"Fußball ist die Schule des Friedens"

"Fußball ist die Schule des Friedens"
Österreichs oberste Ordensfrau Beatrix Mayrhofer ist Fußball-Fan. Ein Experten-Talk.

Mit 24 entschloss sie sich für ein Leben im Kloster – nur eine Leidenschaft existiert bei der Gottesfrau Schwester Beatrix Mayrhofer (68) schon länger als ihre Liebe zu Jesu. Es ist die Faszination für das runde Leder. Während der Fußball-WM fiebert Österreichs oberste Klosterschwester – sie wurde im Vorjahr zur Präsidentin der österreichischen Frauenorden gewählt – für Messi & Co. "Fußball ist ein wunderschönes Spiel und ein Sport der Armen. Aber er hat leider viele Schattenseiten", sagt Schwester Beatrix. Welche das sind, und warum ein Match an eine Liturgie erinnert, erzählt die Gottesfrau im Interview.

KURIER: Schwester Beatrix, Sie sind eine fußballverliebte Klosterschwester. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Kombination?

"Fußball ist die Schule des Friedens"
Schwester Beatrix Mayrhofer:Ich bin ein Messnerkind. Mein Vater war in der Kirche angestellt mit einem entsprechend niedrigen Gehalt. Teure Spielsachen gab es bei uns nicht. Einen Fußball kann man sich immer selber basteln. Es gab einen Pfarrplatz und hier spielte ich mit den Buben Fußball. Für mich ist Fußball ein Sport der Armen. Aber wenn man über Fußball spricht, muss man ebenso die andere Seite sehen. Es ist ein Millionengeschäft, wo auch Menschenhandel betrieben wird.

Wie schaut Fußball in seiner schönsten Form für Sie aus?

Fußball verlangt eine ungeheure Kombination von Schnelligkeit, Fertigkeit und Teamgeist. Fußball in der guten Form erlaubt keinen Egoismus. Auch Papst Franziskus ist ein begeisterter Fußballfan und seinen Botschaften möchte ich mich anschließen: Fußball ist die Schule des Friedens. Aus dem Fußball kann man drei Lektionen für die Friedenssuche lernen. Die Notwendigkeit des Trainings, das Fair Play und den Respekt unter den Gegnern. Auch im realen Leben braucht es zur Verbesserung eines Menschen viel Training und Einsatz, um in den Tugenden zu wachsen. Und niemand gewinnt alleine – weder am Fußballplatz noch im Leben! Wenn wir in der Gesellschaft Einzelgänger sind, dann leidet die gesamte Gesellschaft darunter.

Besuchen Sie auch heute noch Matches?

Ich leiste mir nicht das Geld für ein Ticket. Aber hin und wieder haben mich früher Kolleginnen aus der Schule eingeladen. Obwohl ein Live-Match schon ein echtes Erlebnis ist, das mich an eine Liturgie erinnert.

Wie kann man ein Match mit einer Liturgie vergleichen?

Das Frage-Antwort-Spiel zwischen Publikum und Stadionsprecher, das Abstimmen der Farben nach Fansektoren, die Welle. Das sind alles Elemente, die auch die katholische Kirche in der Liturgie aufgreift.

Wie stehen Sie zu dem Satz "Fußball ist eine Religion"?

Religion ist eine Fülle von Inhalten und Ausdrucksformen, die sich auf einen höheren Sinn beziehen. Wenn Fußball der höchste Sinn des Lebens ist, dann hätte ich große Sorge. In diesem Sinn möchte ich Religion nicht verstanden haben. Und Christentum ist für mich keine Religion, sondern ein Glaube an Jesus Christus. Es ist gefährlich zu sagen, Fußball ist meine Religion, wenn es den Menschen als Ganzes in Besitz nimmt.

Welche Mannschaft hat Sie bis jetzt bei der WM am meisten begeistert?

Über die Spanier war ich sehr geschockt, denn mein Tipp für das Endspiel war Deutschland gegen Spanien. Trotzdem ist es faszinierend zu sehen, wie das spanische Tiki-Taka gegen die Niederlande überhaupt nicht funktioniert hat und eine Weltmeister-Mannschaft es nicht schafft, sich auf die Taktik des Gegners umzustellen. Aber ich vergönne auch den Brasilianern den WM-Titel. Ich glaube, für keine andere Nation wäre es so dramatisch, wenn die Mannschaft verliert, wie für Brasilien.

Welches WM-Tor hat Ihnen bis jetzt am besten gefallen?

Der Flugkopfball von Robin van Persie war schon ein Gustostückerl.

Die FIFA steht wegen der Vergabe der WM nach Katar unter dem Verdacht der Korruption und der Bestechung. Wie sehen Sie als Gottesfrau diese Entwicklung? Hat die Gier auch den Fußball verdorben?

Da gibt es noch mehrere negative Seiten. Aber das sind natürlich alles skandalöse Zustände. Ich frage mich, wer kann das Ruder herumreißen? Wer ist hier zur Verantwortung zu ziehen? Ist es die Werbewirtschaft? Sind es die Medien? Sind es die Einnahmen aus der Werbewirtschaft? Sind es die Interessen einzelner Staaten?Wo sind die eigentlichen Gewinner solcher Ereignisse? Das ist eine der Frage, die man ständig stellen muss und wo wir auch die Stimmen erheben müssen. Es geht nicht, dass Menschen auf den Baustellen der WM-Stadien wie Sklaven ausgebeutet werden. Als Frau und Christin muss ich auch erwähnen, dass jedes sportliche Sportereignis zu einem massiven Anstieg der Prostitution führt. Frauen werden bei diesen Events sehr bewusst zur Verfügung gestellt. Ein weiterer negativer Aspekt ist die Sorge um die Kinder. Talentescouts sind in den Armenvierteln unterwegs und holen Kinder und die gesamte Familie aus ihren armen Lebensverhältnissen heraus. Manche kaufen die Kinder auch ab. Aber wenn sich das Kind dann verletzt oder nicht den Erwartungen entspricht, wird es wieder nach Hause geschickt. Die Kinder enden dann als Limonadenverkäufer vor den Stadien, in denen sie gerne gespielt hätten. Das ist für mich Kinderhandel und -arbeit.

Die Demos in Brasilien haben Sie also nicht überrascht...

Gerade die Demonstrationen in einem fußballverrückten Land wie Brasilien zeigen, wie dramatisch die Situation ist. Insofern ist es wieder gut, dass die WM in Brasilien stattfindet, denn niemals würde die Situation der brasilianischen Gesellschaft sonst so im Fokus stehen.

Höchste Schwester Beatrix Mayrhofer (68) hat ihr Leben Jesus Christus und der Schule gewidmet.

Bis 2010 war sie Direktorin im Gymnasium des Schulzentrum der Armen Schulschwestern in der Friesgasse in Wien-Rudolfsheim. An dieser katholischen Privatschule wird vor allem die Integration groß geschrieben. 40 Muttersprachen sprechen die Schüler in den sechs Bildungseinrichtungen des Zentrums. „Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir die Nationen in den Klassen mixen. Dann müssen die Kinder Deutsch sprechen, um sich zu verständigen“, so Schwester Beatrix.

Nach der Pensionierung wurde Schwester Beatrix im Vorjahr zur Präsidentin der österreichischen Frauenorden gewählt.In Österreich gibt es 120 Frauenorden, ihnen gehören rund 4100 Ordensfrauen an.

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