Auf der Welt leben jetzt mehr Dicke als Dünne

ABD0109_20150505 - ARCHIV - Ein Übergewichtiger sitzt am 04.10.2012 in München (Bayern) auf einer Steinbank. Foto: Frank Leonhardt/dpa (zu dpa "Prognose: Europäer werden dicker - Fast alle Iren 2030 übergewichtig" vom 05.05.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Neue Studie: Erstmals leben auf der Welt mehr über- als untergewichtige Menschen.

Man weiß ja eh, dass sich die Welt verändert, aber wie sie es tut, ist manchmal erstaunlich: Vor 40 Jahren mussten auf der Erde drei Mal so viele Menschen hungern wie es Übergewichtige gab, heute gibt es eineinhalb Mal so viele Dicke wie Untergewichtige. Der Welt geht es dadurch nicht besser, die Probleme sind nur andere: Erstmals leben auf ihr mehr übergewichtige Menschen als untergewichtige.

Was unglaublich klingt, haben Forscher vom Imperial College London in einer ausführlichen Studie entdeckt, die nun in The Lancet veröffentlicht wurde: Sie verglichen den Body Mass Index (BMI) von 20 Millionen Erwachsenen aus 186 Ländern. Dieser BMI drückt Relation von Gewicht und Größe laut Formel (kg/) aus – wenn er über 30 liegt, spricht man von Fettleibigkeit (bei 1,80 Meter wäre das z.B. ab 98 Kilo).

Nach der Studie ist das Problem heute bei Männern drei Mal und bei Frauen doppelt so häufig wie vor 40 Jahren. Absolut gab es 1975 weltweit 105 Millionen Übergewichtige, im Jahr 2014 bereits 641 Millionen. Die Zahl der Unterernährten stieg derweil von 330 auf 462 Millionen – sank aber in Relation zur Weltbevölkerung, von 14 auf 9 Prozent bei Männern, von 15 auf 10 bei Frauen.

Beim Übergewicht stieg aber auch der Prozentsatz, weshalb Studienleiter Majid Ezzat einen "epidemischen Zustand" sieht, eine kritische Masse sei betroffen: Knapp elf Prozent aller Männer (266 Millionen) und 15 Prozent der Frauen (375 Millionen) sind übergewichtig, 1975 waren es nur 3,2 bzw. 6,4 Prozent. Die meisten davon leben in China (90 Millionen) und den USA (88 Millionen).

Besonders die vielen fettleibigen Chinesen zeigen, dass wachsender Wohlstand und Fortschritt offenbar das Problem ungesunder Ernährung mit sich bringen. Die Menschen werden fetter und sind zugleich oft unterversorgt. Weil Food nicht immer gleich Nahrung ist. Somit haben nicht nur Industrienationen das Problem steigenden Übergewichts, profitorientierte Globalisierung trägt es auch in arme Länder im Wirtschaftsaufschwung.

Gesellschaftsproblem

Wissenschaftler Ezzat fordert daher Regierungen zum Handeln auf, das Problem dürfe nicht länger als ein Problem des Einzelnen wahrgenommen werden, sondern als eines der Politik: "Solange zum Beispiel gesundes Essen wie frisches Obst und Gemüse nicht für jeden leistbar gemacht wird, ändert sich nichts." Und nicht nur die Regierungen. Wenn man diese Gesundheitsbedrohung der Menschheit in den Griff bekommen will, müssen alle zusammenhelfen, und manche wohl auf Profit verzichten: "Es gibt keine einfach Lösung, wir müssen an allen Faktoren des Problems arbeiten. Wir alle – Regierungen, Industrie, Öffentlichkeit, haben hier eine Rolle."

Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO, den Anstieg von Fettleibigkeit bis 2025 auf null zu senken, kostet Ezzat nur ein Lächeln: Bei null stünde derzeit nur die Chance, das zu schaffen.

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