Frauen erobern die Gipfel - aber anders

Frauen erobern die Gipfel - aber anders
Längst ist Bergsteigen keine Männerdomäne mehr. Frauen machen den Weg zum Ziel und bleiben dabei gerne unter sich.

Ihre ersten Wanderungen absolvierten Kathrina und Julika Rieger im Tragetuch, um den Rücken von Vater und Mutter geschnallt. Danach erklommen sie die Gipfel im Buggy. Seit die Schwestern gehen können, sind sie sowieso regelmäßig in den Bergen unterwegs, haben sogar eine Bergwanderausbildung absolviert. Diesen Sommer hat Kathrina, 28, auf einer Alm verbracht, Kühe gemolken und Käse gemacht. "Berge geben so viel Besonderes", sagt die Bauingenieurin. "Beim Wandern muss man mit der vorhandenen Situation klarkommen, weil man sie ohnehin nicht ändern kann. Man muss lernen, damit umzugehen und zu überlegen, wie man am besten ans Ziel kommt – gemeinsam. Daraus kann jeder viel für Alltagssituationen mitnehmen."

Frauen erobern die Gipfel - aber anders
Kathrina Rieger
Frauen erobern die Gipfel - aber anders
Wandern Yoga

Vor zwei Jahren beschlossen die Schwestern, ihre zwei großen Leidenschaften zu kombinieren: Wandern und Yoga. Zwei bis drei Mal pro Jahr verbringen sie mit einer Gruppe ein paar Tage in den Bergen, starten den Tag mit einer Yoga-Einheit, gehen anschließend wandern und beschließen den Tag mit weiteren Yoga-Übungen, Meditation oder einem Lagerfeuer.

"Die Routen wählen wir so, dass wir an einem besonders schönen Platz vorbeikommen, an dem man Yoga praktizieren kann", erzählt Kathrina. "Bei unserem letzten Retreat waren wir auf dem Dachsteinplateau. Von den Eisseen hatten wir einen tollen Blick auf den Gletscher. Es ist immer wieder beeindruckend, wie schön die Natur in den Bergen ist und wie viel man entdeckt – etwa, wie sich Gesteinsmassen bewegt haben. Das ist ein Stück Geschichte", schwärmt die Hobby-Geologin.

Tendenz steigend

Kahrina und Julika stehen für eine junge, urbane Frauengeneration, die die Berge für sich entdeckt haben – als Ausgleich zum stressigen Alltag in der Großstadt, zum Raufgehen und Runterkommen. Immer mehr Frauen bleiben beim Wandern gerne unter sich und schließen sich einer Frauenwandergruppe an – das Angebot reicht von Berg-Yoga bis Wandern mit Hund (siehe unten).

"Der Trend ist ganz eindeutig", berichtet Michael Larcher, Leiter der Bergsport-Abteilung beim österreichischen Alpenverein. Zwar sind immer noch 52 Prozent der 520.000 Mitglieder männlich. "Doch der Anteil der Frauen bei den aktiven Mitgliedern steigt seit 20 Jahren kontinuierlich an."

Und es zeige sich: Je jünger die Bergsteiger, desto höher der Frauenanteil. "Die Kletterhallen sind voll mit Frauen", sagt der Bergführer. "Beim Bergwandern ist das Geschlechterverhältnis in etwa ausgeglichen. Nur der Hochtourenbereich ist nach wie vor eine Männer-Domäne – zwei von zehn Personen sind weiblich", sagt Larcher.

Ähnliches gilt für jene, die eine Ausbildung zum Bergführer absolvieren: "Da hat es in den vergangenen 25 Jahren de facto keine Entwicklung gegeben. Auf 30 Männer kommt im Schnitt eine Frau."

Wandern Frauen anders als Männer? Ja, meint Larcher, der seit 35 Jahren als Berg- und Skiführer tätig ist – vor allem in Risikosituationen würden Unterschiede deutlich: "Frauen reagieren sensibler auf Gefahren und sind eher bereit, umzukehren. Sie sind sich ihrer Verletzlichkeit bewusst. Männer neigen hingegen zu Überschätzung und Überheblichkeit. Das spiegelt sich in der Unfallstatistik wider: Männer haben deutlich mehr tödliche Unfälle."

Der Weg ist das Ziel

In gemischten Wandergruppen fallen Frauen und Männer immer wieder in alte Rollenbilder zurück, beobachtet der Bergführer – und die Forschung bestätigt das: Die deutschen Kulturwissenschaftlerinnen Christiane Pyka und Franziska Roller gelangten in einer Studie zu der Erkenntnis, dass Männer bei Bergtouren in der Regel vorangehen. Frauen würden ihnen diese Aufgabe "mit großer Selbstverständlichkeit" überlassen.

Mit ein Grund, warum Annette Heigenhauser vor 20 Jahren in ihrer Heimatgemeinde Reit im Winkl das Programm "Frauen wandern anders" initiierte – eine der ersten reinen Frauenwandergruppen überhaupt. Die ausgebildete Bergführerin leitete auch gemischte Gruppen und stellte fest, dass sich Frauen "sehr zurücknehmen", wenn Männer dabei sind. "Das hat aber nichts damit zu tun, dass sie weniger Kondition haben, im Gegenteil: Männer haben im Durchschnitt vielleicht mehr Kraft, doch Frauen sind meist viel ausdauernder."

Frauen erobern die Gipfel - aber anders
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Auch sonst gebe es Unterschiede, findet die 54-Jährige: "Männern wandern sehr leistungs- und zielorientiert, für sie ist es wichtig, dass sie den Gipfel so schnell wie möglich erreichen. Frauen sind erlebnisorientierter, sie nehmen ihre Umgebung als Ganzes wahr. Der Leistungsgedanke steht nicht so sehr im Vordergrund."

Freizeit-Emanzipation

Am Anfang wurde Heigenhauser für die Idee kritisch beäugt. "Ich musste erst erklären, dass wir nicht auf Hexenbesen herumfliegen oder ums Lagerfeuer tanzen", lacht sie. In der Zwischenzeit habe sich viel getan, die reinen Frauenwandergruppen fanden großen Anklang. "Früher waren Frauen ein schmückendes Beiwerk am Berg. Das hat sich zum Glück geändert. Die Freizeit-Emanzipation hat viel länger gedauert als die Emanzipation im Berufsleben." Weil so viele junge Bergsteigerinnen nachkommen, könnte das Phänomen der vorauseilenden Männergrüppchen auch bald passé sein.

Vorbilder wie Gerlinde Kaltenbrunner haben den Weg für Hobby-Bergsteigerinnen geebnet. "Frauen sind heute viel besser informiert als früher", weiß Annette Heigenhauser. Ihre Geschlechtsgenossinnen seien heute viel fitter, hätten ein anderes, neues Körperbewusstsein entwickelt. Auch die Wandermode habe sich geändert. "Es gibt ein tolles Angebot für Frauen. Die Zeiten, in denen man mit rot-bestrumpftem Wadl und Kopftuch auf den Berg ging, sind vorbei. Gott sei Dank!"

Anders als die meisten Bloggerinnen schreiben sie nicht über Mode oder Restaurants, sondern über Wander-, Berg- und Trekkingtouren. Auf ihren Blogs nehmen sie die Leser mit zu ihren spannendsten Wanderabenteuern und geben Tipps für die Vorbereitung und richtige Ausrüstung.

Der aktuell wohl bekannteste Outdoor-Blog im deutschsprachigen Raum ist www.fraeulein-draussen.de: Eine Münchnerin berichtet online von spektakulären Bergtouren rund um den Globus. "Es geht um selbstbestimmtes Reisen", schreibt sie, "mit viel Abenteuer und ein bisschen Mut". Den benötigte die 29-Jährige zum Beispiel, als sie in einem Zelt in Alaska alleine unter Bären nächtigte.

Theresa Steinkellner aus Wien liebt in den Bergen am meisten jenen Augenblick, in dem die Sonne untergeht:"Dann wirft sie die kräftigsten Orange-, Gelb- und Rottöne an den Himmel und die Temperatur beginnt merklich zu stürzen, sodass der warme Atem in der kalten Luft sichtbar wird." Seit drei Jahren bloggt die Anfang 30-Jährige auf www.travelwoman.at über ihre Wanderabenteuer von Osttirol bis Nepal. Die zweiwöchige Trekkingtour in Asien war ihr einprägsamstes Bergerlebnis: "Noch nie habe ich mich so frei gefühlt.""Gipfel bringen Erfolgserlebnisse und lassen Stress und Sorgen verschwinden", ist Stefanie Dehler aus Bayern überzeugt. Ihre Liebe zu den Bergen und gutem Hütten-Essen sowie ihre Wanderrouten beschreibt sie auf www.gipfel-glueck.de. Eine "leidenschaftliche Berggams" ist auch Conny Heym alias diestreunerin.at. Seit sieben Jahren erkundet sie die Bergwelt im Westen Österreichs und Süden Deutschlands – denn das Gute liegt oft näher als man glaubt, vor allem beim Wandern.

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Theresa Steinkellner aus Wien berichtet auf ihrem Blog von ihren Wanderungen

Ektara Yoga Wandern: Kathrina & Julika Rieger (Yogalehrerin) verbinden Yoga mit Wandern. Für das Retreat von 25. bis 28.10. auf der Dolomitenhütte sind noch Plätze frei. facebook.com/EktaraYogaWandern

Frauenwandern: Die Oberösterreicherin Eva Sigl bietet Wanderungen für Frauen aller Altersklassen. www.frauenwandern.at

WeiberWandern: Spirituelle Wanderungen für Frauen. www.weiberwandern.at

Hundewandern: Wanderungen für Hundebesitzerinnen. hundewandertouren.at/frau-mit-hund-auf-wandertour

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