Käse machen wie früher: Wie eine junge Städterin zur Sennerin wurde

Käse machen wie früher: Wie eine junge Städterin zur Sennerin wurde
Marlene Kelnreiter verbringt das halbe Jahr auf der Alm und verwandelt als Sennerin Rohmilch in duftenden Almkäse – das Wissen, wie man Käse herstellt, gibt sie in Kursen weiter.

Über Heidelbeerfelder kullern, mit Kälbern und Lämmern kuscheln, Kakao mit Rum trinken und Sternschnuppen beobachten – Wochentage, Ampeln oder der Blick in die Speisekarte spielen auf der Schweizer Ziegenalp Malschüel keine Rolle. Beim Gespräch mit dem KURIER lässt die junge Sennerin mit den dunklen Haaren den Blick über den schneebedeckten Alvier schweifen – das Rheintal und die Grenze Österreichs liegen ihr zu Füßen.

Neben ihr genießt der Sennenhund die Sonnenstrahlen auf 1.500 Höhenmetern, die 344 Appenzeller- und Toppenburgerziegen am Hang gegenüber lässt er nicht aus den Augen. Vor drei Jahren packte Marlene Kelnreiter erstmals ihre Sachen und zog auf die Alm – und das tut sie seitdem jeden Sommer. Die Wienerin ist jetzt Sennerin.

Käse machen wie früher: Wie eine junge Städterin zur Sennerin wurde

Anfangs sei sie wie ein "Träumelinchen" an den Quereinstieg – von Ausstieg spricht sie nicht – herangegangen. Was sollte denn schon schiefgehen, wenn man Käse nach uralten Rezepten herstellt, dachte sich die PR-Expertin. Heute sagt sie, sie habe einfach das Leben angepackt – und die Käselaibe.

Warum sie diesen neuen Lebensabschnitt gewagt hat: "Das Wandern und das Arbeiten mit Tieren in der Natur sowie die Faszination des Käsens waren sicher Gründe, aber ich hatte auch das intensive Bedürfnis, in der Welt und für die Welt etwas Sinnvolles zu machen. Etwas Existenzielles."

Der Alltag auf der Alm

Käse machen wie früher: Wie eine junge Städterin zur Sennerin wurde

Jeden Tag steht Kelnreiter um 5 Uhr morgens auf, heizt den Kessel für das Käsen ein und mischt die frisch gemolkene Morgenmilch mit der Abendmilch. Was die Städterin macht, machen Bauern und Bäuerinnen mit ihrem Vieh schon seit Jahrhunderten: Sie ziehen über den Sommer in die Berge.

Dann können die Flächen im Tal zwischenzeitlich anders genutzt werden – die Tiere wiederum bekommen das saftige Grün auf den Almen und kommen im Herbst fitter ins Tal zurück. Durch das Abgrasen pflegen sie ganz nebenbei die Landschaft und tragen zur alpinen Biodiversität bei.

Noch sind die Temperaturen frisch, doch Frauenmantel, Trollblume oder Gelber Enzian blühen bereits und geben ihre ätherischen Öle in Form von chemischen Verbindungen namens Terpene an die Milch weiter. Wird diese hochwertige Milch direkt auf der Alm verarbeitet, spricht man von Almkäse. Bergkäse bezeichnet hingegen jenen Käse, der ganzjährig von in Bergregionen beheimateten Käsereien hergestellt wird.

Der Charakter des Almkäses kommt nicht nur durch die regional unterschiedlichen Kräuter und Blumen zustande – auch die regional unterschiedlichen Bakterienkulturen und die verschiedenen Verarbeitungsmethoden spielen eine Rolle.

Käsen ist meditativ

Käse machen wie früher: Wie eine junge Städterin zur Sennerin wurde

Die 39-jährige Sennerin macht dieser Tage den traditionsreichen Schweizer Käse namens Mutschli – den ersten frischen Käse nach den kalten Monaten. Die vielen Schritte der Käse-Herstellung wie Rühren, Säuern, Ausruhen oder Abfüllen sind für Kelnreiter keinesfalls eintönig: "Die Arbeiten empfinde ich als meditativ. In diesem Flow-Moment vergesse ich alles, was mich gerade beschäftigt."

Käse machen wie früher: Wie eine junge Städterin zur Sennerin wurde

Ihre Erfahrungen als Sennerin veröffentlicht Kelnreiter diesen Herbst als Buch ("Käseglück", Löwenzahn Verlag) – zudem startet sie nach dem Sommer mit Kursen, damit das alte Wissen nicht verloren geht.

Für das Käsen braucht es keine speziellen Werkzeuge. Wer zu Hause starten will, sollte sich zuerst an einem "einfachen Rezept für einen schnellen Frischkäse oder einem indischen Paneer erproben", empfiehlt die Sennerin. "So lässt sich der Prozess bewusst erleben: Am wichtigsten sind Genauigkeit und Achtsamkeit."

So wie die Käse schmecken, sei der Charakter des Herstellers, glaubt die junge Frau. Ihr sanftes Wesen spiegle sich in den milden, leichten Nuancen ihrer Käselaibe wider.

Kommentare