Strom und Netzwerk
Die Familie der Künstlerin, die 1863 in Sanok (heute Polen, damals Galizien) als Bronislava Pineles geboren wurde, fand ab 1873 in Oberwaltersdorf/NÖ eine Heimat und wirtschaftlichen Erfolg: Ein am Beginn der Schau ausgestellter Stammbaum, der im Katalog erläutert wird, lässt nachvollziehen, wie aus einer vom Patriarchen Saul Pineles gegründeten Textilfabrik ein Elektrizitätswerk und Quelle des Wohlstands wurde.
Verantwortlich dafür war Hugo Koller, Elektrochemiker und Mitarbeiter der später im Siemens-Konzern aufgegangenen Schuckert-Werke – und ab 1896 Broncia Pineles’ Ehemann. Aus der Familie gingen zudem bedeutende Mediziner hervor, der Bruder der Künstlerin war Gustav Klimts Arzt.
Die Malerin, die sich bald Koller-Pinell nannte, rezipierte alle Strömungen ihrer Zeit aus nächster Nähe: Esoterisches wie Theosophie und Symbolismus schlugen sich in ihren Bildern nieder, aber auch der Purismus, der Josef Hoffmann – er gestaltete den Landsitz der Familie in Oberwaltersdorf um – zu seinem charakteristischen Würfel-Stil führte.
In Koller-Pinells Bildern kehrt diese Modernität teilweise in häuslichen Szenen wieder – etwa 1907 in einem Porträt der eigenen Mutter, die in einem Rattan-Sessel mit Schachbrettmuster in der Bildfläche fixiert erscheint, sowie im Bild der Tochter Silvia mit einem Vogelkäfig, der selbst ein Designobjekt der Wiener Werkstätte zu sein scheint.
Besuch von Schiele
Im August 1918 war schließlich Egon Schiele mit seiner Frau Edith mehrmals am Landgut der Familie Koller-Pinell zu Gast. Wie im Katalog zu lesen ist, sollte er mit einem Wandgemälde beauftragt werden, doch es kam nicht mehr dazu: Die Spanische Grippe raffte das Paar zwei Monate später dahin.
Schiele muss jedoch schöne Stunden in Oberwaltersdorf verbracht haben – er porträtierte Hugo Koller, gab der Tochter Silvia Koller Zeichenunterricht und widmete der Keramik-Sammlung der Familie viel Aufmerksamkeit.
Der Künstler erhielt am Ende seines Besuchs einen Krug als Geschenk, er taucht in mehreren Stillleben des Jahrs 1918 auf. Broncia Koller-Pinell hatte ein sehr ähnliches Gefäß bereits 1910 in ihr Gemälde „Töpfermarkt“ integriert. Das Gemälde hängt im Belvedere nun gleich neben Schieles Werk: Es gehört zu den Leistungen einer guten Ausstellung, dass sie solche Verbindungen durch das schlichte Nebeneinander zweier Bilder greifbar machen kann.
Keine Dilettantin
Posthum wurde Koller-Pinell immer wieder als Dilettantin belächelt – auch der KURIER schrieb 1980 von einer „malenden Hausfrau“, was aus vielen Gründen unhaltbar ist. Nicht nur in der Originalität der Bildfindungen und der forschen Lockerheit der malerischen Ausführung war Koller-Pinell ihren männlichen Kollegen ebenbürtig, sie war auch in der Szene der Zeit ebenso gut vernetzt: Die Gruppe um Gustav Klimt, die sich 1905 von der Secession abgespalten hatte und ab 1907 die „Kunstschau“ ausrichtete, war ihre zentrale Plattform und zeigte Koller-Pinell – häufig an Seite ihres Ateliergenossen Heinrich Schröder – durchwegs prominent.
Später geriet sie in den Mahlstrom der zahllosen Rivalitäten und Abspaltungen jener Zeit. Als die Kunstschau-Gruppe 1932 zerbrach, wurden übrigens nur nichtjüdische und männliche Künstler eingeladen, sich der Wiener Secession anzuschließen. Erst 1961, als das Belvedere das Hauptwerk „Die Ernte“ erwarb, wurde Koller-Pinell etwas mehr Würdigung zuteil. Der neue, klare Blick auf sie war also mehr als überfällig.
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