Financial Times: Tool warnt, wenn in Texten zu viele Männer zu Wort kommen

Die Financial Times will gegen zu viele Männerstimmen in der Berichterstattung vorgehen.
Das Programm schlägt automatisch an, wenn zu viele männliche Experten in einem Artikel zitiert werden.

Wenn Experten Ereignisse in Medien kommentieren, erklären oder analysieren, sind diese meist männlich. Stimmen von Expertinnen sucht man nach wie vor oft vergeblich.

Die Financial Times will das ändern. Zu diesem Zweck hat die Wirtschaftszeitung einen Bot (ein Computerprogramm, das weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben abarbeitet, Anm.) entwickelt, der warnt, wenn in einem Artikel nur männliche Experten zu Wort kommen. Damit versucht das Blatt die Repräsentanz von Expertinnen gezielt zu erhöhen. Die Notwendigkeit dafür zeigt nicht zuletzt folgende Zahl: 79 Prozent der Menschen, die in Artikeln der Financial Times zu Wort zu kommen, sind Männer.

Die Software scannt Texte bezüglich des Frauenanteils unter den zitierten Experten und Expertinnen, und schlägt Alarm, wenn zu viele männliche Pronomen oder Vornamen erkannt werden. Daraufhin wird automatisch der Ressortleiter oder die Ressortleiterin informiert. In Zukunft könnte die Software bereits während dem Erstellungsprozess zum Einsatz kommen und den Verfasser oder die Verfasserin entsprechend informieren.

Leserinnen anziehen

Gänzlich uneigennützig ist die Maßnahme freilich nicht: Man will damit mehr Leserinnen gewinnen. Derzeit ist die Leserschaft stark männlich geprägt. 2016 waren 80 Prozent aller Abonnenten Männer. Man sei aber bestrebt, das zu ändern, berichtet der Guardian. Interne Erhebungen der Financial Times hätten gezeigt, dass Frauen von Artikeln abgeschreckt werden, die zu einem großen Teil auf Zitaten von Männern basieren. Und als Frauen in Fokusgruppen gefragt wurden, wer die Financial Times wäre, wenn sie eine Person wäre, sagten sie: "Ein Mann." Repräsentiert würden sie sich durch das Blatt außerdem nicht fühlen, auch der Stil wurde als abstoßend wahrgenommen.

In einer weiteren Erhebung habe man herausgefunden, dass Frauen beim Konsum von Onlineinhalten eher dazu tendieren, auf Bilder von Frauen zu klicken. Diese Erkenntnis soll künftig dazu führen, dass Frauen in der Zeitung und deren Onlineausgabe verstärkt sichtbar gemacht werden.

"Zeitungsredaktionen, die Zitate verwenden, die zu einem großen Teil von Frauen stammen, zeigen auch in ihren Bildern mehr Frauen, und ihre Artikel werden verstärkt von Frauen gelesen", schrieb die stellvertretende Redaktionsleiterin Roula Khalaf laut Guardian dazu in einer internen E-Mail an die Angestellten. Unter den Autoren, die Kommentare verfassen, habe sich der Frauenanteil zwischen März und August dieses Jahres von 20 auf 30 Prozent erhöht. Man wolle nicht nur verstärkt auf Expertinnen setzen, auch auf Autorinnenseite sollen Frauen weiter gefördert werden.

In der Vergangenheit hatte das Blatt bereits mit einem speziell auf Frauen ausgerichteten Newsletter versucht, den Anteil der Leserinnen zu erhöhen.

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