Null-Bock: Wenn Teenager keine Lust auf Schule und Lernen haben
In der Früh kommt die 14-jährige Sabrina nicht aus dem Bett, später will sie nicht in die Schule. Hausaufgaben macht sie selten, ihre Noten haben sich verschlechtert. Ihre Eltern sind ratlos, wie sie dem Mädchen helfen können. Derartige Situationen kenn die Wiener Psychotherapeutin Vivien Kain aus ihrer Praxis gut.
Gerade im Teenageralter bemerken viele Eltern bei ihren Kindern mangelnde Motivation für die Schule. „Die Ursachen dafür können mannigfaltig sein und sollten gemeinsam mit dem Kind gesucht werden. Druck auszuüben, kostet Eltern viel Energie, bringt aber meist nichts. Es geht um den inneren Antrieb, den Jugendliche entdecken müssen“, sagt Kain.
Viele Veränderungen
Während in der Volksschule die meisten Kinder durch einen von außen vorgegebenen Lernrahmen noch gut abzuholen sind, lässt das ab etwa zwölf Jahren nach. „Mit dem Teenageralter beginnt eine Entwicklungsphase, die sehr viel Veränderung mit sich bringt. Das Kind beginnt, seine Identität und seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Der Vergleich mit anderen bekommt eine andere Bedeutung als im Volksschulalter“, erklärt Kain.
Überforderung und Leistungsdruck vonseiten der Eltern oder den Jugendlichen selbst können eine Ursache für die Null-Bock-Haltung sein. „Stets lauter Einser zu haben, ist in höheren Schulen meist nicht realistisch und muss nicht sein. Manchmal bestehen Teilleistungsschwächen, die bisher kompensiert werden konnten.“
Auch Mobbing, erster Liebeskummer oder Einsamkeit können gerade in einer Zeit, in der Freunde extrem wichtig sind, zu Unlust beim Lernen führen. „Wichtig ist, mit Jugendlichen im Gespräch und in Beziehung zu bleiben und Verständnis zu vermitteln. Und zwar auch dann, wenn das Kind Dinge tut, die man selbst als wenig brauchbar erlebt“, so Kain.
Oft nicht beachtet werde, dass Jugendliche erst lernen müssen, sich zu strukturieren. „Jeder hat einen anderen Zugang dazu, wie man am besten lernt. Als Eltern kann man versuchen, zu unterstützen, und etwa verschiedene Methoden ausprobieren. Gelingt das nicht, sollte man versuchen, das Lernen auszulagern, z. B. mit Nachhilfe, um Konflikte zu reduzieren“, rät Kain.
Erschöpfung
Während der Pubertät kommt es zudem zu einer Umbauphase im Gehirn, was bei vielen Jugendlichen zu Erschöpfung führt. „Das Kind hat oft gar nicht die Energie, sich auf Leistungsbereiche fokussieren zu können. Dadurch entsteht schnell das Gefühl, es ist nicht motiviert, hat keine Lust. Dem ist nicht so. Nur muss der Jugendliche im Bereich Leistung anders abgeholt werden“, betont Kain. So kann es zu Stimmungsschwankungen kommen und der Schlafrhythmus ändert sich. Viele Teenager sind abends nicht müde, kommen aber morgens nicht aus dem Bett. Das schlägt sich mit dem Schulbeginn, der trotz einer immer wieder diskutierten Verschiebung meist um 8 Uhr angesetzt ist.
Kennen Kinder bereits im Volksschulalter Regeln für Medienkonsum, für Lern- und Schlafzeiten oder das Aufräumen, fällt es leichter, diese auch in der Pubertät fortzuführen. Die Regeln sollen nicht einschränken, aber Halt und Orientierung geben. Kinder sollten dabei stets das Gefühl haben, mitwirken zu dürfen. So könnte das Kind etwa selbst bestimmen, ob es nach der Schule gleich die Hausübung macht oder zuerst etwas Freizeit haben möchte.
Auch Eigenverantwortung, was schulische und alltägliche Aufgaben betrifft, sollte ermöglicht werden. Das kann bereits ab etwa acht Jahren eine eigene Aufgabe, wie das Ausräumen des Geschirrspülers, sein.
Ebenfalls früh gefördert werden kann der Spaß am Wissenserwerb. Das gelingt, indem man gemeinsam in Museen geht oder Ausflüge entsprechend den Themen der Schule macht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Neugierde bei Kindern, die vielen Interessen nachgehen können, erhalten bleibt, ist hoch.
Wenn Eltern überfordert sind, setzen sie häufig Verbote, etwa keine Freunde treffen, kein Tanzkurs oder Fußballverein. Das sei kontraproduktiv, meint die Expertin. „Jugendliche müssen positive Erfahrungen machen können, das gibt Motivation für andere Bereiche. Sport ist auch ein Ventil für negative Gefühle. Wenn ich keine Erfolgserlebnisse haben kann, gerate ich noch leichter in ein Motivationsloch.“
Schule schwänzen
Oft verschlechtern Strafen die Situation. Manche Jugendliche machen gar nichts mehr für die Schule oder beginnen zu schwänzen. Ist dies regelmäßig der Fall, sollte spätestens dann der Austausch mit der Schule erfolgen. Gemeinsam mit dem Jugendlichen wird dann erarbeitet, was es braucht, damit er oder sie seinen Aufgaben nachkommen kann. „Klar muss sein, dass es Regeln gibt. Das Kind soll aber nicht mit Vorwürfen überladen werden, sondern ein gemeinsamer Plan überlegt werden.“ Hält die Unlust beim Lernen längere Zeit an, kann eine psychologische Beratung helfen.
Kommentare