Besonders für Jugendliche wurde Simsen bald wichtiger als Telefonieren. Heute wird ihnen eine Telefonphobie diagnostiziert – obwohl die Jungen vor noch nicht allzulanger Zeit den Ruf genossen, am liebsten stundenlang das Festnetz zu blockieren, wie sich Rosemarie Nowak, Lehrgangsleiterin am Departement für Wissens- und Kommunikationsmanagement der Donau-Universität Krems, erinnert. „Die Generation Z hatte nicht die Möglichkeit, sich das Telefonieren zu krallen, weil das schon von früheren Generationen besetzt war. Durch die Digitalisierung haben sie eine andere Art zu kommunizieren erobert“ – und bei Älteren dafür durchaus Unverständnis geerntet: „Ich kenne keine Person über 40, die sich nicht schon mal über das Kommunikationsverhalten der Jungen aufgeregt hat“, schmunzelt sie.
Dass Texten heute einen viel höheren Stellenwert hat, bestätigt Christina Peter vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt: „Messengerdienste gehören heute in allen Altersgruppen zu den meist genutzten sozialen Medien, weit vor Instagram & Co.“
In Zeiten von teuren SMS waren Nachrichten kurz und anlassbezogen, längere Dialoge hat man per Telefon geführt. „Da waren zu Weihnachten fünf Nachrichten an die engsten Freunde drin, an längeres Hin- und Her-Schreiben war fast gar nicht zu denken.“ Heute läuft Chatten nebenbei, „ich kann gleichzeitig fernsehen oder im Wartezimmer beim Arzt sitzen, ohne andere Leute zu stören – und antworten, wenn es mir gerade passt.“
Ob es sich irgendwann „ausgechattet“ haben wird, wagen beide Expertinnen nicht zu prognostizieren. Jedoch: „Die Kommunikationsmuster werden sich mit den nächsten Generationen ändern“, so Nowak. Sprachbedienung etwa werde eine immer größere Rolle spielen: „Die Suche im Internet via Sprache steigt momentan schon exponentiell an und Spracherkennungsprogramme werden immer besser.“ Um sich das mühsame Tippen zu ersparen, entwickelte sich auch in Messengerdiensten der Trend zu Sprachnachrichten, fügt Peter hinzu. „Wo man auch eine starke Veränderung gesehen hat, war die Corona-Krise – wenn Sozialkontakte wegfallen, macht tippen allein zu einsam, da sind die Leute dann stark auf Telefonieren und Videochats ausgewichen.“
„Die SMS hat den Grundstein für schnelle Kommunikation und verschiedene Messengerdienste gelegt“, fasst Nowak zusammen. Seit 2013 ist die SMS-Nutzung aber stark rückläufig. 2017 standen 2,3 Milliarden SMS etwa 100 Milliarden Nachrichten, die in Österreich über Online-Messengerdienste versendet wurden, gegenüber. Peter: „Whatsapp kam zur richtigen Zeit mit der richtigen Funktion. Der zuvor oft genutzte Facebook-Messenger war nicht so Smartphone-optimiert, auch für andere Chatprogramm musste man sich eigentlich vor den Rechner setzen.“
Ausgedient hat die SMS dennoch nicht. „Im Zivilschutz oder wenn Sie über die Grenze fahren und vom Mobilfunkanbieter eine Nachricht bekommen, dann passiert das via SMS“, so Nowak. Wenn es schnell gehen muss und viele Menschen erreichen soll, bleibe SMS „das Tool der Wahl“. Auch heute werden jährlich noch immer etwa 1,5 Milliarden klassische SMS verschickt. In den kommenden Wochen darunter wohl auch das ein oder andere „Merry Christmas“ – diesmal aber mit Satzzeichen und Emoji.
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