Alkohol: Trinkende Frauen werden als sexuell verfügbar wahrgenommen

Alkohol: Trinkende Frauen werden als sexuell verfügbar wahrgenommen
Forscherinnen haben sich angesehen, welche Stereotype Frauen, die Alkohol trinken, (im Vergleich zu Männern) anhaften.

Wenn der Alkoholisierungsgrad einer Frau dazu benutzt wird, sexualisierte Gewalt zu entschuldigen, spricht man von Victim Blaming – zu Deutsch Täter-Opfer-Umkehr. Im Zuge dessen wird Frauen meist geraten bei der Wahl ihrer Kleidung, ihrem Auftreten, Augenkontakt und ihrem gesamten Gehabe achtsam zu sein.

Entsprechende Argumente werden nicht zuletzt vor Gericht vorgebracht. Ein Beispiel: 2016 wurde der US-Amerikaner Brock Turner schuldig gesprochen, eine Frau auf einer Verbindungsparty vergewaltigt zu haben. In seiner Berufung gegen das Urteil brachte der Stanford-Student zusammen mit seinem Anwalt ein 60-seitiges Dokument ein, in dem ausgeführt wurde, wie alkoholisiert die Frau wirkte. Der Berufung wurde nicht stattgegeben.

Vergangenes Jahr wurde Yale-Student Saifullah Khan für nicht schuldig befunden, eine Kommilitonin sexuell angegriffen zu haben. Seine Anwälte fokussierten sich während des Prozesses großteils darauf, die Aussagen und Darstellungen der Frau zu untergraben: Sie fragten wiederholt, wie viel sie getrunken hatte.

"Sexuell verfügbarer" und "weniger menschlich"

Eine neue Studie legt nun offen, wie Frauen, die in sozialen Settings Alkohol trinken, wahrgenommen werden. Das Ergebnis der Untersuchung des Worcester Polytechnic Institute, der University of Nebraska und der Iowa State University: Frauen, die öffentlich Alkohol konsumieren, werden anders wahrgenommen als Männer – und zwar von beiden Geschlechtern.

Für die Untersuchung, die im Fachblatt Sex Roles publiziert wurde, wurden 398 Teilnehmerinnen und Teilnehmern Fotos und manipulierte Social-Media-Postings vorgelegt. Auf diesen waren junge Frauen und Männer an einer Bar zu sehen – entweder mit einer Flasche Wasser oder einer Flasche Bier in Händen.

Konkret fanden die Wissenschafterinnen im Zuge des Experimentes heraus, dass sowohl Frauen als auch Männer der Ansicht waren, dass eine Frau, die in einem sozialen Umfeld Alkohol trinkt, stärker angetrunken ist als ein Mann, der dasselbe Getränk trinkt. Überdies hinaus wird eine Alkohol trinkende Frau als "sexuell verfügbarer" und "weniger menschlich" wahrgenommen, im Vergleich zu einer Frau, die Wasser trinkt, beziehungsweise einem Mann, der Alkohol konsumiert.

Dabei wurde "sexuelle Verfügbarkeit" als Zuschreibung definiert, dass die Frau alleinstehend und zu zwanglosem Sex bereit sei. "Weniger menschlich" bedeutete, dass der Frau mangelnde Selbstbeherrschung attestiert wurde, sie als mechanisch und kalt, nicht anspruchsvoll, oberflächlich, weniger intelligent, rational sowie unmoralischer beschrieben wurde.

"Schockierende Erkenntnisse"

Die Ergebnisse seien wenig überraschend, hätten jedoch "beunruhigende Folgen", sagte Jeanine Skorinko, Psychologieprofessorin am Worcester Polytechnic Institute und Mitautorin der Studie, der New York Times.

Denn: Die Forscher stellten unter anderem fest, dass Menschen einer Alkohol trinkenden Frau in riskanten Situationen möglicherweise seltener helfen würden, weil sie glauben, dass sie an riskantem beziehungsweise zwanglosem sexuellen Verhalten interessiert sei – und die Situation daher für sie keine Bedrohung darstellt.

"Das ist besonders schockierend", sagte Skorinko im Interview, "weil allein das Halten einer Bierflasche die Wahrnehmung von Alkoholisierung und sexueller Verfügbarkeit bei Frauen, aber nicht bei Männern steigerte."

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