Was war ihr erster Eindruck als Sie Direktorin wurden?
Ich hatte völlig unterschätzt, was da auf mich zukommt. Ich habe ein großes Misstrauen zwischen den Schulpartnern wahrgenommen. So hörte ich des öfteren, dass Kinder, die für die Nachmittagsbetreuung angemeldet wurden, Störenfriede sind, die die Eltern nicht zu Hause haben wollten. Aber auch der Umgangston mancher Lehrkräfte mit den Jugendlichen entsprach gar nicht dem, wir ich mir das vorgestellt hatte.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Beispielsweise haben gleich am zweiten Tag zwei Schüler eine Parkbank zertrümmert. Ich machte sofort klar, dass wir das nicht so akzeptieren können – die Eltern mussten in die Schule und die Bank repariert werden. Das war für mich überhaupt kein Thema. Doch so etwas war bisher nicht gang und gäbe.
Das heißt, Kinder müssen mit Konsequenzen rechnen.
Ja. Es ist wichtig, dass das auf Augenhöhe passiert, was nicht heißt, dass Lehrkräfte sich auf das Niveau von Kindern begeben sollen. Im Gegenteil. Man muss Kinder ermächtigen und ihnen klarmachen: Auch wenn du erst zehn Jahre alt bist, musst du das wieder geradebiegen, was du angerichtet hast. Und du musst erklären, warum du das getan hast, wer dich angestiftet hat etc. Da gehen wir nach einem Konsequenzenmodell vor, das an der Schule entwickelt wurde.
Viele Lehrkräfte beklagen ja, dass es keine Konsequenzen mehr geben darf.
Sicher darf es die. Hat jemand etwas kaputt gemacht, muss er es wieder in Ordnung bringen. Gleichzeitig wollen Jugendliche fair behandelt werden – das ist ihnen sehr wichtig. Deshalb darf man bei Konflikten keinesfalls oberflächlich ein Urteil fällen, sondern muss in die Tiefe schauen, was die Auslöser waren. Das ist natürlich sehr anstrengend.
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Was können bei Beschimpfungen oder Verspätungen Konsequenzen sein?
Möglichkeiten sind der Sozialdienst, wo ein Schüler z.B. eine Woche lang die Tafel putzen muss oder dass er länger in der Schule bleiben muss – das geht in Absprache mit den Eltern. Und die sind durchaus kooperativ, wenn sie nicht das Gefühl haben, dass ihr Kind zu Unrecht beschuldigt wird.
Das Modell sieht aber nicht nur negative Konsequenzen vor.
Nein, es gibt auch viel positive Wertschätzung – für Leistungen gibt es zum Beispiel Hausübungsgutscheine oder Belobigungen. Wenn ich die unterschreibe, lassen sich selbst 13-jährige Rabauken noch positiv davon beeindrucken. All die Maßnahmen haben nach und nach eine Änderung des Schulklimas bewirkt.
Wie lange hat es gedauert, bis sich die Änderungen ausgewirkt haben?
In zwei Jahren haben wir eine Verdopplung bei den Anmeldungen gemerkt. Heute sind unsere Klassen voll und ein Drittel hat eine AHS-Berechtigung.
War das nur die Folge eines verbesserten Schulklimas?
Nein. Ich habe eingeführt, dass es einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch gibt. Dabei wird unter anderem besprochen, wer welche Aufgaben neben dem Unterrichten übernehmen wird. Ein Team hat sich z.B. um das Thema Schulklima gekümmert und die Konsequenzenpyramide entwickelt. Ein anderes hat sich mit der Schulentwicklung beschäftigt, das dem Standort ein Profil geben sollte. So entstand das Konzept der Modularen Mittelstufe.
Warum ist ein Profil für eine Schule so wichtig?
Die Menschen gehen ja mittlerweile Schule schoppen wie sie Schuhe shoppen gehen. Heißt: Sie schauen sich sehr genau an, welche Angebote eine Schule macht. Bei uns können die Schülerinnen und Schüler zwischen vier Modulen wählen: Technik, Tourismus, Wirtschaft sowie Gesundheit und Soziales. Viele gehen auf berufsbildende höhere Schulen, mit denen wir kooperieren, andere machen im Anschluss an unsere Schule eine Lehre. Neben einem attraktiven inhaltlichen Angebot ist heutzutage aber auch eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit wichtig. Nur so hat man als Schule die Chance, für die Eltern, aber auch für künftige Lehrkräfte attraktiv zu sein.
Wie haben die Lehrpersonen auf ihre Veränderungsvorschläge reagiert?
Ein kleiner Teil hat mich von Anfang an in dem Prozess unterstützt, viele haben sich das einfach mal angeschaut, was passiert. Einige waren vehemente Kritiker, die nicht akzeptieren wollten, dass sich die Schule ändern muss, um konkurrenzfähig zu werden. Insbesondere die Personalvertretung hat sich gegen die Neuerungen gestellt.
Sie haben das Thema Wertschätzung angesprochen. Gilt das auch gegenüber dem Lehrpersonal?
Unbedingt – ich schreibe zum Beispiel vor Weihnachten allen im Team eine Karte, die auf den einzelnen zugeschnitten ist. Und ich schaue nicht weg, wenn es Ungerechtigkeiten gibt, etwa wenn sich manche versuchen durchzulavieren. Dabei wegzuschauen, würde nämlich jene demotivieren, die engagiert ihre Arbeit leisten und das ist bei weitem das Gros der Lehrkräfte. Bei uns ist aber auch üblich, dass die Lehrkräfte bei allen wichtigen Fragen eingebunden werden und mitbestimmen dürfen. Das steigert die Motivation, die Kolleginnen und Kollegen fühlen sich wertgeschätzt.
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