Maria Happel, die dem Reinhardt-Seminar seit 2020 vorsteht und darüber hinaus die Festspiele Reichenau leitet und Burgtheater-Ensemblemitglied ist, unterstreicht, dass der Schritt der Studierenden für sie völlig unerwartet gekommen sei: "Wenn ich mir die Vorwürfe anschaue, die hier erhoben werden, hätte ich mich auch solidarisch mit den Studierenden erklärt. Und dann sickert es, dass es da um meine eigene Person geht. Man wird über Nacht zu einem Täter gemacht. Aber das bin doch nicht ich! Das kriege ich nicht zusammen. Ich finde toll, dass wir Persönlichkeiten ans Haus geholt haben, die sich auf die Hinterbeine stellen und was bewegen wollen. Aber das will ich auch! Ich bin jetzt halt dummerweise die andere Generation - und dieser Konflikt steht ja auch dahinter. Ich finde das also richtig. Ich finde nur nicht richtig, dass man gleich an die Presse geht, bevor auch nur irgendein Gespräch stattgefunden hat - und damit die Prominenz nützt, die man ja eigentlich nicht haben will."
Sie sei, sagt Happel, von den Studierenden nicht kontaktiert worden: "Ich habe im ersten Moment sogar gedacht, dass da jemand betrunken gewesen ist, wurde der Brief doch um 1.28 Uhr abgeschickt."
Happel soll, so die Kritik, nicht adäquat auf #MeToo-Vorwürfe am Seminar im Vorjahr reagiert haben. Sie kontert: "Wir haben die Causa diskret und vorbildlich gelöst. Ich habe mit den Betroffenen im Beisein der Gleichbehandlungsstelle getrennt voneinander Gespräche geführt. Es wurde niemand angeprangert, und die beiden Parteien, um die es ging, sind mit einem für sie zufriedenstellenden Ergebnis nach Hause gegangen."
Happel wird zudem vorgeworfen, kaum am Haus präsent seien. Sie sagt: "Ich war immer viel beschäftigt - das war bekannt. Deshalb hat man mir Annett Matzke zur Seite gestellt, die ausschließlich in der Schule ist und sich dort in enger Absprache mit mir um die Abläufe kümmert. Wichtig ist, dass immer jemand von der Leitung vor Ort ist, und das ist gegeben. Dass ich trotz Homeoffice in Präsenz nicht so oft da sein kann, wie ich möchte, ist Fakt." Sie habe daher dem Burgtheater mitgeteilt, "dass ich in der neuen Saison nicht mehr für Premieren zur Verfügung stehen werde. Ich habe mich also freigeschaufelt für das Reinhardt-Seminar."
"Nicht immer gut behandeln"
Kritisiert wird zudem der raue Umgangston. Happel meint: "Wären wir eine Firma, was würden wir produzieren? Gefühle. Das ist gleichsam unsere Ware, mit der wir handeln. Ich glaube, dass man einen Teil der Menschen in Ausbildungsstätten wie der unseren nicht immer gut behandeln kann. Wir arbeiten mit Grenzen, die auch überschritten werden. Ich rechtfertige damit aber keinen bösen Umgangston! Das respektiere ich nicht! Aber es kann sicher vorkommen, dass sich jemand ungerecht behandelt fühlt." Happel gibt zu, gegenüber einer Schwangeren laut geworden zu sein.
Den Rücktritt hätte sie, weil das Vertrauen der Studierenden „unwiederbringlich zerrüttet“ sei, kurz in Erwägung gezogen. Aber: "Vielleicht ist das Ganze auch eine Chance. Ich will ja auch, dass sich etwas bewegt. Dass ich das nicht alleine kann, ist klar. Dass es die Studierenden nicht alleine können, ist auch klar. Ich würde mir einen Zeitrahmen wünschen, in dem wir mit Hilfe einer ausgebildeten Person von außen versuchen, die Strukturen und das, was im Argen liegt, in Bewegung zu bringen."
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