Eliten-Kritiker Bregman: "Zahlt endlich eure Steuern!"

Der niederländische Historiker und Autor Rutger Bregman
Der niederländische Historiker Rutger Bregman erklärt sein Misstrauen gegenüber Milliardären.

Es war eine Wutrede gegen das Establishment, und sie machte ihn binnen kürzester Zeit bekannt: Die Rede ist von dem niederländischen Historiker und Autor Rutger Bregman, der in Davos beim Weltwirtschaftsforum mit den Finanz-Eliten abrechnete.

Er warf den Angesprochenen vor, ihrer Steuerpflicht nicht nachzukommen. „Hört auf, über Philanthropie zu reden und zahlt endlich eure Steuern“, wetterte er. Das Video seiner Brandrede wurde millionenfach auf YouTube geklickt. Wenig später machte der 31-Jährige mit einem Auftritt beim konservativen US-Sender Fox News von sich reden, als er den Moderator bezichtigte, das Thema Steuerflucht zu verschweigen, weil der Sender von Milliardären wie Rupert Murdoch bezahlt werde. Der Moderator wurde daraufhin gegenüber Bregman verbal ausfällig. Kommenden Mittwoch spricht Bergman bei den Wiener Vorlesungen.

KURIER: Wie war die Stimmung im Raum, als Sie der anwesenden Finanzelite in Davos vorwarfen, keine Steuern zu zahlen? Rutger Bregman: Es war ein merkwürdiges Gefühl. Die Hälfte der Menschen im Raum war begeistert. Das waren die Normalverdiener und Journalisten. Die andere Hälfte waren die Milliardäre.

War Ihre Brandrede geplant?

Nein. Ich war ja gekommen, um über mein Buch zu sprechen, wo ich unter anderem ein Grundeinkommen für alle fordere. Aber ich habe mich nicht wohl gefühlt.

Was hat Sie genau gestört?

Diese unfassbare Scheinheiligkeit. Die Milliardäre waren mit ihren Privatjets gekommen, um exklusiv David Attenboroughs neuen Film über den erbärmlichen Zustand unserer Welt zu sehen. Draußen standen 1500 Privatjets, drinnen wurde über Klimawandel geredet.

Aber ist es nicht besser, zwischen Privatjets über die Folgen des Klimawandels zu reden, als gar nicht?

Nein, weil dann der falsche Eindruck entsteht: Wenn darüber geredet wird, wird auch gehandelt.

Was sagen Sie den Menschen in Österreich, die der Meinung sind, sie könnten gegen den Klimawandel ohnehin nichts ausrichten, der wahre Übeltäter säße in China?

Es stimmt schon, China ist ein wichtiger Player. Aber das entbindet jeden einzelnen hier in Europa nicht von seiner Verantwortung. Darüber hinaus: China investiert derzeit mehr in erneuerbare Energien als sonst jemand auf der Welt. Es wäre also gar nicht schlecht, sich an China zu orientieren.

Halten Sie sich für einen Utopisten oder einen Realisten?

Ein bisschen von beidem. Das ist wohl auch eine Frage der Zeit. Jede soziale Revolution hat als Utopie begonnen. Denken Sie an die Abschaffung der Sklaverei. Die hielt man auch für utopisch. Historischer Fortschritt basiert immer auf utopischen Ideen: Vor 150 Jahren hätte niemand für möglich gehalten, dass die Sklaverei abgeschafft oder die Demokratie wirklich existieren würde.

Nennen wir das bedingungslose Grundeinkommen trotzdem Utopie: Warum sollten Menschen arbeiten, wenn Sie auch ohne Arbeit Geld bekommen?

Weil es so etwas wie die intrinsische Motivation gibt. Sie kommt immer aus uns selbst heraus und ist eine starke Antriebskraft. Stärker als die extrinsische Motivation, also der Antrieb, zu arbeiten, weil wir müssen. Die meisten Menschen wollen ihr Leben nicht auf der Couch verbringen. Das zeigen auch Dutzende Experimente auf der ganzen Welt.

In Finnland hat das Experiment bedingungsloses Grundeinkommen nicht funktioniert.

Wenn ich ein Experiment abbreche, heißt das noch lange nicht, dass es nicht funktioniert hat. Die Forscher waren sehr optimistisch, die mittelfristigen Resultate vielversprechend.

Noch einmal zu den Steuern: Warum gestehen Sie den Reichen eigentlich nicht den gleichen Vertrauensvorschuss wie den Armen zu? Ersteren unterstellen Sie Steuerhinterziehung, von Zweiteren glauben Sie, sie würden freiwillig arbeiten.

Man muss zwischen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung unterscheiden. Letzteres ist ohnehin illegal und strafbar, bei ersterem müssen wir international mehr zusammenarbeiten. Das hat ja bei der Abschaffung des Schweizer Bankgeheimnisses schon gut geklappt.

Warum ich den Reichen nicht so vertraue wie den Armen? Ganz einfach: Weil Macht korrumpiert. Das wissen wir aus der Geschichte. Und aus „Game of Thrones“ (lacht). Im Ernst: Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Scham kennt. Es hat einen Grund, warum Menschen sich schämen. Aber haben Sie Donald Trump jemals rot vor Scham gesehen?

Utopien für Realisten

Diskussion  

Rutger Bregman spricht  im Rahmen der Wiener Vorlesungen über sein Buch "Utopien für Realisten" sowie über das bedingungslose Grundeinkommen. Danach diskutieren mit ihm Miriam Rehm (Uni Duisburg), Armon Rezai (WU Wien)  sowie Timothy Snyder (Yale University). 

Mittwoch, 3. Juli,19.00 Uhr

2., MuTh, Am Augartenspitz 1

vorlesungen.wien.gv.at

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