Hochzeitstauben: Warum so viele weiße Tauben auf der Strecke bleiben

Braut und Bräutigam halten zwei weiße Tauben.
Nur gut trainierte Brieftauben eignen sich zur Hochzeitstaube. Worauf Ja-Sager achten sollten, um Tierleid zu vermeiden.

Das Taubenaufkommen über Österreich ist derzeit besonders hoch. Die wilden Kurzstreckenzieher haben bereits ihr Sommerquartier bezogen, die Turteltauben trudeln gerade aus Afrika ein, dazu segeln aktuell vermehrt Brieftauben über den Himmel. Die weißen Hochzeitstauben haben Saison.

Der Brauch, gefiederte Liebesboten beim Ja-Sagen fliegen zu lassen, ist umstritten. Denn viele der weißen Vögel bleiben dabei auf der Strecke.

Nicht alle Hochzeitstauben sind ausreichend trainiert

„Es gibt Scharlatane, die irgendwelche Tauben für festliche Anlässe nehmen“, räumt Franz Marchat ein. Der Präsident des Österreichischen Verbands der Brieftaubenzüchter kennt die Kritik der Tierschützer. Sie führen ins Treffen, dass nicht nur weiße Brieftauben mit Heimweh die Feierlichkeiten aufputzen, sondern auch ungeschulte Überflieger. Die Irrläufer landen dann in der Wildnis und sind auf unbekanntem Terrain kaum überlebensfähig. Strahlend weiß sind sie zudem gefundenes Fressen.

Brieftauben können nur ein Mal am Tag starten

Marchat schickt Brieftauben seit Jahrzehnten ins Rennen – und zu Hochzeiten. Insgesamt hat er in seinem Schlag nahe St. Pölten 130 Exemplare am Start, 30 davon in Weiß. „Die Tiere sind unser Kapital, wir riskieren keine Ausfälle“, redet der 60-Jährige gegen die Ausbeutung der Glücksbringer. Es wäre geschäftsschädigend, den Aufwand an Pflege mit einem einzigen Ausflug zu verlieren. Es sei logistisch unmöglich, die Arbeitstiere vier Mal am Tag von Feiern nach Hause fliegen zu lassen.

Nicht jede Zuchttaube ist eine Brieftaube

„Es stimmt nicht, dass die weißen Tauben keinen Orientierungssinn haben“, sagt der Züchter weiters. Blaue und weiße Brieftauben unterscheiden sich farblich, nicht in der Flugleistung – vorausgesetzt sie werden gut trainiert. Für weiße Schönheiten ohne Ausbildung gilt das freilich nicht.

  • Turteltauben haben kein leichtes Leben. Die Nahrungsspezialisten finden kaum Sämereien, denn die intensive Landwirtschaft lässt Ackerunkräuter nicht aufkommen. Der Klimawandel reduziert die Tankstellen auf den Zugrouten in die Sahelzone. Auf ihren Langstreckenflügen zwei Mal im Jahr sind die zierlichen Verwandten der Straßentauben zudem Wetterkapriolen ausgesetzt. Und der Bejagung – selbst in Österreich. „Turteltauben stehen auf der globalen Roten Liste der bedrohten Arten“, sagt Johannes Hohenegger von Birdlife Österreich. Auch hierzulande nehmen ihre Bestände ab. 
  • „Sehr häufig ist bei uns die Türkentaube“, weiß der Ornithologe. Sie brüten mitunter auf Dachbalken. Die hübschen Kulturfolger haben sich erst Mitte des 20. Jahrhunderts von Kleinasien bis Nordamerika ausgebreitet.
  • Auch die größere Ringeltaube ist auf Erfolgskurs. Der traditionelle Waldvogel lässt sich seit zwei Jahrzehnten immer öfter in Siedlungsgebieten blicken. Die Vögel passen sich an Gärten und Parkanlagen an.
  • „Der Hohltaube ist es schon einmal schlechter gegangen. Doch seit den 1970ern haben sich die Zahlen deutlich erholt“, sagt der Vogelschützer. Mit der veränderten Waldbewirtschaftung stehen den Kurzstreckenziehern, die in milden Wintern immer öfter in Österreich bleiben, mehr Schwarzspecht-Höhlen als Unterschlupf zur Verfügung. Auch das Jagdgesetz schont den optischen Zwilling der Straßentauben. 
  • Hohenegger: „Straßentauben sind keine Haustiere, auch wenn sie wohl von allen Vogelarten global die engste Bindung an den Menschen haben.“

Mit drei Monaten flattern Marchats Küken das erste Mal aufs Dach. Zwei Wochen später sind sie bereit für die täglichen Flugstunden; dabei wird die Entfernung zum Heimatschlag ständig vergrößert. Marchats Hochzeitsgäste im Federkleid heben meist in der Wachau ab, er nimmt nur Aufträge im Umkreis von 50 km an. Renntauben legen viel weitere Distanzen zurück, Bestzeit ist das Ziel. Zur Stärkung der Muskulatur bekommen die einen wie die anderen Mais, Weizen, Gerste, reichlich Kohlenhydrate, Protein und Vitamin C. Regelmäßige Gesundheitschecks inklusive Impfung sowie Hygiene in der Unterkunft sind Pflicht.

„Bei Schlechtwetter liegt es im Ermessen des Halters, ob er die Tauben frei lässt“, sagt Marchat. Ein paar Regentropfen stören die Vögel nicht, bei Nebel jedoch muss die Hochzeitsreise abgeblasen werden. Die Tiere orientieren sich nicht nur am Magnetfeld der Erde, sondern auch am Sonnenstand und an Landmarken. Blindflug bremst selbst Profis aus.

Greifvögel sind die größten Feinde der Tauben

„Die größte Gefahr für Tauben sind die natürlichen Feinde“, betont Marchat. Stürzt ein Wanderfalke mit 300 km/h auf die Beute, gibt es kein Entfliehen. Auch Habicht und Sperber jagen oft erfolgreich; mitunter bringen die Greifvögel die Heimkehrer vom Kurs ab. Glasscheiben oder Erschöpfung können tödlich sein.

Tierschützer fordern strenge Kontrollen

„Das Problem, dass Tauben nicht zum Schlag zurückfinden, ist nicht klein“, klagt Hans Frey, Leiter der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee. Je nach Saison landen mehr oder weniger weiße Exemplare in der von Vier Pfoten geführten Wildtierhilfe in NÖ. Kaum eine ist beringt. Doch selbst wenn das gestrandete Federvieh eine Nummer trägt, bleibt das Happy End aus. „Die Besitzer holen die Tauben nicht ab, weil diese versagt haben und nicht mehr verwertbar sind“, erklärt Frey. 

Es gibt Alternativen zu den Auflasstauben

Um den schwarzen Schafen das Handwerk zu legen, bräuchte es mehr Kontrollen. Oder Luftballons und Seifenblasen: Damit lassen sich Erinnerungen ohne jedes Tierleid schaffen.

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