"Der wahre Held des Films ist die Wissenschaft"

"Der wahre Held des Films ist die Wissenschaft"
Ab heute ist der "Der Marsianer" mit Matt Damon in den Kinos. Wie viel Realität steckt in dem Science-Fiction-Film?

Christiane Heinicke ist bereits auf dem Mars. Na ja, fast.

"Der wahre Held des Films ist die Wissenschaft"
Christiane Heinicke
Seit gut einem Monat lebt die junge, deutsche Physikerin (Bild) in einer weißen Kugel, die auf kargem Gestein am Fuße eines Vulkans mit Namen Mauna Loa thront. Und tut gemeinsam mit fünf weiteren Forschern so, als läge das Weltall auf Hawaii. Ausgang hat man nur im Raum-Anzug, Telefonate sind unmöglich, und die Kommunikation übers Internet funktioniert nur zeitversetzt. Mit dem Projekt Hawaii Space Exploration Analog and Simulation will die NASA herausfinden, wie sich Gruppendynamik in einer solchen Isolation entwickelt und wie sie sich steuern lässt. Dazu wird die Crew ein Jahr lang abgeschottet und permanent von Kameras überwacht – Big Brother der Wissenschaft.

Für die Weltraum-Agenturen überall auf der Welt ist der Mars derzeit Ziel Nummer 1. Daher trifft "The Martian" auch einen Nerv: Der Film "ist eine Vision von einer Zukunft, wie sie tatsächlich passieren kann", sagt der NASA-Wissenschaftler Jim Green, wissenschaftliche Berater von Regisseur Ridley Scott.

In dieser Zukunft strandet Astronaut Mark Watney (Matt Damon, Bild) 2035 nach einem heftigen Sandsturm auf dem Mars. Die NASA glaubt, er sei tot; genauso tot wie seine Kommunikation; sein Nahrungsvorrat ist begrenzt; die Wartezeit auf die nächste Mission zum Mars dagegen lang: vier Jahre. In der ausweglosen Situation forscht er, was geht. Was ihm wider Erwarten das Überleben sichert.

MacGyver 2035

Im Film geht es im Grunde um Problemlösung, sagt Andy Weir, Autor des zugrunde liegenden Romans Der Marsianer. "Es ist eine Kombination von Robinson Crusoe, MacGyver und Apollo 13." Das Forschungsmagazin Science hat den Film einem Reality-Check unterzogen, würdigt die überwiegend realistische Sicht auf die Bedingungen, die auf Astronauten auf dem Mars warten und gibt sich regelrecht euphorisch: "Der wahre Held des Films ist die Wissenschaft".

So kommt Watneys Atemluft aus dem "Oxygenerator", der sie aus dem Kohlendioxid der Mars-Atmosphäre extrahiert. "Das ist nicht nur möglich, es wird bald sogar getestet", sagt NASA-Forscher Edwin Kite. Das Gerät namens MOXIE wird auf der Mission Mars 2020 einem Check unterzogen, um zu sehen, ob es wirklich Sauerstoff für eine bemannte Mission 2030 liefern kann.

Feldarbeit

Auch der Anbau von Pflanzen, wie im Film gezeigt, sei auf dem Mars "machbar", sagt der Astrobiologe Thomas McCollom von der US-University of Colorado. "Man würde wohl einiges an Arbeit in den Boden investieren müssen" – Salz und schädliche Chemikalien entfernen, aber die Daten der bisherigen Mars-Missionen legten nahe, dass der Anbau von Kulturpflanzen einfacher sei, als gedacht. So enthält der Mars-Boden bereits Stickstoff in biologisch nutzbarer Form.

"Der wahre Held des Films ist die Wissenschaft"
Autor Andy Weir (Bild) hat die wissenschaftlichen Fakten bis ins Detail recherchiert. Drei Jahre habe ihn das gekostet: "Ein großer Teil davon war ausgefüllt mit mathematischen Berechnungen und der Klärung entscheidender Grundsatzfragen rund um den Mars", erzählt er. Natürlich sei es ein Roman und keine wissenschaftliche Abhandlung. "Das fängt mit dem Sandsturm an, der die Crew zur hastigen Abreise zwingt und Marks Unfall auslöst. In Wirklichkeit kann das so nicht passieren."

"Orkanartige Winde sind übertrieben", bestätigt Planetenforscher Ramses Ramirez von der Cornell University in Science. Die Atmosphäre sei einfach zu dünn, der Luftdruck auf der Mars-Oberfläche nur 0,6 Prozent jener auf der Erde. Winde erreichenden zwar Hurrikan-Geschwindigkeiten, haben aber nicht genug Kraft, die Ausrüstung zu zerreißen oder Steine herumfliegen zu lassen. "Ein 240-km/h-Sturm auf dem Mars ist ein Kinderspiel", sagt Green. "Er hat nicht genug Kraft, um die US-Flagge zum Flattern zu bringen."

Wasser

Auch die Szene, in der Watney Wasserstoff aus dem Raketen-Treibstoff verbrennt, um Wasser zu gewinnen, ist seit dieser Woche überholt. Da haben Astronomen fließendes Wasser auf dem Roten Planeten entdeckt. Gut, es ist sehr wahrscheinlich salzig, doch Entsalzungstabletten mitzunehmen, kann kein allzu großes wissenschaftliches Problem sein. Apropos Probleme: Die haben Forscher derzeit weniger mit den Bedingungen auf dem Mars als vielmehr mit dem Hinkommen: So gestand NASA-Chef Charles F. Bolden (Bild unten) in einem Interview mit dem KURIER, dass der solare Hochspannungsantrieb, den man seit Jahrzehnten verwendet, zu schwach sei.

"Der wahre Held des Films ist die Wissenschaft"
epa03344152 NASA Administrator Charles Bolden smiles as the rover begins its decent to the surface of mars, inside the Spaceflight Operations Facility for NASA's Mars Science Laboratory Curiosity rover at Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena, California, USA, 05 August 2012. The Curiosity robot is equipped with a nuclear-powered lab capable of vaporizing rocks and ingesting soil, measuring habitability, and potentially paving the way for human exploration. L EPA/BRIAN VAN DER BRUG/POOL
"Wir brauchen mehr Power, um tatsächlich jemanden auf den Mars zu bringen. Fünf bis zehn Mal mehr als das, was wir derzeit haben, wäre nötig." Das Problem sei die Größe der Solarzellen. "Wir tüfteln herum, wie man sie so konstruieren kann, dass sie kompakt zusammengefaltet in die Nase einer Rakete passen."

Außerdem beschäftigt den NASA-Chef das System, das Luft, Wasser und Abfall für die Crew aufbereitet: "Jenes, das wir derzeit auf der ISS verwenden, ist gut genug für eine Space-Station, aber nicht annähernd ausreichend robust für einen Trip zum Mars." Warum? "Wegen der langen Zeit, die es funktionieren muss. Und weil es einfach kompliziert ist, Körperflüssigkeiten ständig wieder in Trinkwasser umzuwandeln und Luft aufzubereiten. Und, und, und ... Sie können das alles nun einmal nicht mitnehmen – es wäre zu schwer", sagt Bolden.

Strahlenschutz

Eine wirklich harte Nuss ist auch die kosmische Strahlung, die man noch nicht in den Griff bekommt. Zumindest hat die NASA unlängst im Mausexperiment herausgefunden, dass die Tiere nach einer ordentlichen Dosis Hochenergie-Strahlen passiv und verwirrt wurden – keine guten Aussichten für Langzeitmissionen im All. Trotzdem ist esa-Chef Jan Wörner überzeugt: "Der Mensch wird zum Mars fliegen – ganz klar." Bis man die richtige Technik habe, werde es aber noch ein bisschen dauern. "Die Amerikaner sind mutig und reden von 2035. Ich fände es schon sehr anspruchsvoll, wenn es vor 2050 gelingen könnte."

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