KURIER: Sie leben in der Weststeiermark und haben gerade den Roman „Heimat“ veröffentlicht. Wie stark dran an der Wirklichkeit Ihrer Heimat ist das? Ist man dort so bauernschlau, so versoffen, so egozentrisch und manchmal auch so korrupt wie in Ihrem Romandorf?
August Schmölzer: Nein, es geht ja um St. Vinzenz, und nicht um St. Stefan. Die St. Stefaner, die den Roman gelesen haben, lachen, freuen sich darüber und identifizieren sich damit überhaupt nicht. Ich habe ja außerdem geschrieben: Es ist eine semifiktionale Liebeserklärung.
Eine recht böse Liebeserklärung.
Es ist halt so, wie die Menschen sind. Wir leben alle in einer Dualität: Das Gute und Böse, aber auch das Offene und Verschlagene. Keine meiner Romanfiguren ist nur böse oder nur gut – wie im richtigen Leben: Bis zum Pfarrer haben sie alle einen Januskopf.
Warum sind Sie nach Jahren in die Provinz zurückgekehrt?
Es ist eine Wurzel, die ich Gott sei Dank nie ausreißen konnte, und ein schönes Gefühl. Ich freue mich immer öfter, wenn ich aus der großen weiten Welt zurückkomme und bei uns am Weinberg bin.
Muss man hier Winzer sein?
Nein. Ich bin keiner. Man muss es lernen, alles andere ist eine Anmaßung. Daher haben wir dafür einen sehr guten Winzer, die Familie Klug.
Der Name findet sich auch im Buch. Beim Lesen hat man das Gefühl, Sie haben ein zwiespältiges Verhältnis zur Politik. Gibt es auch Politiker, die Sie schätzen?
Ja. Ich bin nicht jemand, der auf Parteien steht. Aber es gibt in jeder Partei tolle Menschen, die etwas Gutes für dieses Land wollen. Die interessieren mich.
Sie haben vor der Steiermark-Wahl in einem Instagram-Video für die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition unter Christopher Drexler geworben. Das geht sich nicht mehr aus, die FPÖ wurde klar Erster. Haben Sie das so erwartet?
Nein, ich dachte aber, es wird eng werden. Als demokratischer Steirer kann ich nur sagen: Ich wünsche dem Herrn Kunasek und seinem Team viel Glück, weil die Aufgaben sind unvorstellbar groß. Und dem Christopher Drexler wünsche ich, dass er zu sich kommt, dass er einen Weg findet, das Ganze zu verarbeiten und neue Projekte anzugehen, denn er ist ein toller Mensch.
Müsste er nicht zurücktreten?
Ich weiß, er ist ein Kämpfer und ich will ihm nichts ausrichten. Ich persönlich würde zurücktreten.
Im ersten Schock hat er gesagt, er sehe sich als Bauernopfer der Wiener Politik und des Bundespräsidenten, der der FPÖ trotz Wahlsiegs kein Verhandlungsmandat erteilt hat. War das falsch?
Ich bewerte es nicht. Ich weiß nur, wie schwierig es ist, Verantwortung zu tragen.
Er hat für diese Ansage einen Shitstorm kassiert.
Ich würde diese Menschen gerne bitten, einfach einmal darüber nachzudenken, wie es ihnen gehen würde. Es ist widerlich und feige, anonym draufzuhauen. Dankbarkeit ist halt keine politische Kategorie.
Wie schon Kreisky sagte.
Ja. Jeder, der in dieser Welt politisch Verantwortung übernimmt, hat meinen großen Respekt. Politik ist ein undankbares Geschäft.
Zum ausführlichen Gespräch mit August Schmölzer
Woher kommen Wut und Enttäuschung der Wähler?
Ich kann’s Ihnen nicht sagen. Manche Leute haben mir gesagt: „Es muss sich alles ändern.“ Worauf ich sie gefragt habe: „Wo würdest du lieber leben als in Österreich?“ Da fiel ihnen nichts ein. Es geht uns – natürlich mit vielen Ausnahmen – immer noch relativ gut. Jetzt hat Herr Kunasek die Möglichkeit, alles besser und richtiger zu machen.
Sie kritisieren nicht zum ersten Mal, dass zu viel gejammert wird.
In meinen Sozialprojekten habe ich erlebt: Die wirkliche Armut, das wirkliche Schicksal jammert nicht.
Warum betreiben Sie das Kultur- und Bildungsprojekt „Stieglerhaus“?
Weil mir das eine wunderbare Mäzenin ermöglicht hat. Wir bieten den Menschen unaufdringlich Dinge, die es dort weit und breit so nicht gibt. Das macht ungemein Spaß.
Sogar Kurrentschrift lernt man da.
Wir haben nicht erwartet, dass das so nachgefragt ist.
Sie haben ursprünglich Koch gelernt, was man in Ihrem Buch merkt. Die Rezepte sind sehr anschaulich beschrieben.
Diese Rezepte habe ich mir von meiner Mutter erzählen lassen, bevor sie sich in das Reich der Demenz verabschiedete. Ich habe sie gefragt: „Wie habt ihr eine Breinwurst gemacht, und wie ist das mit den Maischwammerl?“ In Erinnerung an sie habe ich diese Rezepte der alten Dame im Buch zugeschrieben. Sie sind alle nachzukochen.
Maischwammerl kenne ich nicht.
Im Mai finden Sie unter den Zwetschkenbäumen weiße Schwammerl mit wunderbarem Eigengeschmack, die man auch ohne sie zu kochen dünn über einen Salat schneiden kann.
Was ist Ihr Lieblingsrezept?
Auf’gsetzte Henn.
Außerhalb der Steiermark würde niemand Schilcher trinken.
Seien Sie vorsichtig!
Was macht dieses Nationalgetränk denn aus?
Gut, dass Sie Nationalgetränk gesagt haben (lacht). Diese autochthone Rebsorte ist mittlerweile gut ausgebaut. Selbst in einem der besten Lokale in New York bekommen Sie mittlerweile eine Flasche weststeirischen Schilcher, wofür Sie wahrscheinlich 200 bis 300 Dollar zahlen müssen. Und ein Tipp: Wenn Sie gerne gutes japanisches oder chinesisches Essen mögen, trinken Sie dazu ein Glas Schilcher. Sie werden staunen, wie das den Geschmack vervollständigt!
In erster Linie sind Sie Schauspieler, haben unter anderem als Nazi-Beamter in „Schindlers Liste“ gespielt sowie in etlichen Tatorten, sind aber auch „Kammerschauspieler“: Theater oder Film – was machen Sie lieber?
Ich mache beides gerne, aber natürlich hängt mein Herz am Ursprung, am Theater, wo man alles gewinnen oder alles katastrophal schiefgehen kann, wie etwa eine steirische Landtagswahl (lacht). Es ist toll, das Publikum direkt zu spüren. Damit zu spielen ist die hohe Kunst.
Sie haben oft mit Christiane Hörbiger gearbeitet, auch in „Julia – eine ungewöhnliche Frau“. Sie war Nationalheilige, galt aber auch als schwierig. Wie kamen Sie denn mit ihr aus?
Sie war sehr direkt – das bin ich auch. Wir haben so viel Spaß miteinander gehabt! Sie war eine wunderbare und mutige Schauspielerin, ich fühle mich sehr geehrt, dass ich mit ihr arbeiten durfte.
Sie spielen oft Bösewichte. Was interessiert Sie daran?
Die psychologische Fülle. Ich spüre gerne solchen Charakteren nach und den Ursachen, warum sie so geworden sind.
Kabarettist sind Sie auch.
Wir sind, glaube ich, die einzige Kabarettgruppe, die nicht lustig ist. Wir bemühen uns, lustig zu sein, und darüber wird es erst lustig. Es ist übrigens interessant, dass in einer Zeit der Wende die Kabarettisten mehr werden. Auch in den Zwanzigerjahren vor hundert Jahren tanzte man auf dem Vulkan, hatte Sehnsucht nach Unterhaltung und Lachen, weil man spürte: Da brodelt es drunter. Wehe, wenn das außer Rand und Band gerät. Da ist es möglich, dass wieder etwas entsteht, was wir uns nicht gewünscht haben.
Kommentare