Für Junggebliebene: Au-pair mit 58

Für Junggebliebene: Au-pair mit 58
Heli Kontu kam als Au-pair-Mädchen nach Österreich. Blieb hier. Holte sich später selbst Hilfe für ihre Kinder ins Haus. Und fliegt nun nach Neuseeland.
Von Uwe Mauch

Noch wenige Tage, dann geht es los. Erst nach London. Von London weiter nach Sydney. Und dann nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands. Heli Kontu sitzt in ihrem Wohnzimmer im nö. Maria Enzersdorf und schmökert im Reiseführer. Die 58-Jährige freut sich: „Ich wollte immer schon mal nach Neuseeland.“

In Wellington erwartet sie eine Aufgabe, die ihr nicht fremd ist: „Ich werde im Haus einer Familie mit drei kleinen Kindern zwei Monate lang als Au-pair-Granny arbeiten.“

Für Junggebliebene: Au-pair mit 58

Au-pair das halbe Leben

Möglich macht das zum einen der Beginn der Freizeitphase ihrer Altersteilzeit: „Solange meine drei Kinder noch keine Kinder haben, will ich dieses Zeitfenster gut nützen.“ Und zum anderen die in Hamburg sitzende Agentur „Granny-Au-pair“ (siehe Artikel rechts).

Die Agentur vermittelt (ausschließlich) Frauen im fortgeschrittenen Alter – die ihre Lebenserfahrung bei der Betreuung von Kindern in die Waagschale werfen möchten.

Für Junggebliebene: Au-pair mit 58

Heli Kontu hat davon eine ganze Menge. Die Frau aus dem Süden Finnlands, in der Nähe von Lahti, erinnert sich: „Nach der Matura habe ich selbst als Au-pair gearbeitet, bei einer Wiener Familie im achten Bezirk.“ Eigentlich wollte sie in der Josefstadt ihr Deutsch perfektionieren und dann Sprachen studieren. Aber da lernte sie einen Mann in Wien kennen: „Später der Vater meiner Kinder.“

Damit sie einen Fulltime-Job ausüben konnte und die Kinder Finnisch lernten, bot die in einem Hotel und dann in einem Büro Angestellte sechs Jahre lang Au-pairs aus ihrer ersten Heimat Arbeit bei ihr zu Hause. Sie kennt somit das Geben und Nehmen in diesem Metier von der einen und von der anderen Seite.

„Mit der Family drüben in Wellington hatte ich schon zwei Video-Calls und eine eigene Whatsapp-Gruppe“, erzählt die Granny in spe. „Das scheinen nette Leute zu sein. Der Vater stammt aus England, die Mutter ist Neuseeländerin. Die drei Kids sind sieben, fünf und vier.“

Einen netten Hund hat die Familie auch, was die Tierliebhaberin besonders freut. Das Haus mit Garten ist eine halbe Stunde vom Zentrum Wellingtons entfernt, wenige Gehminuten vom Strand, was in Anbetracht des neuseeländischen Spätsommers eine Erwähnung wert ist.

Für Junggebliebene: Au-pair mit 58

Heli Kontu, Zeitzeugin einer rasanten technischen Entwicklung, schmunzelt. Sie erzählt von ihrer Bewerbung als Au-pair mit 19: „Damals musste ich einen Fragebogen ausfüllen und ein Foto von mir beilegen.“ Ihr Angebot ging dann vom finnischen Arbeitsamt per Post an die Ökista in Wien. Dort konnten interessierte Familien eine Auswahl treffen.

Kein Video-Call, keine sozialen Medien, dennoch haben sich damals die Menschen getroffen: „Ich erinnere mich, dass bei uns in Finnland ein paar Wochen später das Telefon geläutet hat. Ein Anruf aus Wien.“ Die Hälfte habe sie in der Aufregung nicht verstanden. Dann Ankunft auf dem Flughafen in Schwechat: „Ich habe mich auf eine Bank gesetzt und einen Zettel mit meinem Namen auf den Koffer gepickt. Ich selbst wusste nicht, wie die Familie aussieht. Irgendwie sind wir dann aber doch zusammengekommen.“

Lernen in Wellington

Das Angebot, mit 58 noch mal als Au-pair zu arbeiten, ist für sie perfekt: „Ich möchte das jetzt nützen, solange ich noch kann. Ich bin immer schon gerne gereist und bin auch an fremden Ländern sehr interessiert.“ Ihre Kinder hätten sie auch ermutigt: „Sie sagen, dass das passt, weil ich gut mit Kindern kann.“

Und wer weiß, vielleicht lernt sie ja als Wellingtoner Granny etwas, was ihr später als Großmutter in Maria Enzersdorf noch gute Dienste erweisen wird: „Auf die Betreuung der Kinder freue ich mich jedenfalls schon sehr.“

Nach der Arbeit kommt aber zuerst ein Urlaub: „Eine Reise durch Neuseeland und anschließend auch noch ein paar Tage in Australien.“

Egal wie ihr Trip nach Übersee ausgeht: Frau Kontu hat definitiv keinen Schock am Beginn der Pension erlitten. Sie hatte gerne für einen finnischen Papierkonzern mit Büro in Wien gearbeitet, aber sie hat noch als Angestellte nicht darauf vergessen, auf sich selbst zu schauen.

US-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-OPERA-BENEFIT

Auf ihrer Wunschliste ganz oben stehen: „Ein Mal in die Metropolitan Opera in New York gehen, und ein Mal noch Polarlichter bei uns im hohen Norden mit eigenen Augen sehen. So wie meine Mutter möchte ich auch noch malen und weiterhin unsere skandinavischen Spezialitäten auf den Tisch zaubern.“

Möglich ist auch, dass sie sich noch einmal als Au-pair bewirbt: „Ich würde gerne mein Spanisch verbessern.“ Nicht ihre einzige Option: „Ich gehe davon aus, dass die Familie, zu der ich jetzt fliege, mit mir zufrieden sein wird.“

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Die Gründerin der Agentur „Granny-Au-pair“ darf für sich in Anspruch nehmen, dass sie weltweit die Erste war, die dieses Angebot geschaffen hat. Dabei wollte die Hamburgerin Michaela Hansen nachholen, was ihr nach dem Abschluss der Schule versagt blieb: „Ich wollte unbedingt als Au-pair arbeiten, doch ich habe sehr früh geheiratet und eigene Kinder bekommen.“

Bis zum heutigen Tag war Hansen noch immer nicht Au-pair. Aus nachvollziehbarem Grund: „Als ich die Agentur im Jahr 2010 gegründet habe, ging alles ganz schnell.“ Sie hatte mit ihrem neuen Angebot einen Nerv der Zeit getroffen: „Es gab von Anfang an so viele Bewerbungen und dazu auch viele Anfragen von Familien.“ 

Gut 5.000 „Granny-Au-pairs“ will sie schon vermittelt haben. Und langsam wird es Zeit, es auch zu tun. „Immerhin sitze ich an der Quelle“, sagt Michaela Hansen.

Mehr Infos hier.

 

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