Zwischen Museum und Atelier

Ausstellungsansicht "Individual Stories". Samuraischwert, Rüstung & Helm aus der Sammlung Herbert Brandl.
Die Schau „Individual Stories“ (bis 11.10.2015) zeigt persönliche Sammlungen von Künstlern und Künstlerinnen.

Die Klingen der Samuraischwerter sind blitzblank poliert, die alten Vitrinen im weiten Hauptsaal der Kunsthalle Wien unterstreichen die sakrale Aura der Waffen noch. Warum aber ist in den Glaskästen auch ein Kunstwerk aus Plüsch zu sehen? Warum ist nebenan eine Reihe von Bergkristallen um ein Plastikpüppchen gruppiert, das die Hauptfigur der Sendung mit der Maus darstellt?

Herbert Brandl hat die Vitrinen mit Kostproben aus seiner privaten Sammlung arrangiert. Wer Brandls Kunst kennt, seine großzügigen, mit raschen, breiten Pinselstrichen gemalten Bilder, wird von der Samurai-Connection nicht überrascht sein: Tatsächlich verdankt sich die Malerei nicht unwesentlich der Beschäftigung des Künstlers mit japanischer Kultur und Zen-Philosophie. Doch es gibt eben noch diese kryptischen Kombinationen, die ein eigentümliches, unkonventionelles Denken aufblitzen lassen.

Die Schau „Individual Stories – Sammeln als Porträt und Methodologie“ (bis 11. 10.) wagt einen Balanceakt. Denn die Auswüchse der Sammelleidenschaft von Künstlern sind nicht automatisch museumswürdig. Doch eine bloße Darstellung, welche Sammeltätigkeit nun welche Kunst inspirierte, würde genau die verschlungenen Wege ignorieren, die Kreativität und künstlerisches Denken auszeichnen.

Die Kuratoren (Luca LoPinto, Nicolaus Schafhausen, Anne-Claire Schmitz) zeigen daher Objekte, die an verschiedenen Punkten zwischen Kunst und individueller Passion positioniert sind. Mitunter ist die Sammlung selbst Kunstprojekt, etwa bei den Büchern zur Kakteenzucht, die Yann Sérandour derart auf alten Blumenständern platzierte, dass diese selbst wie abstrahierte Kakteen anmuten.

Vinyl und Botanik

Zwischen Museum und Atelier
Botanische Modelle aus der Sammlung Hubert Scheibl
Der Belgier Jacques André wiederum stellt eine enorme Vinyl- und Buch-Sammlung aus, die aber weniger mit Leidenschaft zu tun hat als mit dem Anliegen, Konsumideologie (eine Platte heißt „I Want More!“, ein Buch „Do It!“) durch obsessive Wiederholungskäufe zu untergraben. Andere Exponate – etwa die botanischen Modelle des Malers Hubert Scheibl – erscheinen zunächst als Liebhabereien, und doch nutzt der Künstler sie, um über die Ausbildung von Formen nachzudenken.

Die Sammlungen ergeben dabei kein geschlossenes Bild, vom Publikum ist ein permanentes Nachspüren, Kombinieren, Hineindenken gefragt. Wer aber beim Öffnen eines unbekannten Sammelschranks oder einer alten Postkartenschachtel schon einmal Blut geleckt hat, wird an dieser Schau Freude finden.

Künstler sind oft auch Sammler – Rembrandt und Picasso sind historische Beispiele, Daniel Spoerri ist ein gegenwärtiges.

Im Ausstellungsraum Spoerri in Hadersdorf am Kamp/NÖ zeigt der Künstler derzeit seine Bestände an Teppichklopfern, Schuhlöffeln, Penisknochen und vielem mehr neben Sammlungen anderer Enthusiasten wie u. a. KURIER-Zeichner Tex Rubinowitz, der Besen und Bürsten zusammengetragen hat (bis 1. November).

Künstler Hans Peter Feldmann – er ist auch in der Schau der Kunsthalle Wien vertreten – betrieb 40 Jahre lang einen Laden für Kitsch aller Art. Nun landeten die Bestände im Museum: Das Lenbachhaus München zeigt den „Laden“ als Teil der Schau „So ein Ding muss ich auch haben“ (bis Ende 2016).

Das herausragende Buch zum Thema von Philipp Blom wurde 2014 neu aufgelegt. „Sammelwunder – Sammelwahn. Szenen aus der Geschichte einer Leidenschaft“ (dtv Verlag, 34,90 €)

Kommentare