Gästin gut, Zapfhenne schlecht, Mitgliederin überflüssig

Christine Olderdissen hat, scheints, Humor: Ab Seite 120 ihres Buches Genderleicht widmet sie sich Schimpfwörtern und stellt die Frage, ob wir im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit Trottelin, Idiotin oder Blödfrau sagen sollten. „Gendersensibilität beim Beschimpfen eröffnet ganz neue Dimensionen des Genderns“, schreibt sie mit Augenzwinkern und regt an, öfter Dumpfbacke, Vollpfosten oder Hohlkopf zu verwenden. Vorteil? Allesamt geschlechtsneutral. Womit wir beim Kern wären: Die Gender-Expertin mag weder das Gendersternchen besonders, lehnt die Fußnote „Mitgemeint“ ab, plädiert für toleranten Umgang mit Anderssprechen. Und für Geschlechtsneutrales.
KURIER: Der Gendereifer hat so manchen Blödsinn hervorgebracht und geschlechtsneutrales Schreiben diffamiert. Sie sagen, dass Sprache trotzdem elegant bleiben kann. Wie?
Olderdissen: Es stimmt, manche übertreiben es mit dem Genderstern und das regt andere auf, weil Texte dann sehr schwer zu verstehen sind. Warum helfen wir uns nicht mit geschlechtsneutralen Ausdrücken? Das ist nur eine kleine Umstellung in der Schreibroutine. Mittlerweile erlebe ist oft, dass ganz normale Menschen die weibliche Form mit reinnehmen, wenn sie etwas beschreiben. Wir sind dabei, die Frauen mehr in den Blick zu nehmen, weil wir sie überall erleben. Es ist eine Frage von Respekt und noch kein Feminismus.
Warum dann die Aufregung?
Die Leute regen sich künstlich über etwas auf und ich glaube, dass sie nicht verstehen, worum es geht. Der Genderstern ist eine Kurzform, um zu sagen: „Ich meine jetzt gerade alle Menschen – Männer, Frauen, trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre in einem Wort.“
Sprache ist immer auch ein Kind ihrer Zeit. Da fällt mir das Grimm’sche Wörterbuch ein, das das Wort Gästin bereits gelistet hatte.
Ja, das ist ein sehr altes Wort, das lange vergessen war. Die weibliche Form des Gastes gab es bereits vor mehr als 160 Jahren.

Christine Olderdissen
Die deutsche Juristin und freie Fernsehautorin leitet das Projekt Genderleicht.de.
Sie hat ein Faible für schöne, gendergerechte Texte und gibt ihr Genderwissen an Interessierte weiter. Mehr unter www.genderleicht.de
Die Gästin ist also keine moderne Wortschöpfung, andere schon. Welche?
Gendergegner versuchen gerne, Gegenstände zu gendern, die Zapfhenne etwa. Wobei der Zapfhahn eine ganz andere Sprachgeschichte und überhaupt nichts mit dem Hühnerhahn zu tun hat. Gewiss braucht er keine geschlechtliche Vielfalt. Das Wort Mitglied wiederum ist geschlechtsneutral und braucht weder eine weibliche Form noch einen Stern.
Auch Tiere werden nicht gegendert. Warum?
Beim Gendern geht es um die Identität. Das ist etwas, das Menschen für sich empfinden. Dem Seepferdchen ist es egal, ob es der, die oder das Seepferdchen heißt, es wird sich kaum über mangelnde Geschlechtersensibilität beklagen.
Sie lehnen die Fußnote „mitgemeint...“ ab. Warum?
Weil es unhöflich ist. Es überträgt der Person, die einen Text liest die Aufgabe: Du musst dir jetzt Gedanken machen, wen ich gerade meine. Was meint der Autor, wenn er „Arzt“ schreibt? Einen Mann oder doch eine Frau? Ich bin also immer gefordert, zu übersetzen.
Viele argumentieren, dass mit dem Gendern nur von echten Problemen wie Gehaltsschere und Femizid abgelenkt würde. Was antworten Sie?
Wir brauchen die Sprache, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Es ist aber nur ein Schritt. Natürlich gibt es auf der politischen Ebene noch eine ganze Menge zu tun. Wir haben sehr viele andere Probleme im Verhältnis von Männern und Frauen. Diese so großen Themen lösen wir natürlich nicht mit gendergerechter Sprache. Aber es ist ein Schritt, um respektvoller miteinander umzugehen – und um zu zeigen, was Frauen schon alles erreicht haben.

Buchtipp:
Christine Olderdissen:
„Genderleicht. Wie Sprache für alle elegant gelingt“.
Duden-Verlag. 16,50 €.
Das Buch erscheint am 17. Jänner 2022
So schreiben Sie schön geschlechtergerecht
Nehmen Sie die Beidnennung, wenn Sie Frauen und Männer in Ihrem Text sichtbar machen wollen.
Der Genderstern ist angebracht, wenn es Ihnen um alle Geschlechter geht: trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, Frauen und Männer. Das Sternchen steht für die Vielfalt der Geschlechter.
Der Genderdoppelpunkt gilt fälschlicherweise als barriereärmere Alternative. Er hat auch nicht die symbolische Kraft des Gendersterns. Elegant gendert, wer Beidnennungen, Genderzeichen und Partizipien sparsam einsetzt. So bleibt der Text gut lesbar. Auch die Zahl der Personen zu reduzieren hilft, genderneutral zu schreiben. Oft lässt sich dasselbe mithilfe starker Verben ohnedies besser ausdrücken. Werden Sie kreativ beim Formulieren.
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