Bestattungsberaterin: "Kein Mensch trauert wie der andere"
Nach einem Burn-out einen Job zu finden, der ihr entspricht und sie erfüllt, war ein schwieriger Prozess. Jetzt berät Sabrina Klein Trauernde und plant mit ihnen gemeinsam einen würdigen Abschied.
Eine Frau, die mit sich im Reinen ist: Diesen Eindruck gewinnt, wer Sabrina Klein gegenübersitzt. Wenn sie über sich und ihre Arbeit spricht, lächelt sie oft, auch wenn sie bedrückende Momente beschreibt. Man spürt: Sie mag, was sie tut, sie tut es mit ganzem Herzen.
Die 43-Jährige ist als Kundenberaterin in dem jungen Bestattungs-Start-up Benu täglich mit dem Tod konfrontiert und mit Menschen, deren Verlust noch sehr frisch ist. Wobei sie den Begriff „Kundenberaterin“ nicht mag: „Jene, die zu mir kommen, sind keine Kunden, sondern Angehörige. Ich nenne mich lieber Bestattungsberaterin.“ Ein Job, der sie erfüllt. Das war nicht immer so, erzählt die ehemalige Pressesprecherin eines internationalen Konzerns: „Genau betrachtet habe ich zwei Leben – eines vor meinem Burn-out und eines danach.“
Die Erschöpfungsdepression, an der sie litt, warf existenzielle Fragen auf, allen voran: „Wer bin ich, wenn ich nicht mehr leiste – und verdiente ich dann überhaupt zu sein?“ Eine komplexe Findungsphase begann, unterstützt durch Therapien und eine Zeit der Rehabilitation. „Damals dachte ich, ich kann nichts mehr, bin zu nichts fähig. Doch während der Reha wurde ich mir meiner Traumata gewahr und es wuchs das Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen, in ihren verletzlichen Situationen klarzukommen. Ich wusste nur nicht, wie ich das zu einem Broterwerb machen könnte.“
Facettenreiche Aufgabe
Irgendwann wurde ihr klar, es müsse etwas sein, das mit Trauer zu tun hat. Der Kurs „Lebens-, Trauer- und Sterbebegleitung“ wies den Weg und vertiefte den Wunsch. „Schließlich fragte mich eine fremde Frau in einem Workshop, was ich denn von Bestattung halten würde. Diese Frage hat alles verändert, sie wurde zur Skizze für meine berufliche Zukunft.“
Seit mehr als einem Jahr berät Sabrina nun schon Menschen im Trauerfall und plant mit ihnen gemeinsam den Abschied. Ihre Arbeit ist facettenreich und voller Überraschungen: „Keine Begegnung ist wie die andere, Trauer ist zutiefst individuell. Manche Angehörige brauchen lange Gespräche, um alles zu klären, andere wollen alles so schnell wie möglich erledigt haben.“ Da sei es wichtig, möglichst präzise und verständlich zu informieren, zum Beispiel über die unterschiedlichen Bestattungsformen, die es mittlerweile gibt und von denen nur wenige wissen.
Seit ich diese Arbeit mache, fühle ich mich vertrauter mit den Zyklen des Lebens
von Sabrina Klein, Bestattungsberaterin
Halten – und aushalten
„Dass ich dabei Dinge beim Namen nennen kann, für die ich vorher keinen Namen hatte, habe ich einem Trauerbegleitungskurs zu verdanken.“ Dort lernte sie auch, wie bedeutend es ist, eine klare innere Haltung zu entwickeln, die ihr selbst, aber auch den Menschen, die sie berät, hilft. „Es ist wichtig, angemessen Abstand zu halten, innezuhalten und auszuhalten.“ Nur so ließen sich die emotionalen Herausforderungen meistern, nur so sei eine empathische Begegnung möglich. Ihren Arbeitsplatz versteht sie als „Safe Space“, in dem Menschen ausdrücken können, was sie brauchen. „Sie dürfen hier alles sagen und äußern, auch Dinge, die nicht unbedingt den sozialen Normen entsprechen. „Zu mir kam einmal ein Sohn, dessen Mutter gestorben ist. Er hatte keine Kraft mehr für eine klassische Abschiedszeremonie, das war sehr deutlich. Der Druck von außen war allerdings groß. Ich versuchte, einen passenden Weg und eine Lösung für die schwierige Situation zu finden – in dem Fall eine anonyme Donaubestattung. Es war sein Wunsch, so wenig wie möglich damit zu tun zu haben, er hatte als trauernder Hinterbliebener ein Recht darauf, seinen Weg zu gehen. Diese Form des Abschieds war würdig und passend.“
Selbst mit kuriosen Wünschen hat Klein kein Problem, im Gegenteil: „Es kann schön und befreiend sein, möglichst alle Vorstellungen zu berücksichtigen und zu ermöglichen.“ Als Beispiel nennt sie die Verabschiedung eines verstorbenen Künstlers, dessen letzter Wunsch es war, nochmals geschminkt zu werden, während es mehrere Male das gleiche Musikstück spielte. „Und als der Sarg aus der Aufbahrungshalle herausgetragen wurde, wollte er Applaus. So geschah es“, erzählt Klein.
„Kein Mensch trauert wie der andere, es ist wichtig, anzunehmen, was da ist und was kommt.“ Eine Herausforderung, der sich Sabrina Klein täglich stellen muss. Dabei hilft ihr das „Kaleidoskop der Trauer“, entwickelt von Chris Paul, einer deutschen Trauerbegleiterin und Buchautorin (siehe li.). Sechs Facetten sind es, die mit dem Beginn eines Trauerprozesses gleichzeitig präsent sind, und sich immer wieder neu mischen: vom Überleben bis zum Einordnen des Geschehenen. „Zu erkennen, mit welcher Facette Hinterbliebene zu mir kommen, hilft mir, schnellstmöglich empathisch zu agieren und im Hier und Jetzt zu erkennen, was nötig ist. Ich merke sehr rasch, worum es gerade geht – um Verbundenheit oder um das pure Überleben, zum Beispiel.“ So erzählt sie von jenem Mann, der unbedingt die Innenmaße des Sarges und die Größe der Blumenbuketts wissen wollte, „um in einem Gefühl der Ohnmacht wieder die Kontrolle zu gewinnen.“
Der Tod, ein Mysterium
Ob sie die alltägliche Konfrontation mit Tod und Trauer persönlich verändert hat? Klein zögert, schaut in den Himmel und lächelt erneut. „Ich habe selbst schon mir wichtige Menschen verloren, bin mit jedem von ihnen verbunden, und gleichzeitig im Hier und Jetzt. Trotzdem ist der Tod für mich ein Mysterium. Ich weiß nicht, was danach passiert, das weiß keiner. Aber seit ich diese Arbeit mache, fühle ich mich vertrauter mit den Zyklen des Lebens. Im Gewahrsein, dass wir alle sterben müssen, unabhängig von den sozialen Rollen, in denen wir stecken. Das macht Menschen menschlicher, nackter.“
Womit sie wenig anfangen kann, ist das Carpe-diem-Prinzip, wonach wir im Angesicht des Todes das Maximum aus dem Hier und Jetzt herausholen sollten. „Dieses Muss an bewusster Lebensführung ist mir zu sehr Appell. Vielmehr geht es mir darum, was uns alle gemeinsam ausmacht – im Sinne von Menschwerdung. Wir alle sitzen diesbezüglich in einem Boot und das ist, was uns verbindet.“
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