Die Macht der Frauennetzwerke

Das Team von Sorority
Ob im Job oder Privatleben – wie Frauen profitieren, wenn sie sich zusammentun.

Es sind Themen, die nicht nur am Weltfrauentag in knapp zwei Wochen im Fokus stehen sollten. Oder weil es gerade ein Volksbegehren dazu gibt. Sondern immer: die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern etwa, Alltagssexismus oder der Karriereknick nach der Karenz.

Berufliche Ungleichheiten sind nicht die einzigen Gründe, warum sich Frauen zusammenschließen. "Gerade in Zeiten von Individualisierung und Konkurrenzdruck nehmen Netzwerke an Bedeutung zu", sagt Laura Wiesböck, Soziologin an der Uni Wien. "Das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Erfahrungswerten kann auch sozialen Rückhalt bieten" – wie zum Beispiel in der Kindererziehung oder bei anderen Herausforderungen im Alltag.

Das gängige Vorurteil, wonach Frauen schlechtere Netzwerker seien als Männer, widerlegten die Komplexitätsforscher Michael Szell und Stefan Thurner 2013: Für eine Studie analysierten sie das Verhalten von 300.000 Nutzern eines sozialen Computerspiels und entdeckten, dass Spielerinnen schneller Freundschaften knüpften als ihre männlichen Mitstreiter. Die Verbindungen hielten länger, zudem legten die Frauen mehr wert darauf, ihre Bekanntschaften untereinander zu vernetzen.

Den praktischen Beweis zur Theorie liefert das relativ junge Karrierenetzwerk "Sorority" in Wien. "Wir räumen mit dem schwachsinnigen Klischee auf, Frauen stünden einander durch mangelnden Solidarität selbst im Weg", sagt Sandra Nigischer, Obfrau des Vereins. "Netzwerke sind wichtig", betont sie. "Sie haben den Vorteil, dass man zusammen weniger alleine ist, gegenseitiges Wissen austauschen und einander im Bedarfsfall unterstützen kann."

Das gilt nicht nur für den beruflichen Kontext. Auch im privaten Kreis schließen sich immer öfter Frauen zusammen, um einander den Alltag zu erleichtern. Die Psychotherapeutin Birgit Richter etwa wollte in ihrer Heimat im südlichen Niederösterreich Frauen aus verschiedenen Kulturen vernetzen. Ulrike Lackner-Stauchner, Juristin in Wien, schuf mit den "Wiener Wunderweibern" einen virtuellen Ort der Frauensolidarität.

Nur wenige Beispiele, stellvertretend für viele Frauengruppen, die zusammen kleine und große Wunder vollbringen – und zwar nicht nur am 8. März.

Einen klangvollen Vornamen für den ungeborenen Sohn? Die beste private Krankenversicherung? Eine juristische Auskunft? Meinungen zu einem Konflikt mit der Schwiegermutter?

Im Grunde gibt es kein Problem, das die "Wiener Wunderweiber" nicht lösen können und keine Frage, auf die sie keine Antwort kennen. Nicht einmal Google kann mit dem Schwarmwissen der "WWWs", wie sich die Damen nennen, mithalten. "Wir sind ein Dorf in der Großstadt", beschreibt es Ulrike Lackner-Stauchner, die die Facebook-Gruppe vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Die Idee übernahm sie von einer Freundin, die 2015 die "Grazer Wunderweiber" gegründet hatte. "Am Anfang stand der Gedanke, wie sich Frauen im Alltag gegenseitig unterstützen können. Und ich wollte kreativen, selbstständigen Frauen eine Plattform bieten. Ich habe viele Bekannte und bat sie, wiederum ihren Bekannten Bescheid zu geben." Das virtuelle "Dorf" wuchs rasch, mittlerweile zählt die Gruppe mehr als 8000 Mitglieder und nimmt nur noch vereinzelt Frauen auf. Die "Weiber" sind unterschiedlichen Alters und kommen aus den verschiedensten Bereichen. Was sie eint: Sie wollen einander via Facebook das Leben erleichtern.

Hilfe in letzter Minute

In den vergangenen zwei Jahren wurden die Wiener Wunderweiber ihrem Namen immer wieder gerecht und haben kleine Wunder vollbracht. Lackner-Stauchner, selbst Mutter einer Tochter, erinnert sich an jenen Freitagnachmittag, an dem sich eine Mutter verzweifelt an die Gruppe wandte: Für ihren verletzten Sohn suche sie einen Kinderrollstuhl – so rasch wie möglich. Und tatsächlich: "Ein Wunderweib konnte nicht nur einen Rollstuhl bereitstellen, sondern hat ihn der Familie sogar nachhause gebracht." Ein anderes Mal meldete sich eine verzweifelte Mama, deren Tochter die Schule abgebrochen hatte und nun kurzfristig eine Lehrstelle benötigte. "Bald darauf hat ein in einem Hotel tätiges Wunderweib eine Lehrstelle geschaffen. Das hat mich wirklich glücklich gemacht, denn für das Mädchen war das zukunftsentscheidend."

Letztlich sei jeder noch so kleine Ratschlag wertvoll, sagt die Administratorin. Was haben sie "ihre" Wunderweiber gelehrt? "Wenn Frauen einander täglich helfen, voller Wohlwollen und Respekt, lässt sich gemeinsam Großartiges vollbringen."

Veranstaltungstipp: Eine Idee – zwei Events

Rrriot Festival & Business Riot

Als "feministisches Programmfestival" feiert "Rrriot" von 1.–7. März an mehreren Wiener Orten Premiere. Unter vielem anderen: "No more Bullshit: Sexismus im Journalismus" (3. März,18 Uhr, Ang. Innovation Lab). Anschließend findet das etablierte "Business Riot Festival" vom 8.–10. März statt. Im Zeichen von "Feminismus für alle" wird das Schaffen von Frauen in Talks und Workshops aufgezeigt. Etwa: "Me Too – Sexismus im Sport" (9. März, 19 Uhr). Info: www.riotfestival.at

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Ulrike Lackner-Stauchner, Gründerin der Wiener Wunderweiber

Türkische Boregi neben niederösterreichischem Gemüseaufstrich, griechische Blätterteigtaschen neben orientalischem Melanzani-Dip: Der Tisch beim "Frauenbrunch der Nationen" ist reichlich gedeckt und so vielfältig wie seine Besucherinnen. "Unsere Frauen kommen derzeit aus sechs bis sieben Herkunftsländern und sind zwischen zehn und 78 Jahren alt", erzählt Birgit Richter aus dem Bezirk Lilienfeld (NÖ). Die Akademikerin findet man bei den "Frauenblüten" genauso wie die Hausfrau, die Biobäuerin oder eben das Schulkind.

Seit drei Jahren organisiert Richter, im Brotberuf Psychotherapeutin, regelmäßige Treffen von Bewohnerinnen der Region. Ehrenamtlich. "Mir fiel auf, dass zwar viele Migranten-Familien hier wohnen, aber man auf der Straße eher nur Männer sieht. Die Frauen kamen einfach nicht unter die Leute. Dagegen wollte ich etwas unternehmen."

Erfolgserlebnis

Zum ersten Frauenblüten-Sommerfest kamen 250 Besucherinnen – ein voller Erfolg. Derzeit hat die Gruppe ca. 40 aktive Mitglieder. "Wir sind kein Flüchtlingsprojekt", betont Richter. "Wir wollen den Frauen eine Gemeinschaft bieten, die es ihnen ermöglicht, sich trotz jahrelangem Aufenthalt endlich zu integrieren." Ob beim gemeinsamen Trommelworkshop, Kochen oder Tanzen: In der Gruppe wird Deutsch gesprochen.

"Einmal kam eine junge Frau aus Kosovo-Albanien zu uns", erinnert sich Richter. "Sie sprach sehr schlecht Deutsch. Nach einem Jahr hatte sie die Sprache so gut gelernt, dass sie sogar einen Job bekommen hat." Auch Schulkinder unterstützen die "Frauenblüten" beim Lernen. "Wir lernen voneinander und haben Spaß miteinander."

Bei den Festen, zu denen jedes Mal an die 100 Besucherinnen aus der Region kommen, gehe es darum, Bräuche und Rituale des jeweiligen Landes zu vermitteln und dafür andere kennenzulernen. Und die Frauen blühen auf, freut sich Birgit Richter: "Einmal hat ein Mitglied der Gruppe zu mir gesagt: Es ist so schön, wenn wir uns als Frauen treffen, denn wir haben viel mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick glauben würde. Das war eigentlich das beste Kompliment."

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Die Mitglieder der „Frauenblüten“ kommen aus sechs bis sieben Herkunftsländern

Es begann im Wohnzimmer: Ein paar junge Frauen, die am Ende ihres Studiums oder am Beginn ihrer Karriere standen, trafen einander, um ihre Erfahrungen auszutauschen. "Wir haben zum Teil erlebt, wie wir mehr leisten müssen, um als ähnlich kompetent wie unsere männlichen Kollegen gesehen zu werden und beobachtet, wie sich junge Frauen von einem prekären Job zum nächsten hanteln, während es die meist männlichen Kollegen mit Kontakten viel einfacher hatten, Fuß zu fassen", erzählt Sandra Nigischer (32). Weil mit der Zeit immer mehr Frauen kamen, gründeten sie einen Verein: Sorority – ein unabhängiges Karrierenetzwerk für Frauen.

Der Name – Englisch für Studentinnenverbindung – versteht sich als Persiflage auf klassische Männerbünde. "Wir pflegen keine gewachsenen Traditionen, sondern hinterfragen sie und brechen mit ihnen, wenn sie der Gleichberechtigung der Geschlechter zuwiderlaufen" , sagt Nigischer. Die Journalistin ist Obfrau des Vereins, der mittlerweile 500 Mitglieder und eine Online-Community von 2500 Frauen zählt. Ihre Mission: Kräfte bündeln und unfaire Systeme im Arbeitsleben aufbrechen.

Das Herzstück der Sorority sind die monatlichen Mitgliederversammlungen, zudem gibt es einen Stammtisch für Mütter, Podiumsdiskussionen, Workshops und Fortbildungen zu Themen wie Gehaltsverhandlungen, Rhetorik oder Social Media Marketing. "Uns geht es nicht um einen elitären Karrierebegriff", betont Nigischer. "Karriere kann heißen, im Job aufzusteigen, sich zu verwirklichen oder einfach am Ende des Monats genügend Geld auf dem Konto zu haben."

Nach vier Jahren Sorority weiß Nigischer, wie motivierend und erleichternd der Austausch mit Gleichgesinnten sein kann. "Es bestärkt irrsinnig, zu sehen: Meine Kämpfe im Job fechten auch andere, denn viele Hürden sind strukturell bedingt. Es liegt in der Regel nicht an einem selbst, wenn man als einzige Frau in der IT-Abteilung weniger ernst genommen wird oder wir uns abrackern, während die nächste Beförderung wieder an einen Mann geht."

Was Sorority bewirkt hat? "Wir haben mit dem Klischee aufgeräumt, dass sich Frauen aufgrund mangelnder Solidarität selbst im Weg stehen." Auch Jobs wurden durch das Netzwerk schon vermittelt. In einem Punkt sind sich sowieso alle "Schwestern" einig: "So furchtbar der Tag gewesen sein mag, nach einer Sorority-Mitgliederversammlung ist er prächtig."

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Das Sorority-Kernteam mit Obfrau Sandra Nigischer (Mitte)

Am kommenden Weltfrauentag feiert das Flash seinen siebenten Geburtstag. Kein Zufall: Das Café in der Zieglergasse wurde bewusst am 8. März eröffnet – es ist nämlich ein Ort nur für Mädchen. "In klassischen Jugendzentren trifft man meist wenig Mädchen, das Verhältnis ist etwa 70:30", erzählt Leiterin Magdalena Mangl. "Es gibt ganz wenige öffentliche Räume für Mädchen, an denen sie nichts konsumieren müssen."

Auf diesen Gedanken kommen die Besucherinnen im Flash erst gar nicht. Während der Öffnungszeiten (Mittwoch bis Samstag, www.jugendzentren.at/standorte/flash) sind mehrere Jugendarbeiterinnen vor Ort, jeden Tag wird ein Programm geboten. Der Gemeinschaftssinn reicht über das Café hinaus: "Wir machen Ausflüge und Workshops, kochen oder gehen in einen Turnsaal, den wir angemietet haben. Letztens waren wir gemeinsam in der Eisdisco. Wir richten uns nach den Wünschen der Mädchen", sagt Mangl.

Berührend

Ca. 15 Mädchen kommen jeden Tag ins Café, die meisten zwischen zehn und 14 Jahre – um abzuhängen, zu plaudern oder Tischfußball zu spielen. "Die Gruppe ist bunt gemischt, auch, was die sozioökonomische Schicht betrifft", erzählt Mangl. Die Diplomatentochter verbringt ihre Freizeit genauso im Flash wie das Mädchen aus einer sozial schwächeren Familie.

Auch schwierige Themen werden zusammen bearbeitet. Ein Highlight im vergangenen Jahr: Gemeinsam mit der Wiener Rapperin EsRaP haben die Mädchen ein Lied gegen Bodyshaming geschrieben und ein Video gedreht. "Es war wirklich berührend, wie die Mädchen ihre sehr persönlichen Erfahrungen mit Abwertungen in Bezug auf ihren Körper geteilt und sich gegenseitig unterstützt und Mut zugesprochen haben", erzählt Magdalena Mangl.

Generell werden Jugendliche in der Gesellschaft zu wenig wahrgenommen und gehört, findet die Sozialarbeiterin. Aus diesem Grund seien geschützte Räume wie das Flash so wichtig. "Es ist einfach schön, ganz unter Frauen und Mädchen zu sein, zu wissen, das ist unser Raum, den haben wir uns erkämpft. Ein kleiner Geist der Solidarität schwingt bei uns immer mit."

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Mit der Rapperin EsRaP drehten die Mädchen ein Video gegen Bodyshaming

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