Gypsy Rose Blanchard: Von Anstiftung zum Mord zum Internet-Star
"The Bitch is dead", schrieb Gypsy Rose Blanchard (32) im Juni 2015 auf Facebook. Ihr Freund Nicholas Godejohn, den sie im Internet kennengelernt hatte, hatte zuvor ihre Mutter im US-Bundesstaat Missouri mit 17 Messerstichen getötet - auf Wunsch seiner Freundin.
Godejohn wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Blanchard verbrachte acht Jahre hinter Gittern. Kurz vor Jahreswechsel kam sie frei - und wird in den sozialen Medien gefeiert.
Psychisch und seelisch missbraucht
Der Grund: Millionen von Userinnen und Usern glauben, dass Gypsy Rose das wahre Opfer in dem True-Crime-Fall ist, der um die Welt ging. Ihre Mutter Dee Dee Blanchard hatte sie jahrzehntelang körperlich und seelisch misshandelt. Sie gab vor, ihre Tochter leide an Leukämie, Muskeldystrophie und anderen schweren Krankheiten.
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Gypsy Rose Blanchard saß im Rollstuhl, wurde künstlich ernährt und musste verschiedene Operationen und Behandlungen über sich ergehen lassen, die sich im Nachhinein als völlig unnötig herausstellten. Sie war unterernährt, lebte völlig isoliert und weitgehend ohne Schulbildung.
Doch inzwischen weiß man: Nicht Gypsy Rose ist krank, sondern ihre Mutter. Diese litt, so die Ermittler, am seltenen Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Menschen mit diesem Syndrom fügen anderen - meist Kindern - absichtlich gesundheitliche Schäden zu, um ärztliche Fürsorge und Zuwendung zu erlangen und sich selbst als scheinbar aufopferungsvolle Pflegerin zu inszenieren.
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Dee Dee Blanchard manipulierte damit nicht nur jahrelang ihr Umfeld, Spender und Ärzte, sondern auch ihre Tochter, wie sie in Interviews sagt. "Wenn ich Bedenken äußerte, wurde sie sehr, sehr wütend auf mich." Und so kam es, dass Gypsy nie zur Schule ging und keinen Kontakt zum Rest ihrer Familie haben durfte. Auch ihr wahres Alter wusste sie nicht.
Freund auf Dating-Plattform kennengelernt.
Erst als Teenager begann Gypsy, ihrer Mutter zu widersprechen, was zu weiterer Gewalt führte. Sie merkte, dass es ihr körperlich gut ging und sie sogar gehen konnte, obwohl ihre Mutter immer das Gegenteil behauptet hatte.
Im Jahr 2013 lernte sie über das Internet ihren Freund Nicholas Godejohn kennen, dem sie sich anvertraute. In ihrer Verzweiflung bat sie ihn, ihre Mutter zu töten. Er tat es.
Mit einem Messer erstach Godejohn Dee Dee Blanchard in ihrem Haus. Gypsy soll sich währenddessen im Badezimmer versteckt haben.
Der bizarre und düstere Kriminalfall erregte weltweites Aufsehen und wurde in mehreren Fernsehsendungen thematisiert. Blanchard wurde berühmt - und beliebt. Es kam zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen von True-Crime-Fans. Eine Petition forderte Blanchards Freilassung.
Weg zur Influencerin
Und die weiß den Rummel für sich zu nutzen. "Erstes Selfie in Freiheit" postet sie kurz nach ihrer Entlassung auf Instagram. Es wird 6,5 Millionen Mal geliked.
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Seitdem postet Blanchard regelmäßig auf ihrem Profil: Fotos von ihrem Ehering, einem Neujahrskuss, ihrem Outfit. 7,8 Millionen Menschen folgen ihrem Instagram-Account, knapp 9 Millionen sind es auf TikTok. "Ich habe viele tolle Dinge, die bald passieren werden", kündigt sie dort zuletzt an.
Morgen wird ihr eBook veröffentlicht. In der neuen Doku-Serie "The Prison Confessions of Gypsy Rose Blanchard" erzählt sie ihre Geschichte. "Ich bereue den Mord jeden Tag", sagte sie nach ihrer Freilassung gegenüber verschiedenen US-Medien. Es gebe immer einen anderen Weg. Sie versuche nun, sich und ihrer Mutter zu verzeihen.
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