Frauenbild auf Instagram: Zurück in die Fünfzigerjahre?

Likes sind die Währung in der digitalen Scheinwelt. Je stereotyper die Inhalte, desto mehr Zuspruch gibt es dafür
Schminken, Kochen, Schlanksein: Die erfolgreichsten "Influencerinnen" erfüllen ein überholtes Geschlechterklischee.

Anfang des Monats ging ein Ruck durch die heile „Insta-Welt“: Die deutsche Schauspielerin Maria Furtwängler hatte gemeinsam mit ihrer Tochter Elisabeth (26) eine Studie über die Selbstdarstellung von Frauen in den neuen Medien vorgelegt, deren Ergebnisse alarmierend klingen. Weibliche Influencer – so nennt man Personen, die über die sozialen Medien ein großes Publikum erreichen – bewegen sich im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen thematisch auf einem extrem engen Korridor zwischen Mode, Beauty und Kochen, sind schlank, hübsch und langhaarig und orientieren sich auch sonst an einem Fünfzigerjahre-Frauenbild. Je näher am Weibchenschema, desto mehr Follower, mehr Likes und mehr Kooperationen regnet es, Diversität findet bestenfalls in Nischen statt. „Wir stehen vor einer Reihe von Fragen, auf die wir als Feministinnen zunächst keine Antwort haben“, resümierte Elisabeth Furtwängler ratlos.

Verantwortung wahrnehmen

Rosa, Make-up, Luxus: Das Profil von Marie, die sich in den sozialen Medien Marie Curie nennt, entspricht auf den ersten Blick exakt dem Klischee. 250.000 Abonnenten sehen ihre perfekt inszenierten Instagram-Fotos und Schmink-Videos auf YouTube. Die Kritik, die auf Beauty-Influencer wie sie einprasselt, kann sie nicht nachvollziehen: „Manche Themen funktionieren eben besser als andere. Es ist ein Business, das darf man nicht vergessen. Es gibt genug Mädchen, die sich nicht für Make-up interessieren, die sind dann aber vielleicht nicht auf Instagram aktiv.“

Die Studie zeigt auch, dass die (großteils jugendliche) Gefolgschaft den Trendsettern aus dem Netz immer mehr nacheifert: Mädchen, die bestimmten Influencerinnen folgen, bearbeiten ihre Fotos stärker und haben einen höheren Druck, schlank zu sein. Wie gehen die neuen Vorbilder mit dieser Verantwortung um? „Ich zeige Vorher-Nachher-Fotos und versuche meinen Followern zu vermitteln, dass ich die Farben auf meinen Bildern verändere oder meine Haut weichzeichne. Ich denke, die Meisten wissen mittlerweile, dass Instagram eine verschönerte Darstellung der Realität ist“, sagt Marie.

Von ihren weiblichen Fans bekommt sie häufig bewundernde Nachrichten. „Ich schaue mir dann ihre Fotos an und sage ihnen, dass sie selbst schön sind und mir nicht nacheifern müssen. Vergleich gibt es auch ohne Social Media und hat es immer gegeben. Da reicht es, wenn ein hübsches Mädchen neben mir in der U-Bahn sitzt.“

Likes für Echtheit

Die Wienerin Leonie-Rachel Soyel bloggt seit 14 Jahren, seit vier Jahren kann sie von ihrer Leidenschaft leben. Ihr Instagram-Profil wirkt weniger rosa, weniger mädchenhaft als jenes von Marie Curie – dennoch, sagt sie, fühlte sie sich „ertappt“, als sie von den Studienergebnissen gelesen hat. „Ich glaube, dass wir Frauen uns generell viel über unser Aussehen definieren. Deshalb fördere ich in meinem Blog bewusst auch andere Inhalte. Ich möchte meine Follower animieren, ins Museum zu gehen oder mehr zu lesen.“

Man dürfe nicht vergessen, dass es sich bei Instagram um eine Scheinwelt handelt. „Klar, Instagram zeigt  hauptsächlich hübsche, schlanke Blondinen, die viel Zeit für Sport und perfekte Avocadobrote haben. Das ist aber nur ein Mini-Ausschnitt aus deren Leben. Ich zeige bewusst auch meinen Herzschmerz, dass man Depressionen haben kann. Das Leben ist nicht Schwarz Weiß.“ Ihre Leserinnen goutieren „echte“ Inhalte – aber nur, wenn diese als Botschaft kommuniziert werden. „Ich poste oft Fotos ohne Make-up oder von einem Bad-Hair-Day. Ich bin mir sicher, dass sie weniger Likes hätten, wenn ich das nicht dazuschreiben würde.“ Wer sich durch Instagram wischt, erwartet nun mal schöne Bilder, sagt Marie Curie. „Ich würde nie ein schirches Foto von mir posten. Instagram ist eine rein oberflächliche Welt, in der es um Fotos geht, um den ersten Blick. Ein Foto zeigt aber nicht meine Persönlichkeit.“

Die Hauptverantwortung sehen beide Bloggerinnen – so wie auch Maria Furtwängler – bei den Schulen und der Erziehung.  Kinder sollten früh Medienkompetenz erlernen und von ihren Eltern gestärkt werden, dass Aussehen nicht das Wichtigste ist. „Ich glaube, dass unsere Gesellschaft aus dem Ruder gelaufen ist, nicht Instagram“, sagt Leonie-Rachel. „Die sozialen Medien sind nur ein Spiegel unserer Gesellschaft.“

Alles, nur nicht perfekt: Instagram-Accounts, die dem Klischee widersprechen

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