Als Basis für die 70-minütige Aufarbeitung der Corona-Traumata dient die nachgerade prophetische Science-Fiction-Geschichte „The Machine Stops“ von E. M. Forster aus 1909: Die Menschen leben unterirdisch und isoliert in standardisierten Räumen, abhängig von einer allmächtigen Maschine, die alle Bedürfnisse befriedigt. Kommuniziert wird über ein Tool, das wir Internet bezeichnen.
Caroline Peters wandelte den Plot ein wenig ab: Vashti wird nicht vom Sohn, sondern vom Vater überredet, raus auf die Straße zu gehen und der faszinierenden Realität ins Auge zu blicken. Diese Flucht aus der digitalen Welt und dem Second Life gelingt aber nur, wenn die Protagonistin ihr lernendes, alle Wünsche erfüllendes Sprachassistenzsystem abschüttelt. Auf der Bühne des Nestroyhofes Hamakom wird diese Siri namens „Isidora“ (Geschenk der Isis, Göttin der Magie) von Andrea Gabriel mit der Livekamera „verkörpert“; Flora Miranda hat sie in ein ähnliches, ebenfalls grasgrünes Spinnenfrau-Kostüm gesteckt wie Peters. Das Spiel im White Cube wird überlagert von Eric Dunlaps Video-Projektionen, die wohl bei Clubbings imponieren, in keiner Phase aber z. B. an die Auftritte von Kraftwerk herankommen.
Hamburger ist nicht Hamburger
Ein "Zoom"-Dinner mit sieben Peters-Charakteren bildet den unterhaltsamen Höhepunkt, analog ist daran gar nichts. Zum Schluss hat Isidora die Doppelbedeutung von Hamburger kapiert (wow!), auf die Skulptur aus bunt leuchtenden Kugeln im Hintergrund werden Videos von Augen und Mündern projiziert – das sieht aus wie von Tony Oursler geklaut.
Und Caroline Peters findet doch noch den Schlitz im Gaze-Vorhang beziehungsweise – wie Jim Carrey („Truman Show“) oder Michael York („Flucht ins 23. Jahrhundert“) – den Weg in die Freiheit. Die Freunde der Schauspielerin jubelten.
Wohl nicht ganz zufällig zeigte am Tag zuvor das australische Back to Back Theatre im Akzent ihre 60-minütige Produktion „The Shadow Whose Prey The Hunter Becomes“ aus 2019. Denn eine Hauptrolle hat Siri: Sie „übersetzt“ die zum Teil wenig verständlichen, weil runtergebeteten oder mühsam hervorgebrachten Sätze in perfektes Englisch und Deutsch. Später erlaubt sie sich sogar, direkt einzugreifen, sich also über die drei Menschen auf der Bühne zu erheben.
Die einbandagierte Sarah Mainwaring und der autistische Scott Price richten die Bühne für eine Versammlung her, in der sie ihresgleichen zur Selbstermächtigung animieren wollen. Zusammen mit Chris Hansen (als Ersatz für Simon Laherty, den die Festwochen in den Mittelpunkt gestellt haben), diskutieren sie brennende Fragen zu Missbrauch – und zum korrekten Begriff für Menschen wie sie. Ihnen bereitet das Agieren Freude.
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