Rittergeschichten
Bereits im Alter von neun Jahren stellte der Niederösterreicher sein erstes Messer im Garten der Eltern her – über einem offenen, selbst entfachten Feuer: „Ich besitze es noch, aber herzeigen möchte ich es lieber nicht. Wie das ausschaut ...“, der Schmied schlägt sich die Hände vor sein Gesicht. Die Faszination für Rittergeschichten, altes Handwerk, die Arbeit mit dem Feuer sowie „etwas Sinnvolles“ herzustellen, ließ ihn nie an der ungewöhnlichen Berufswahl zweifeln. „In meiner Kindheit waren wir oft campen und auf Hütten – jene Messer, wie ich sie mir gewünscht habe, gab es nicht.“
Vor sieben Jahren eröffnete der gelernte Maschinenbauer seine Werkstatt „Lilienstahl“ in einer ehemaligen Eisengießerei in Ernstbrunn (NÖ): „Bei der Arbeit mit Feuer muss man voll dabei sein – es ist eine ruhige Arbeit, ich kann mich während des Schmiedens gut konzentrieren“, erzählt Stockinger im Gespräch mit dem KURIER. „Von manchen Messern kann ich mich leichter trennen als von anderen. Generell mache ich die Messer nicht für mich – ich behalte mir nur jene, die Fehler haben und verwende sie zu Hause.“
Damastmesser
Derzeit feilt der Messerschmied an Prototypen für ein Gemüsemesser, das sich auch ein Hobbykoch leisten können soll. Denn die Preise für seine Damastmesser liegen zwischen 1.000 und 2.200 Euro das Stück – und sind für Profis gedacht. „Die Kosten erklären sich durch die aufwendige Produktion und die Lebensdauer der Handwerkskunst. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Markenmesser bleiben meine Messer zehnmal so lange scharf.“
Haubenköche wie Heinz Reitbauer vom „Steirereck“, Thomas Dorfer vom „Landhaus Bacher“ oder Josef Floh von der „Gastwirtschaft Floh“ gehören zu seinen prominenten Kunden. Für die begehrten Küchenmesser aus Damaszenerstahl verschweißt der Messerschmied-Meister 40 Schichten diverser Stahlsorten zu einem Stück. Auf diese Weise entstehen handgeschmiedete Messer aus regionalen Materialien.
Knetmasse
Der Unterschied zu einfachen Lagenmessern liegt nicht nur in der Anzahl der Schichten: „Bei einem Damastmesser spielt man sich mit unterschiedlichen Stahlsorten, damit ein besonders belastbares Messer mit einem dekorativen Muster entsteht. Das Ausgangsmaterial ist bei beiden Messerarten geschmiedeter und gewalzter Messerstahl – mehrere Stücke werden zu einem Paket gelegt und wie Knetmasse in der Hitze in die Länge gezogen. Dieses Paket wird dann immer wieder gestückelt, gefaltet und geschmiedet. Am Ende werden aus den 40 Schichten rund 280 bis 300 Lagen.“
Mit konzentriertem Blick und eiligen Schritten holt der Schmied nach einigen Minuten den 1.300 Grad heißen Stahl aus dem Ofen, um ihn unter einem riesigen Lufthammer flach zu klopfen. Jetzt verschmelzen die einzelnen Stahlschichten miteinander. Gehärtet werden die Messer in einem Ölbad.
Mooreiche
Um das Reliefmuster der Damastmesser sichtbar zu machen, wird das Messer in Säurebäder getaucht. Es sind unendlich viele Arbeitsschritte – am Ende des Tages ist das Messer geschmiedet, doch es fehlt die Feinarbeit wie das Bearbeiten des Holzgriffes.
Mindestens genauso viel Leidenschaft wie in die Metallverarbeitung steckt Stockinger in das Schnitzen der Holzgriffe. Seine liebsten Holzsorten sind das ölige Olivenholz und die leicht modrig riechende Mooreiche. „Mittlerweile sind die Preise für Mooreiche in die Höhe geschnellt. Ich liebe den Gedanken, dass der Baum vor mehr als 1.500 Jahren in einen Fluss gefallen ist und das Holz mit der Zeit die schwarze Farbe des Moors angenommen hat.“
Für die Pflege von Messern nennt der Profi zwei Tipps: „Damastmesser müssen trocken gelagert werden, damit die Klinge rostfrei bleibt. Rostfreie Messer würde ich nicht in den Geschirrspüler geben, weil das Wasser die Klinge rund wäscht.“
Kommentare