Zu viele Zuckerln von Michael Chabon

Zu viele Zuckerln von Michael Chabon
„Moonglow“ ist voller guter Einfälle. Der hochgelobte amerikanische Roman versteckt sich dazwischen.

Es ist nicht richtig, dass sich  Michael Chabon - oben mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Ayelet Waldman -, der  oft in eine Reihe mit Kollegen Paul Auster („4321“) gestellt wird, ans Sterbebett seines Großvaters setzte, wo ihm der Knochenkrebskranke zwischen Morphiumspritzen an zehn Tagen sein Leben erzählte, sodass „Moonglow“ geschrieben werden konnte.
Der  Eindruck, den der Roman macht, ist ein Schmäh.
Um zu demonstrieren, dass Erinnerungen falsch und Erfindungen  der Wahrheit viel näher kommen?
 Oder um diese  fiktive jüdisch-amerikanische Familiengeschichte aus der Masse der fiktiven Familiengeschichten emporzuheben?
 „Moonglow“ hat sich aus anderen Gründen ohnehin hervorgetan. Denn aus dem neuen Buch  des in Kalifornien lebenden Pulitzer-Preisträgers fallen die   Einfälle wie bunte Zuckerln heraus, und alle will man haben. Super schmecken sie.
Bis alles verpickt ist.
Mit Paul Auster hat das wenig gemeinsam, bei ihm stürzt man  so gern in  versteckte Falltüren. Sich anhauen will man sich, nicht „abhauen“ über Witze. Unsicher an seinen schiefen Wänden will man schleichen ...
Es geht drunter und drüber beim  Erzählen, bei diesem gekonnten Verpflanzen des  Großvaters in historisches Umfeld ... und zwischendurch riecht  das Haar einer 14-Jährigen – wie kommt man auf so was? – nach Briefmarken. Und wie man eine Schlange tötet, erfährt man auch. (Auf die Beine schießen!) Zwei große Themen sind zu erkennen:

Der namenlose „Mein Großvater“ hatte seinen Chef in der Firma, die Haarspangen  erzeugte,  fast stranguliert und war dafür ins Gefängnis gekommen.
Und vorher hatte  „mein Großvater“  für die US-Army bei Peenemünde, wo KZ-Häftlinge V2-Raketen bauen mussten, den Nazi Wernher von Braun gejagt.
„Mein Goßvater“  genierte sich für Amerika, die den SS- Mann  zum „Vater des Apollo-Projekts“ machte.
Aber als „mein Großvater“ ihn im Alter traf, verspürte er keine Mordlust mehr. Er sah von Braun zu, wie er – Zitat – seinen „blassen Riemen“ herausholte und in eine Topfpflanze pinkelte.
Und immer scheint im Buch der Mond sozusagen. Aber Benny Goodman spielt „Moonglow“ leider nicht..

 


Michael
Chabon:

„Moonglow“
Übersetzt von
Andrea Fischer.
Kiepenheuer
& Witsch.
495 Seiten.
24,70 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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