Alles Clara: Jetzt chatten die Pfleger
Hilfe! Der diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger Manfred Dvorak leistet sie mit großer Leidenschaft. Seit 26 Jahren – persönlich präsent – in Pflege-Einrichtungen Wiens. Seit bald einem Jahr auch als einer von 26 Online-Beratern im Rahmen eines innovativen Projekts, das Alles Clara genannt wird.
Schon mehrfach konnte Dvorak pflegende Angehörige dank seiner Berufserfahrung vor drohenden Burn-outs bewahren. Den Partnern von Demenzkranken ebenso wie den Kindern von akut Bedürftigen.
Ins Leben gerufen wurde Alles Clara im zweiten Corona-Lockdown, im Sommer 2020, als in Österreich (zu Recht) intensiv über den immer deutlicher erkennbaren Notstand in der professionellen Pflege diskutiert und berichtet wurde, während zeitgleich die Hilferufe der pflegenden Angehörigen im lautstarken Panikorchester kaum gehört wurden.
Aus der Not eine Tugend gemacht
Zunächst völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit begann man bei den Hilfsorganisationen und auch in der ERSTE Stiftung (größter Aktionär der Erste Bank) Rettungsanker für in soziale Not Geratene auszuwerfen.
Binnen weniger Monate wurde mit Alles Clara ein neues auf Anhieb praktikables Angebot geschaffen, wie Projektleiterin Nicole Traxler die Idee der Plattform gut auf den Punkt bringt: „Wir verbinden pflegende Angehörige niederschwellig mit professionellen Pflegekräften.“
Manfred Dvorak chattet heute mit einer älteren Dame, die sich schon seit geraumer Zeit rund um die Uhr um ihren demenzkranken Mann kümmert und dabei an sich selbst merkt, wie ihre Kräfte mehr und mehr schwinden.
Drei Mal pro Woche, jeweils für vier Stunden, arbeitet der sorgsame Vater von drei Kindern (30, 12 und 8 Jahre alt) im Homeoffice für Alles Clara. „Das Projekt hilft auch mir“, gibt der Profi-Pfleger gerne zu.
Bequem, vom Schreibtisch zu Hause kann er Wissen mit anderen Menschen teilen. Und ja, dass diese Form von Arbeit auch finanziell abgegolten wird, freut nicht nur das Konto, sondern auch das Gemüt des mit 30 Stunden teilzeitangestellten Mitarbeiters in einem Pflegewohnhaus der Stadt Wien. „Zwar wurde uns in der Pandemie lautstark von den Balkonen applaudiert, dennoch ist die Wertschätzung für unsere Arbeit, vor allem die finanzielle, weiterhin sehr überschaubar.“
In der Online-Beratung können Profi-Pfleger auch zwischendurch arbeiten und dabei Luft holen. Denn wer heute Vollzeit im Dienstrad arbeitet, kommt auf bis zu 60 Nachtdienste pro Jahr und selbst bei bester Gesundheit und Liebe für den Pflegeberuf in einen chronischen Erschöpfungszustand.
Und wenn es ihnen dann auch noch gelingt, die Widerstandskraft der pflegenden Angehörigen zu stärken, stärken sie damit automatisch auch das Gesundheitssystem: Noch immer werden vier von fünf Pflegebedürftigen in Österreich (das sind laut aktueller Studie rund 800.000 Menschen insgesamt) zu Hause, von ihren Angehörigen betreut, so gut dies eben möglich ist. Müsste nur ein Bruchteil der im privaten Bereich Gepflegten von den jetzt schon heillos überforderten Profis betreut werden, würde das System eher heute als morgen kippen.
Einladung: Projektleiterin Nicole Traxler und Online-Berater Manfred Dvorak werden im Co-Working-Space der Erste Stiftung beim Belvedere über ihre Arbeit und ihr konkretes Angebot berichten.
Wann? Wo? Donnerstag, 23. 3. 2023, ab 18.30 Uhr, 1100 Wien, Am Belvedere 1. Eintritt ist frei, eine Anmeldung aber erforderlich, gerne gleich hier (maximal 60 Personen können teilnehmen).
Chatten statt Checken
Schön an diesem neuen digitalen Angebot ist auch, dass alle großen Hilfsorganisationen des Landes mit an Bord sind und dafür bei ihren Mitarbeitern aktiv werben. Zudem gelang es, zwölf Unternehmen mit insgesamt 75.000 Mitarbeitern als Projektpartner zu gewinnen. Nur sie können sich derzeit im Chat beraten lassen.
„Unser erklärtes Ziel ist es selbstverständlich, diese Plattform allen Angehörigen in Österreich zur Verfügung zu stellen“, betont Projektleiterin Nicole Traxler. Doch das sei erst möglich, wenn die öffentliche Hand die Kosten für Ausbildung und Beratung übernimmt. Die Pilotphase wird bereits vom Sozialministerium gefördert. Mit den Landesregierungen werden derzeit erste konkrete Gespräche geführt.
Stichwort Ausbildung: Einem wie Manfred Dvorak muss man in Sachen Pflege nicht viel erklären. Der bald 53-Jährige war jedoch froh, dass er von seinen jüngeren Kolleginnen im Projekt digital fit für die Online-Beratung gemacht wurde. Chatten statt Checken, das war für einen, der seine Stärken an sich im direkten Gespräch weiß, zunächst neu, und inzwischen „gut vertraut“.
Was den Pfleger besonders freut: „Dass sich die Ehefrau des demenzkranken Mannes am Ende unseres längeren Chats sehr wertschätzend bei mir bedankt hat.“
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