Essay: "Du bist ja gar nicht braun"

Essay: "Du bist ja gar nicht braun"
Unsere Autorin hat schon so einiges versucht, um richtig braun zu werden – vergeblich. Ein Plädoyer für einen verwundbaren Hauttyp.

„Kind, du bist so bleich.“ Eine meiner frühesten Erinnerungen ist jene an meine Großmutter, die mich aufmerksam mustert, mich fragt, ob ich mich krank fühle und ohne eine Antwort abzuwarten den Vorwurf äußert, ich würde zu selten an die frische Luft gehen.

Das ist mehr als zwanzig Jahre her. Wenn ich angeben müsste, wie oft ich seither auf meine helle Hautfarbe angesprochen wurde, käme ich mit dem Zählen nicht nach. Es passiert nicht nur, aber verstärkt, in den Sommermonaten. Nicht immer klingt es so vorwurfsvoll wie aus dem Mund meiner seligen Großmutter. Die immer gleiche Frage „Wirst du eigentlich gar nicht braun?“ kann, das habe ich gelernt, auf alle möglichen Varianten gestellt werden: interessiert, besorgt oder auch scherzhaft.

Für mich ist die Frage Jahr für Jahr nach der Urlaubs-Saison in jedem Fall eines: unendlich nervig. Ich bin rotblond, habe blaue Augen und (wenn ungeschminkt) helle Augenbrauen und Wimpern. Also nein, ich werde gar nicht braun. Nie. Und es überrascht mich immer wieder, wie oft ich mich dafür rechtfertigen muss.

Sonnenlicht und Butterkekse

Im zarten Alter von vier Jahren fühlte ich mich von meiner heißgeliebten Oma zwar nicht aufs Übelste beleidigt, aber trotzdem: Kommentare über meinen hellen Teint empfand ich seit jeher als Kritik, die ich so nicht auf mir sitzen lassen wollte. Der genaue Zusammenhang zwischen Bräunegrad und frischer Luft, beziehungsweise Sonnenlicht, war mir zwar noch nicht bekannt, aber ich strengte sehr früh Beobachtungen an, die mir das Phänomen erklären sollten.

Die anderen Enkelkinder meiner Oma – also meine Cousinen und Cousins – hatten den Vorteil, ein Haus mit Pool zu bewohnen. Ab Mai waren sie braun wie zu lange gebackene Butterkekse. Sie wurden nie wegen ihres Teints kritisiert. Im Gegenteil: „Mei, so schön braun seid’s“, hieß es.

Ich war neidisch.  

Au!

Die Verbindung der beiden Faktoren Sonnenlicht und verbrannter Butterkeksigkeit erahnend, bearbeitete ich in den folgenden Jahren meine Eltern, möglichst oft Schwimmbäder, Seen oder, im besten Fall, das Meer mit mir aufzusuchen.

Die Enttäuschung folgte auf dem bleichen Fuße. Zwar verfärbte sich meine Haut schon nach kurzer Zeit unter der prallen Sonne Süditaliens, von einem knackigen Braunton konnte aber keine Rede sein. Vielmehr glich ich am Abend nach dem Sonnenbad der Tomatensoße über meinen Spaghetti.

„Das wird dann eh braun“, erklärte mir meine Mutter (selbst optisch blitzschnell zur südländischen-Schönheit geworden) Jahr für Jahr. Es stimmte natürlich nie. Hatte ich aufgehört, rot zu sein, löste sich die Haut einfach ab, spätestens im September glich ich wieder einem noch ungebackenen Keksteig.

Man würde denken, als Erwachsene könne man auf solcherlei Kindheitserinnerungen zurückblicken und lachen. Man würde irgendwann akzeptiert haben, dass man einfach nicht der Typ für exotische Strandbräune ist. Dann würde man zu diversen Schmink-Utensilien greifen und Wimpern und Augenbrauen einfach dunkel malen.

Das stimmt so keinesfalls. Und auch meine Umwelt scheint die Tatsache, dass ich partout keinen sommerlich-akzeptablen Farbton annehme, einfach nicht hinnehmen zu können. Spätestens Anfang Juni, wenn in der U-Bahn die anderen Menschen beginnen, wie Karamell-Bonbons auszuschauen, geht es los. Jahr für Jahr, ganz egal ob ein bronzener Teint gerade im Trend ist oder nicht. Ob ich denn gar nicht braun würde? Nein, total überraschend auch in diesem Sommer nicht.

Kuh-Look

Wenn mich zur selben Zeit Freunde dann auch nur beim kürzesten Aufenthalt in der Sonne besorgt fragen, ob ich eh Sonnencreme dabeihätte, dann werfe ich mich in den Kampf.

Da das mit dem Sonnenlicht nie wahnsinnig gut funktioniert hat, versuche ich es mit dem Griff zum Selbstbräuner. Nur um jedes Jahr wieder festzustellen, dass ich nach Gebrauch weniger einer Strandnixe ähnle, als einer gefleckten Kuh auf der Alm.

Die Wissenschaft hat für mein Problem natürlich eine genaue Erklärung. „Warum werde ich nicht braun?“, google ich und erfahre: Mir fehlen Pigmentzellen, die Melanin produzieren. Das ist genetisch vererbt (bei mir wohl väterlicherseits) und tun kann man dagegen eigentlich nichts. Aha.

Das ist insofern schlecht, als mich heute noch jede Bemerkung über meinen extra-hellen Hautton in peinliche Berührtheit versetzt. Statt braun werde ich dann in Sekundenschnelle rot vor Scham. Letztere ist rational natürlich vollkommen unbegründet, über die Jahre aber hervorragend antrainiert.

Am liebsten würde ich in solchen Momenten dann ausholen und die ganze Geschichte ab meinen erfolglosen Italien-Urlauben erzählen. So viel Zeit ist meistens nicht. Darum also dieser Text und an seinem Ende die freundliche Bitte: Reichen Sie mir doch kommentarlos die Sonnencreme.

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