Britney Spears, Beckhams, Harry: Wann man beichten oder schweigen soll
Schonungslos berichtet Pop-Ikone Britney Spears in ihrer aktuellen Autobiografie über eine Abtreibung sowie Wochenbettdepression. Kurz zuvor brachen Victoria und David Beckham ihr Schweigen und sprachen erstmals in ihrer Netflix-Dokumentation über die Affäre des Familienvaters. Und Anfang des Jahres gestand Prinz Harry, dass er sich an seine Mutter kaum erinnern könne und wie er sich mithilfe einer Trauma-Therapie seinen Dämonen gestellt habe.
Öffentliche Lebensbeichten Prominenter können durchaus positive Auswirkungen haben, glaubt die Wiener Psychologin Agathe Magdalena Schwarzinger: "Es ist möglich, dass Betroffene Mut fassen, weil jemand anderer die Courage zeigt, darüber zu reden. Ich als Psychologin rate zu Geständnissen, wenn Betroffene wirklich bereit sind, etwas zu verändern und an sich zu arbeiten. Es sollte nicht nur darum gehen, sein Gewissen zu erleichtern."
Wenn es nur darum gehe, das Geheimnis zu offenbaren, den anderen zu belasten und zu denken, dass man sich danach um nichts mehr kümmern müsse, sei das "egoistisch".
Einander vergeben
Wann sollte man schweigen? Schwarzinger, die Familien in Krisen unterstützt, rät: "Es ist wichtig, sich in den anderen hineinzuversetzen und sich zu fragen, was man zumuten kann." Man darf die Wahrheit in Portionen darlegen, aber: "Wenn man lügt, entsteht ein Vertrauensbruch."
Erst wenn der Betroffene die Verantwortung für sein Handeln übernimmt, kann man das Geständnis in etwas Konstruktives verwandeln. Viele haben die Vorstellung, dass das Gegenüber sofort verzeihen kann: "Man muss jedoch Raum und Zeit geben." Der Geständige muss abwarten, was der Prozess in der anderen Person auslöst. "Durch gegenseitige Vergebung können alle Beteiligten daran wachsen."
Hinter manchem Geheimnis verbergen sich traumatische Erlebnisse: Manche Leidtragende wenden ihre Anpassungsfähigkeiten intuitiv an, andere brauchen Unterstützung, so die Expertin. Letztlich hängt es von der Resilienz ab, wie mit einem Trauma umgegangen wird.
Schwarzinger, die gute Erfahrung mit Maltherapie macht: "Meine Aufgabe ist herauszufinden, was am meisten stabilisiert sowie Kraft gibt. Es gibt Menschen, denen es hilft, ihre Geschichte zu erzählen. Und es gibt jene, für die ist das Wiederholen eine Retraumatisierung. Andere brauchen etwas über die Körperebene, andere unterstützt psychologische Hilfe, Spiritualität oder Glaube."
KURIER: Können Geständnisse wie von einem prominenten Ehepaar wie die Beckhams, dass auch sie mit Affären zu kämpfen haben, positive Auswirkungen haben?
Agathe Magdalena Schwarzinger: Es ist möglich, dass Betroffene Mut fassen, weil jemand anderer die Courage zeigt, darüber zu reden. Ich als Psychologin rate zu Geständnissen, wenn Betroffene wirklich bereit sind, etwas zu verändern und an sich zu arbeiten. Es sollte nicht nur darum gehen, sein Gewissen zu erleichtern. Die Frage ist, welche Motivation dahintersteckt. Wenn es nur darum geht, das Geheimnis los zu sein, den anderen zu belasten und zu denken, dass ich mich dann um nichts mehr kümmern muss, wäre das egoistisch. Wenn ich meinem Partner einen Fehltritt gestehe, ihn vom Herzen um Vergebung bitte, Bereitschaft zeige, mich zu ändern und die Beziehung zu entwickeln, dann gehe ich einen konstruktiven Weg.
Viele glauben ja, dass Lebensbeichten oft erst am Kranken- oder Sterbebett passieren. Aber wie groß ist der Druck für Betroffene tatsächlich, ein Geheimnis ein Leben lang für sich zu behalten?
Wir versuchen schon unseren Kindern mitzugeben, dass es gute und schlechte Geheimnisse gibt. Ist das Geheimnis etwas, das mich belastet und mich weiter in meinen Lebensentscheidungen beeinflusst, dann geht es darum loszulassen. Es ist wichtig, sich in die andere Person hineinzuversetzen und zu fragen, was ich zumuten kann. Ich arbeite sehr viel mit Kindern, da geht es auch immer darum, traumatische Themen weiterzugeben. Man darf die Wahrheit in Portionen bringen. Wenn ein Elternteil Suizid begeht, sollte man nicht sagen, dass das Elternteil auf einer Reise ist. Wenn man lügt, entsteht ein Vertrauensbruch. Man sollte sich immer fragen, in welcher Verfassung mein Gegenüber ist und was es emotional vertragen kann. Das ist sehr unterschiedlich.
Spüren jene, die den Weg des Geständnisses gehen, eine Erleichterung danach?
Im Mittelpunkt steht, was in Zukunft daraus entstehen soll und wie ich mich weiterentwickeln will: Handelt es sich nur um ein Geständnis oder kann ich mir selbst und gegenseitig in diesem Prozess vergeben. Konstruktiv ist es, wenn ich mich selbst frage, ob auch ich etwas dazu beigetragen habe, dass das passiert ist. Erst wenn ich Verantwortung für mein Tun und Handeln übernehme, kann ich das Geständnis in etwas Konstruktives transformieren. Viele haben die Vorstellung, dass das Gegenüber sofort verzeihen kann: Man muss jedoch Raum und Zeit geben. Der Geständige muss abwarten, was der Prozess in der anderen Person auslöst – und auch akzeptieren, wenn die andere Person das nicht so kann, wie er sich das vorstellt. Durch gegenseitige Vergebung können alle Beteiligten daran wachsen.
Bei manchen Geständnissen wie bei Prinz Harry stecken traumatische Erlebnisse dahinter und die Betroffenen haben spezielle Trauma-Therapien gemacht. Für wen sind diese gedacht und wie findet man heraus, welche passt?
Eine Traumatherapie ist immer dann sinnvoll, wenn der Betroffene herausfinden will, wie er seine Erlebnisse in etwas Neues verwandeln kann. Dabei muss jeder individuell schauen, bei welcher Therapie ein gutes Gefühl entsteht, um die Unordnung, die durch das Trauma entstanden ist, zu sortieren. Meine Aufgabe als Psychologin ist herauszufinden, was den Betroffenen am meisten stabilisiert sowie Kraft gibt: Wie die Betroffenen wieder zu ihrem ursprünglichen Potenzial anschließen können. Wir Menschen sind mit unglaublichen Anpassungsfähigkeiten ausgestattet: Manche wenden es intuitiv an, andere brauchen Unterstützung, diese herauszuholen und anzuwenden. Wie wir mit traumatischen Erlebnissen umgehen, hängt von der persönlichen Resilienz, von der persönlichen Widerstandsfähigkeit, ab. Ein prominentes Beispiel ist Viktor Frankl, der aus seinen traumatischen Erlebnissen unglaublich Konstruktives entwickeln konnte. Es gibt Menschen, denen es hilft, ihre Geschichte zu erzählen. Und es gibt Menschen, für die ist das ständige Wiederholen eine Retraumatisierung. Andere brauchen etwas über die Körperebene, andere unterstützt psychologische Hilfe, andere über Spiritualität oder Glauben.
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