aber spricht aus diesen Fragen Sorge und eine starke Ohnmacht.
Wie unterschiedlich ist die Haltung von Eltern zur Handynutzung, wenn es etwa darum geht, ab wann ein Kind ein Handy bekommt, ob es Bildschirmzeiten gibt etc.?
Poledna: Bei all den Fragen müssen wir im Blick haben: Wie halte ich es mit meiner Bildschirmzeit? Nehme ich mir Zeit für ein Gespräch, für ein handyfreies Essen, wo ist mein Handy nach 21 Uhr?
Wie können Schulen und Eltern kooperieren?
Puchinger: Es gibt gut fundierte Erkenntnisse, wie man gut lernt und intellektuell und körperlich fit wird. Man weiß, dass Smartphones nur nebenbei im Unterricht in der Hosentasche schlechtere Lernergebnisse bringen. Auch, dass zu viel Bildschirmzeit ungesund ist. Eltern wollen das Beste für ihre Kinder und meist auch eine gute Ausbildung. Wenn wir das wissen, müssen wir doch kooperieren im Sinne der Kinder.
Sind in der Schule Regeln für die Handynutzung sinnvoll?
Poledna: Unbedingt, wenn uns wichtig ist, dass unsere Kinder ungestört lernen, zusammenarbeiten, Interesse entwickeln sollen. Der Lernraum gehört geschützt. Auch wenn wir wollen, dass unsere Jugend digital fit wird, müssen wir diesen Bereich ernst nehmen. Das Fach „Digitale Grundbildung“ ist ein Schritt in die richtige Richtung. Fähigkeiten und Wissen in Sachen Medien und digitale Welt sind äußerst wichtig. Das hat aber nichts mit dem Stress zu tun, den Jugendliche haben mit der ständigen Präsenz auf Social Media Kanälen. Auch am Vormittag.
Was halten Sie – wie in Großbritannien geplant – vom Handyverbot an Schulen?
Puchinger: Die Politik ist sicher gefragt. Aus dieser Warte müsste man sich auch die Frage stellen, wo wollen wir hin mit unseren Jugendlichen und deren Zukunft? Die UNESCO richtet in ihrem Report „Education and Technology – a tool to whose terms?“ diese und andere Fragen an politische Entscheidungsträger.
Wo liegen die Vorteile von Smartphones im Unterricht, wo die Nachteile?
Poledna: Die Lehrkräfte, wenn sie gut mit diesen Technologien umgehen können, schätzen selbst ein, welche Endgeräte sie für ihren Unterricht wann einsetzen wollen, um Interaktion und Lernerfolge zu erzielen.
Flüchten Kinder gerne aus der realen Welt?
Puchinger: Nicht weniger oder mehr als Erwachsene. Das Problem ist, dass die Plattformen so gestaltet sind, dass wir lang und länger dranbleiben sollen. Mit einem Gehirn, das noch nicht entwickelt ist, ist das noch schwieriger. Diese Entwicklung ist aber erst mit 25 abgeschlossen.
Welche Botschaft ist Ihnen besonders wichtig?
Poledna: Kinder und Jugendliche brauchen Unterstützung in Sachen Mediennutzung. Wir Erzieher sind wichtig und müssen uns hier einschalten, auch wenn das mühsam ist. Informieren Sie sich, redet miteinander darüber – und Connect with Care.
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